IT- und Medienrecht

Verbot ausschließlicher Fernbehandlung

Aktenzeichen  S 28 KA 94/17 ER

Datum:
17.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 75, § 86b Abs. 2 S. 1, Abs. 3
BGB BGB § 280 Abs. 1, § 630a, § 1004 Abs. 1 S. 2
BOÄ § 7 Abs. 4
UWG UWG § 3, § 3a, § 8 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur Vereinbarkeit eines telefonischen ärztlichen Triage-Services mit dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen und dem Verbot ausschließlicher Fernbehandlung.
2. Im Rahmen eines Triage-Services telefonisch beratende Ärzte verstoßen gegen das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung gem. § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern. (redaktioneller Leitsatz)
3. Anordnungsgrund ist bei der Sicherungsanordnung die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes. Die bloße Möglichkeit beeinträchtigender Maßnahmen ist noch keine Gefahr, es müssen vielmehr Tatsachen vorliegen, die auf eine unmittelbar bevorstehende Veränderung schließen lassen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. 1. Den Antragsgegnern zu 1., 3. und 4. wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,-, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft bei den Antragsgegnern zu 1. und 4. zu vollziehen in Person des gesetzlichen Vertreters, gem. § § 86b Abs. 2,198 Abs. 1 SGG, 890 ZPO verboten,
a. eine online abrufbare und/oder druckschriftliche Darstellung mit dem Angebot, gesetzlich krankenversicherte oder gemäß § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V gleichgestellte Personen mit gesundheitlichen Beschwerden, die im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt und des Landkreises E-Stadt wohnhaft sind, telefonisch im Rahmen des Services „G-Firma“ zu beraten oder beraten zu lassen, der Öffentlichkeit in der Weise zugänglich zu machen und/oder zugänglich machen zu lassen, dass beliebigen Dritten der Abruf der Darstellung zu einer Zeit und von einem Ort möglich ist, den diese Dritten selbst wählen können, und/oder (druckschriftlich) zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen
und/oder
b. gesetzlich krankenversicherte oder gemäß § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V gleichgestellte Personen mit gesundheitlichen Beschwerden, die im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt und des Landkreises E-Stadt wohnhaft sind, telefonisch im Rahmen des Services „G-Firma“ zu beraten oder beraten zu lassen,
insbesondere während der Bereitschaftsdienstzeiten gemäß der Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns KdöR;
und/oder
c. Personen mit gesundheitlichen Beschwerden, die im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt und des Landkreises E-Stadt wohnhaft sind, telefonisch im Rahmen des Services „G-Firma“ von in Bayern tätigen Ärzten beraten und/oder behandeln zu lassen, ohne dass es zu einem unmittelbaren Kontakt der Personen mit einem Arzt, insbesondere einer persönlichen körperlichen Untersuchung durch einen Arzt, kommt.
2. Der Antragsgegnerin zu 2. wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,-, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen in Person des gesetzlichen Vertreters, gem. § § 86b Abs. 2,198 Abs. 1 SGG, 890 ZPO verboten, eine online abrufbare und/oder druckschriftliche Darstellung mit dem Angebot, gesetzlich krankenversicherte oder gemäß § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V gleichgestellte Personen mit gesundheitlichen Beschwerden, die im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt und des Landkreises E-Stadt wohnhaft sind, telefonisch im Rahmen des Services „G-Firma“ zu beraten oder beraten zu lassen, der Öffentlichkeit in der Weise zugänglich zu machen und/oder zugänglich machen zu lassen, dass beliebigen Dritten der Abruf der Darstellung zu einer Zeit und von einem Ort möglich ist, den diese Dritten selbst wählen können, und/oder (druckschriftlich) zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin zu 20%, die Antragsgegner zu 1., zu 3. und zu 4. zu jeweils 25% und die Antragsgegnerin zu 2. zu 5% zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt von den Antragsgegnern mittels einer einstweiligen (Sicherungs-)Anordnung die Unterlassung eines telefonisch-ärztlichen Serviceangebots („Triage“) wegen behaupteter rechtswidriger Beeinträchtigung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes Bayern sowie wegen Verstoßes gegen das Verbot ausschließlicher Fernbehandlung.
