IT- und Medienrecht

Unzulässigkeit einer Richterablehnung zur Verfahrensverschleppung nach abgelehnter Terminsverlegung

Aktenzeichen  274 C 890/16

Datum:
7.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 45 Abs. 2, § 227 Abs. 2, § 216 Abs. 2, § 271 Abs. 1, § 272 Abs. 3, § 282

 

Leitsatz

1. Die Ablehnung einer Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit(ebenso BGH BeckRS 2006, 05748 Rn. 31; OLG Brandenburg BeckRS 2015, 02403). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Richterablehnung ist unzulässig, wenn sie offensichtlich nur dazu dienen soll, das Verfahren zu verschleppen. Über das unzulässige Ablehnungsgesuch kann der abgelehnte Amtsrichter selbst entscheiden (ebenso BVerfG BeckRS 2007, 28261; BGH BeckRS 2005, 06437). (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein rechtsmissbräuchliches und damit unzulässiges Ablehnungsgesuch liegt vor, wennn ihm ein Terminsverlegungsantrag nach Erlass eines Versäumnisurteils vorausgeht, das Gericht Ausweichtermine am Terminstag anbietet, ohne dass darauf eine Reaktion erfolgt und einer Aufforderung zur Glaubhaftmachung der Verhinderuung nicht nachgekommen wird.                                                        (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten ist unzulässig, da der Beklagte offensichtlich eine Prozessverzögerung beabsichtigt.
Der Beklagte begründete seinen Befangenheitsantrag mit der aus seiner Sicht unzulässigen Aufforderung des Gerichts zur Vorlage der Terminsverfügung eines anderen Gerichts, um eine Verhinderung glaubhaft zu machen. Hierdurch werde ihm etwas Unmögliches auferlegt, weil er personenbezogene Daten preisgeben müsste.
Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt (BGH, Beschluss vom 06. April 2006 – V ZB 194/05 -, juris Rn. 31 = NJW 2006, 2492-2495), dass die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet, weil diese nach § 227 ZPO nur bei Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt.
Vorliegend hat das Gericht dem Beklagten lediglich die Glaubhaftmachung der Verhinderung aufgegeben, § 227 Abs. 2 ZPO. Zugleich signalisierte das Gericht deutlich, dass es zu einer Terminsverlegung bereit wäre und bot umfassend Alternativtermine am selben Tag an. Wörtlich heißt es in der Verfügung vom 31.05.2016: „Das Gericht möchte dem Beklagten entgegenkommen und könnte den Termin entweder nach vorne (z. B. 9:45, 10:15, zwischen 11:00 und 13:00 Uhr) oder nach hinten verlegen (ab 15:00 Uhr).“
Eine Glaubhaftmachung erfolgte nicht, weshalb der Termin nicht zu verlegen war. Die Begründung des Beklagten, warum er an der Vorlage der Terminsverfügung gehindert sei, überzeugt nicht. Es wäre dem Beklagten unschwer möglich gewesen, die Personendaten zu schwärzen. Darüber hinaus hat sich der Beklagte noch nicht einmal zu den vorgeschlagenen Alternativterminen geäußert.
Der Beklagte versucht, mithilfe eines Befangenheitsantrags eine Terminsverlegung und damit eine Verfahrensverzögerung zu erzwingen. Dadurch, dass er sich zu den angebotenen Alternativterminen nicht äußerte, brachte er zum Ausdruck, dass ihm – verhinderungsunabhängig – nicht an einer Verhandlung an diesem Tag gelegen ist.
Die Zivilprozessordnung verpflichtet in zahlreichen Vorschriften das Gericht und die Parteien zur zügigen Erledigung des Rechtstreits (§§ 216 Abs. 2, 271 Abs. 1, 272 Abs. 3, 282 ZPO). Das gesetzliche Beschleunigungsgebot gilt auch dann, wenn eine der Parteien (der Beklagte) ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lässt und auf diese Weise mit seinem anschließenden Einspruch gegen das Versäumnisurteil die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Demgemäß ist auf den Einspruch ein neuer Verhandlungstermin unverzüglich (§ 216 Abs. 2 ZPO) und so früh wie möglich (§ 272 Abs. 3 ZPO) zu bestimmen, das heißt auf den nächsten freien Termin unter Einhaltung der Ladungsfrist. Diesen Vorgaben hat das hiesige Gericht gerade genügt. Durch die Terminsverlegung würde wiederum eine Verzögerung des Verfahrens eintreten (OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Oktober 2008 – 2 U 155/08 -, juris Rn. 17).
Es ist in der Rechtsprechung einhellig anerkannt, dass der abgelehnte Richter – abweichend von § 45 Abs. 2 ZPO – ausnahmsweise dann zu einer eigenen Entscheidung über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch befugt ist, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich ist und insofern als unzulässig zu verwerfen wäre. Dies wird etwa dann angenommen, wenn es offensichtlich nur dazu dienen soll, das Verfahren zu verschleppen, oder wenn mit der Ablehnung verfahrensfremde, von Sinn und Zweck des Ablehnungsrechts offensichtlich nicht erfasste Ziele verfolgt werden sollen. Derartiges wurde dann bejaht, wenn die Verweigerung einer Terminsverlegung zum Anlass genommen wurde, durch Anbringen eines auf die Verweigerung gestützten Ablehnungsgesuch – gewissermaßen in letzter Minute – eine Terminsverlegung doch noch zu erzwingen (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Oktober 2008 – 2 U 155/08 -, juris Rn. 18; ferner OLG Köln OLGR 2004, 404-405, OLG Köln OLGR 2003, 107-109, OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1042; Vollkommer, in: Zöller, 31. Auf., 2016, § 45, Rn. 4). Vorliegend diente das Ablehnungsgesuch vom 06.06.2016 nur dazu, eine Terminsverlegung kurzfristig zu erreichen, um das Verfahren zu verzögern.

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