Die Antragstellerin ist die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Ihr in der Satzung festgelegtes Ziel ist die Erhaltung der Freiberuflichkeit und die Erzielung einer leistungsgerechten Honorierung unter Bewahrung des vom Gesetzgeber übertragenen Sicherstellungsauftrages und Beachtung der Interessen der vertragsärztlichen Versorgungsebenen und Fachgebiete sowie der verschiedenen Praxisorganisations- und Kooperationsformen.
Die Antragsgegnerin zu 1. ist eine in B-Stadt ansässige Gesellschaft, die Dienstleistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens erbringt. Sie wurde im Jahr 2003 von dem Antragsgegner zu 4., dem in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisierten Praxisnetz GOIN, gegründet. Alleingesellschafter ist der Antragsgegner zu 4. Die Antragsgegnerin zu 1. hat mit der Antragstellerin Kooperationsverträge über die Einrichtung und den Betrieb von zwei ärztlichen Bereitschaftspraxen sowie einer kinderärztlichen Bereitschaftspraxis in B-Stadt und D-Stadt geschlossen.
Die Antragsgegnerin zu 2. ist eine in B-Stadt ansässige Gesellschaft, die Rechtsträgerin der Bayerischen F-Firma ist. Sie betreibt die Website www.F-Firma.de.
Der Antragsgegner zu 3. ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zu vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und Mitglied der Antragstellerin. Er ist Geschäftsführer sowohl der Antragsgegnerin zu 1. als auch der Antragsgegnerin zu 2. Zudem ist er Erster Vorsitzender des Antragsgegners zu 4. und für diesen vertretungsberechtigt.
Der Antragsgegner zu 4., das Praxisnetz GOIN, ist ein Zusammenschluss von über 430 niedergelassenen Ärzten aller Fachrichtungen aus B-Stadt und Umgebung ist. Er betreibt die Website www.G-Firma.info.
Die Antragsgegner zu 1. und 4. boten Patienten mit akuten gesundheitlichen Problemen in der Region 10 ab dem 12.12.2016 einen kostenlosen, telefonischen ärztlichen Beratungsservice namens „G-Firma“ an. Auf der Eingangsseite der Website www.G-Firma.de hieß es:
„Herzlich willkommen bei G-Firma! Telefonisch-medizinische Beratung des Praxisnetzes GO IN für B-Stadt und Umgebung Bei gesundheitlichen Beschwerden benötigen Sie schnell und kompetent Hilfe und Rat.
Wir – das Ärztenetz GO IN – möchten für Sie rund um die Uhr da sein. Deswegen bieten wir Ihnen eine telefonische Beratung bei gesundheitlichen Beschwerden an – zum Beispiel, wenn Sie nachts akute Bauchschmerzen bekommen, Ihr Hausarzt nicht erreichbar ist und Sie nicht wissen, ob ein Besuch der Bereitschaftspraxis oder der Notaufnahme nötig ist. Wenn Sie unsere Servicenummer (…) anrufen, beraten wir Sie, was Sie in Ihrem Fall tun sollten.
In unserem Probelauf möchten wir Ihnen einen Ansprechpartner bei gesundheitlichen Beschwerden anbieten, auch wenn Ihr Hausarzt zurzeit keine Sprechstunde hat.“
Unter der Überschrift „So einfach funktioniert’s“ fand sich folgende Abbildung:
In der sog. Einwilligungserklärung war die „Einwilligung in die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten im Rahmen einer Inanspruchnahme des telefonisch-medizinischen Dienstes des GO IN Ärztenetzes – G-Firma“ vorgesehen.
Auf der Eingangsseite der Website wurde darauf hingewiesen, dass G-Firma voraussichtlich, in Abhängigkeit der Nachfrage, bis zum 12.06.2017 verfügbar sein werde. Abhängig von der Nachfrage entscheide sich eine Verkürzung bzw. Beibehaltung des Dienstes. Unter der Überschrift „Wer ist G-Firma?“ hieß es daneben:
„Das Praxisnetz G-Firma IN bietet Ihnen rund um die Uhr einen telefonischen Service für eine optimale Behandlung bei gesundheitlichen Beschwerden“.
Auf der Seite „FAQs – Häufig gestellte Fragen“ hieß es:
„Die Antworten auf die häufigsten Fragen zu unserem Service haben wir hier für Sie zusammengestellt:
Um was geht es? Ärzte beraten Sie kostenlos bei generellen medizinischen Fragen und in akuten Krankheitssituationen. Rund um die Uhr und zum normalen Telefontarif. Sie erhalten so in Kürze die Auskunft, wen Sie zur Behandlung Ihrer gesundheitlichen Beschwerden aufsuchen sollten und wie dringlich eine Behandlung ist. Die Beratung geschieht selbstverständlich vertraulich.
Was sind meine Vorteile?
Die telefonische Beratung gibt Ihnen das sichere Gefühl, jederzeit – also auch nachts oder an Feiertagen – und überall Rat bei gesundheitlichen Beschwerden zu erhalten. Sie hilft, rasch den sinnvollsten Behandlungsweg zu ermitteln. Sie haben jederzeit einen Ansprechpartner, der Sie beruhigt und Ihnen durch einen professionellen medizinischen Rat Sicherheit vermittelt.
Wie sicher ist G-Firma?
Die Ärzte dieses Dienstes ermitteln den richtigen Ansprechpartner für Ihre Beschwerden gemeinsam mit Ihnen anhand eines wissenschaftlich geprüften Fragenkatalogs. Dieser Fragenkatalog wird bereits in mehreren Ländern erfolgreich und sicher umgesetzt. Sie erhalten so in kurzer Zeit eine Empfehlung, welche Praxis/Einrichtung Sie aufsuchen sollten und wie dringlich dies ist.
Wann ist der Service verfügbar?
Der Service ist rund um die Uhr (auch am Wochenende und an Feiertagen!) für Sie verfügbar. Unser Testbetrieb läuft bis zu dem 12.06.2017. Der Erfolg des Testbetriebs entscheidet danach über eine Fortsetzung von G-Firma.
Was sind die Voraussetzungen? Sie müssen in der Region 10 wohnen und eine Einwilligungserklärung abgeben.
Zu der Region 10 zählen:
Stadt B-Stadt, Landkreis C-Stadt, Landkreis D-Stadt-, Landkreis E-Stadt.
Eine Einwilligung können Sie über unsere Webseite, unsere APP oder per Brief an uns schicken.“
Im Impressum von www.G-Firma.de firmiert die Antragsgegnerin zu 1.
Auf der Website www.F-Firma.de der Antragsgegnerin zu 2. ist ein Flyer des Beratungsservices G-Firma abrufbar.
Auch auf der Website www.G-Firma.info des Antragsgegners zu 4. wurde der Beratungsservice „G-Firma“ näher dargestellt und zugleich auf die Website www.G-Firma.de verlinkt.
Im Rahmen der sog. Schliersee-Konferenz am 30./31.01.2017 gab der Antragsgegner zu 3. ein Interview. Auf die Bitte der Journalistin, die aktuellen Triage-Systeme in der Notfallversorgung zu beschreiben, antwortete er:
„(…) Triage-System bedeutet, dass wir als erstes keine Diagnose stellen. Wie ist es aufgebaut: Patienten müssen sich einschreiben in das Triage-System, einfach deswegen, weil über medizinische Dinge geredet wird. Am Ende im Call-Center sitzen bei uns in B-Stadt neun Notfallmediziner, die nehmen die Fragen der Patienten an. Patienten marschieren ja immer gleich ins Krankenhaus oder in die Bereitschaftspraxis, weil sie Angst haben. Und der Kern des Triage-Systems ist einfach, die Angst wegzunehmen. Sie können dort anrufen, werden beraten und zwar nach einem Protokoll, das vom NHS, also aus London, stammt, was auch in der Schweiz eingesetzt wird mit einem wahnsinnig guten Erfolg. Typisches Pareto-Ergebnis: 80% der Patienten müssen nicht in die Notaufnahme fahren, müssen nicht in die Bereitschaftspraxis fahren, sondern können abschließend von diesen neun Notfallmedizinern beraten werden, zum Beispiel über eine Selbstbehandlung oder sie müssen in die Apotheke gehen oder können in die Apotheke gehen und sich dort Medikamente holen, und sie sollen zum Beispiel innerhalb von 24 Stunden noch einmal anrufen, dass man noch einmal darüber spricht. Also ein erfolgreiches System in England, in der Schweiz und hoffentlich auch bald bei uns in Deutschland.“
Einer Abmahnung vom 20.02.2017 und einer darin geforderten Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kamen die Antragsgegner zu 1. bis 4. nicht nach. Die Bevollmächtigten der Antragsgegner wiesen mit Schriftsatz vom 24.02.2017 u. a. darauf hin, dass sich ein Verstoß gegen das Fernbehandlungsverbot in § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern nicht ausmachen lasse. Bei der telefonischen Triage erfolge schon keine „individuelle Behandlung“, sondern allenfalls eine Vorbereitungshandlung.
Die Antragstellerin hat am 07.03.2017 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG beim Sozialgericht München gestellt. Sie ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin zu 1. ein Patientenvermittlungs-System bewirbt und durchführt, durch das der Ärztliche Bereitschaftsdienst Bayern der Antragstellerin in rechtswidriger Weise beeinträchtigt wird. Die Antragsgegnerin zu 1. sei faktische Zentrale und Strukturträgerin der Bewerbung und Durchführung von Vermittlungsleistungen. Die anderen Antragsgegner helften nur mit untergeordneten Mitwirkungshandlungen mit. Aus diesem Grund sei der Kostenantrag auch „asymmetrisch“ ausgestaltet worden. Unter www.G-Firma.info und www.G-Firma.de würden Vermittlungs- und Beratungsleistungen angeboten werden. Das Leistungsangebot richte sich einschränkungslos an jeden Hilfesuchenden und gerade nicht ausschließlich an privat Krankenversicherte. Es habe Ende 2015 Kontakte mit dem Antragsgegner zu 3. wegen dem Patientenvermittlungs-System gegeben. Die Antragstellerin habe eine Mitwirkung oder Duldung damals ausdrücklich abgelehnt. Erst mit dem konkreten Betriebsbeginn am 16.12.2016 sei für die Antragstellerin erkennbar gewesen, in welcher Art und Weise das Vermittlungssystem konkret durchgeführt werde. Konkret nachvollziehbar sei das Vermittlungssystem durch die mündliche Darstellung des Antragsgegners zu 3. am 31.01.2017 geworden. Die Antragsgegner müssten sich verschiedene Rechtsverstöße zurechnen lassen. Es läge ein Eingriff in die Befugnis der Antragstellerin zur Sicherstellung der Versorgung auch in sprechstundenfreien Zeiten vor. Dem dienstplanmäßig eingeteilten Arzt im Bereitschaftsdienst würden Einkünfte entzogen, wenn eine Patientenvermittlung zu Ärzten außerhalb des Bereitschaftsdienstes der Antragstellerin erfolge. Zudem werde gegen die Vorschrift zur Fernbehandlung gem. § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern verstoßen. Für das Vermittlungssystem der Antragsgegnerin zu 1. sei wenigstens eine Arbeitsdiagnose erforderlich, deren Erhebung es erst zulasse zu beurteilen, welche Vermittlungsleistung dem konkreten Gesundheitszustand dienlich sein könne. Auch würden Versicherte von der konkreten Inanspruchnahme gesetzlicher Ansprüche auf Arztbehandlung abgehalten werden, obwohl die Antragstellerin gerade insoweit die gesetzliche Aufgabe der Gewährleistung habe. Zudem bestünde durch die Vermittlungstätigkeit der Antragsgegnerin zu 1. auch die Gefahr, dass Patienten zu Sprechstundenzeiten an die Notfallambulanz vermittelt würden, weil die über G-Firma beratenden Ärzte ja den Patienten nicht vor sich hätten und Gesundheitsschäden der Patienten und daraus ggf. resultierende Haftungsfälle vermeiden wollten. Auch würde gegen Datenschutzvorschriften verstoßen. Der missbräuchlichen Verwendung von Notfallscheinen würde Vorschub geleistet. Die Ansprüche der Antragstellerin beruhten hinsichtlich der Antragsgegner zu 1. und 3. zum einen auf vertraglicher Grundlage. Die mit der Antragstellerin geschlossenen Kooperationsverträge verpflichteten die Antragsgegnerin zu 1. zu einem Verhalten gemäß dem objektiv bestehenden Ordnungsrahmen, wie er durch Gesetz und Satzungsrecht für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst bestehe. Daneben besäße die Antragstellerin einen Verbotsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 75 Abs. 1,1b SGB V gegen alle vier Antragsgegner. Zudem gehe es auch um einen Verstoß der Antragsgegner zu 1. bis 4. gegen § 3a UWG. § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern stelle eine Marktverhaltensnorm dar, die vorliegend verletzt werde. Der Antragsgegner zu 3. hafte infolge seines Verhaltens in seiner Funktion als Geschäftsführer (Organperson). Gerade die bestehende rechtliche Verbindung zwischen dem Antragsgegner zu 4. und der Antragstellerin verlange den Organpersonen wie dem Antragsgegner zu 3. in Wahrnehmung der Organstellung ein die Rechtsposition der Antragstellerin beachtendes Verhalten ab. Die zwischenzeitliche Einstellung des Vermittlungssystems beeinflusse die Wiederholungsgefahr nicht. Wiederholungsgefahr bestehe infolge bisher verwirklichter Rechtsverletzung. Im Übrigen sei der Fortgang des Vermittlungssystems sogar konkret angekündigt.
Die Antragstellerin beantragt,
I. Den Antragsgegnern zu 1. bis 4. wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,-, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft bei der Antragsgegnerin zu 1., 2. und 4. zu vollziehen in Person des gesetzlichen Vertreters, gem. § § 86b Abs. 2,198 Abs. 1 SGG, 890 ZPO verboten,
1. eine online abrufbare und/oder druckschriftliche Darstellung mit dem Angebot, zur Verfügung stehende ärztliche Dienstleistungen im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt und des Landkreises E-Stadt gegenüber ärztliche Tätigkeit nachfragenden Personen zu vermitteln,
der Öffentlichkeit in der Weise zugänglich zu machen und/oder zugänglich machen zu lassen, dass beliebigen Dritten der Abruf der Darstellung zu einer Zeit und von einem Ort möglich ist, den diese Dritten selbst wählen können, und/oder (druckschriftlich) zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder
2. zur Verfügung stehende ärztliche Dienstleistungen im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt und des Landkreises E-Stadt gegenüber ärztliche Tätigkeit nachfragenden Personen zu vermitteln und/oder vermitteln zu lassen,
insbesondere Vermittlung ärztlicher Dienstleistungen während der Bereitschaftsdienstzeiten gem. Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns KdöR;
und/oder
3. ärztliche Dienstleistungen im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt und des Landkreises E-Stadt an bei ärztliche Tätigkeit nachfragenden Personen ohne persönliche Anwesenheit der nachfragenden Person beim mit der Person sich zu deren Gesundheitszustand mündlich austauschenden Arzt erbringen zu lassen.
II.
Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes wie folgt:
„die Antragsgegnerin zu 1. zu 85%,
die Antragsgegnerin zu 2. zu 5%,
der Antragsgegner zu 3. zu 5%,
der Antragsgegner zu 4. zu 5%.“
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegner haben ausgeführt, dass der streitgegenständliche Triage-Service „G-Firma“ als Serviceangebot entwickelt worden sei, weil in den Bereitschaftspraxen in B-Stadt und D-Stadt in den vergangenen Jahren, insbesondere an den Wochenenden, so viele Patienten mit unterschiedlich dringenden Beschwerden vorstellig geworden seien, dass die Versorgung der tatsächlich akut hilfebedürftigen Patienten gefährdet gewesen sei. Die Nutzung des Angebots sei kostenlos; es erfolge auch keine Abrechnung gegenüber der Gesetzlichen Krankenversicherung oder anderen Trägern der Sozialversicherung. Gegenstand des telefonischen Triage-Systems sei ein Beratungsangebot für Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Den anfragenden Nutzern werde eine Einschätzung hinsichtlich der Dringlichkeit der von ihnen vorgetragenen Symptome ermöglicht. Eine Diagnose oder Therapieentscheidung werde aber nicht vorgenommen. Es erfolge lediglich eine erste Risikoeinschätzung ohne Bezug zu einem konkreten Krankheitsbild. Den Nutzern des Services werde so die – im Übrigen vollkommen eigenverantwortliche – Entscheidung erleichtert, ob sie sich notwendigerweise umgehend, später oder ggf. gar nicht bei einem ärztlichen Leistungserbringer ihrer Wahl vorstellen sollten. Die eingehenden Anrufe würden in einem Callcenter in G-Stadt (bei A-Stadt) von Ärzten entgegengenommen, die sodann die Triage durchführten. Der Anrufer schildere dem Arzt während des Gesprächs seine Symptomatik und erhalte daraufhin eine Empfehlung hinsichtlich der Dringlichkeit einer Behandlung. Die dabei abgegebenen möglichen Empfehlungen lauteten wie folgt:
„– Dringlichkeit niedrig (keine Behandlung oder Aufsuchen einer Apotheke)
– Dringlichkeit mäßig (Aufsuchen eines Haus- oder Facharztes zu den entsprechenden Öffnungszeiten)
– Dringlichkeit hoch (Aufsuchen der Notfallpraxis wird empfohlen)
– Dringlichkeit sehr hoch (Aufsuchen der Notaufnahme wird empfohlen)
– Dringlichkeit akut (Weiterleitung des Anrufers an die zuständige Leitstelle)
Eine erste Auswertung über die ersten zehn Wochen des Triage-Services zeige eine Abnahme der Fallzahlen in der Bereitschaftspraxis von „G-Firma IN“ um insgesamt 338 Behandlungen im Vorjahresvergleich. Ein kausaler Zusammenhang mit dem Triage-Service lasse sich freilich noch nicht belegen. Seit Inbetriebnahme des Triage-Service hätten sich bislang 438 Nutzer registriert. 309 Anrufe seien seitdem bei „G-Firma“ eingegangen (Stand: 15. März 2017). Insgesamt seien 52 Triage-Empfehlungen ausgesprochen worden, die sich wie folgt aufteilten:
– Dringlichkeit niedrig: 11 Fälle
– Dringlichkeit mäßig: 14 Fälle
– Dringlichkeit hoch: 12 Fälle
– Dringlichkeit sehr hoch: 4 Fälle
– Dringlichkeit akut: 11 Fälle
Das Angebot erfolge in Kooperation mit der H-Firma Assistance, einer Marke der A- Service Deutschland GmbH. Die im Callcenter tätigen und mit der Triage betrauten Ärztinnen und Ärzte gehörten nicht dem Antragsgegner zu 4. an, sondern seien Angestellte der H-Firma Assistance bzw. deren Rechtsträgerin. Eine Rechtsverletzung seitens der Antragsgegner läge nicht vor. Aus § 75 Abs. 1 i. V. m. Abs. 1b SGB V ergebe sich keine exklusive Befugnis der Antragstellerin, die es Dritten verbiete, Leistungen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes anzubieten oder zu erbringen. Unabhängig davon habe der angebotene Triage-Service nichts mit dem „Notdienst“ im Sinne des § 75 Abs. 1b Satz 1 SGB V gemein. Die (kostenlos) angebotenen Leistungen stellten keine vertragsärztliche Leistungserbringung im Sinne des 4. Kapitels des SGB V dar. Es erfolge gerade keine Diagnose oder Indikationsstellung im Rahmen der telefonischen Auskunft. Es liege auch kein Verstoß gegen das Verbot ausschließlicher Fernbehandlung vor, da es sich bei der Triage nicht um eine ärztliche Behandlung im Sinne des Sozialversicherungsrechts handele. Es handele sich um eine vorbereitende Handlung für eine zeitlich später erfolgende ärztliche Behandlung. Auch bleibe unersichtlich, woraus sich die Passivlegitimation aller vier Antragsgegner ergeben solle. Dies gelte insbesondere für die Antragsgegner zu 2. bis 4. Ausweislich des Impressums des Internetauftritts von G-Firma zeichne alleine die Antragsgegnerin zu 1. als Diensteanbieter verantwortlich. Bestritten werde auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Die erforderliche Dringlichkeit sei bereits wegen der spätestens seit Dezember 2015 bestehenden positiven Kenntnis der Antragstellerin über das mittlerweile realisierte Triage-Projekt in Zweifel zu ziehen. Es bestünden auch Zweifel hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin, da diese innerhalb ihres Rechten- und Pflichtenkreises dazu ermächtigt sei, mittels Verwaltungsakt und Allgemeinverfügung den begehrten rechtlichen Zustand herzustellen. Auch aufgrund der Beendigung des Testbetriebs von G-Firma am 30. April 2017 fehle es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Schließlich sei die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Sozialgerichts nicht ersichtlich.“
Die Antragsgegner zu 1. und 4. beendeten am 30.04.2017, 24.00 Uhr den Probebetrieb von G-Firma. Auf der Website www.G-Firma.de, die weiterhin abrufbar ist, heißt es seitdem: „Die Erprobung des Services „G-Firma” war ein voller Erfolg und wird ab dem 1. Mai für eine Umstrukturierung und Erweiterung beendet. Unser Ziel ist es, den Service dauerhaft anzubieten. Dafür verhandeln wir mit Institutionen und der Politik.
Wir bitten um Ihr Verständnis und hoffen, G-Firma bald wieder anbieten zu können!“.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Sozialgerichts verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
1. a. Der Sozialrechtsweg ist eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit auf dem Gebiet der Krankenversicherung (§ 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG). Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Voraussetzungen der begehrten Sicherungsanordnung steht für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen Antragstellerin und allen vier Antragsgegnern die Anwendung von Vorschriften des SGB V (§§ 72, 75 Abs. 1,1b SGB V) im Vordergrund, die den Sachverhalt entscheidend prägen. Die Antragstellerin stützt ihren Anspruch auch nicht ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Normen.
Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Es hat somit eine rechtswegüberschreitende Sach- bzw. Entscheidungskompetenz.
b. § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG regelt, dass das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen kann, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ein solcher Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).
Vorliegend macht die Antragstellerin Unterlassungsansprüche geltend, so dass die Sicherungsanordnung statthaft ist.
c. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags liegen allesamt vor. Insbesondere besitzt die Antragstellerin auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis ist grundsätzlich gegeben, wenn die gerichtliche Eilentscheidung dem Antragsteller einen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil bringt und der Antragsteller sein Begehren nicht auf einfachere, schnellere und billigere Art durchsetzen kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 86b Rn. 26b m.w.N.). Zwischen den Beteiligten besteht hinsichtlich des streitgegenständlichen Unterlassungsbegehrens kein Über- und Unterordnungsverhältnis. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Antragstellerin und dem Antragsgegner zu 3., der zwar Mitglied der Antragstellerin ist, jedoch vorliegend nicht im Rahmen seiner vertragsärztlichen Pflichten tätig wird. Die Antragstellerin hat daher nicht die – einfachere – Möglichkeit, ihre Ansprüche im Rahmen eines Bescheids geltend zu machen (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, 2011, vor § 40 Rn. 50).
Das Rechtsschutzbedürfnis kann zwar entfallen, wenn sich das Rechtsschutzziel erledigt hat (Keller, ebenda, § 86b Rn. 26b m.w.N.). Eine Erledigung ist jedoch nicht eingetreten, da auf der Website www.G-Firma.de darauf hingewiesen wird, dass es Ziel sei, den Service dauerhaft anzubieten. Dafür werde mit Institutionen und der Politik verhandelt.
Im Übrigen ist auch nicht die (Vermutung der) Dringlichkeit wegen verspäteter Antragstellung entfallen. Es kommt nicht darauf an, ob die Antragstellerin bereits im Dezember 2015 Kenntnis von dem beabsichtigten Projekt G-Firma hatte. Die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zur objektiven Dringlichkeit als Verfügungsgrund (§ 935 ZPO) und zum Entfallen der vermuteten Dringlichkeit bei verzögerter Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ist auf die Sicherungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG nicht anwendbar. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG verweist nicht auf § 935 ZPO. Nur in extremen Ausnahmefällen ist eine Verwirkung möglich (Keller, ebenda, § 86b Rn. 9 m.w.N.). Anhaltspunkte hierfür bestehen jedoch nicht.
2. Voraussetzungen im Rahmen der Begründetheit der Sicherungsanordnung sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund; diese sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 ZPO). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt (Keller, ebenda, § 86b Rn. 27 m.w.N.).
Wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, ist der Antragsteller nicht schutzwürdig. Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist in diesem Fall, auch wenn ein Anordnungsgrund gegeben ist, abzulehnen. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund; auch in diesem Fall kann aber auf einen Anordnungsgrund nicht verzichtet werden. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (Keller, ebenda, § 86b Rn. 29, 29a m.w.N.).
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wäre ein Erfolg der Unterlassungsklagen (§ 54 Abs. 5 SGG) im Hauptsacheverfahren gegen die Antragsgegner zu 1., 3. und 4. mit hoher Wahrscheinlichkeit überwiegend gegeben. Gegen die Antragsgegnerin zu 2. hätte die Klage teilweise Erfolg.
a. Die Anordnungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegner bestehen in dem tenorierten Umfang.
aa. Anordnungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegner zu 1., 3. und 4.
(1) Die Unterlassungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegner zu 1., 3. und 4. betreffend der Verbote zu I.1.a. und I.1.b. beruhen auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V.m. § 75 Abs. 1, Abs. 1b SGB V.
Gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Der Sicherstellungsauftrag nach Absatz 1 umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit Landesrecht nichts anderes bestimmt (§ 75 Abs. 1b Satz 1 SGB V).
Nach der Entscheidung des Gesetzgebers fällt die Verpflichtung zur Gewährleistung eines Notdienstes in die Organisationshoheit der Kassenärztlichen Vereinigungen (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2012, Az. B 6 KA 3/12 R, Rn. 21). Bei dem Sicherstellungsauftrag handelt es sich um eine gesetzliche Exklusivaufgabe, die andere Einrichtungen und Formen der ambulanten Versorgung nur in den im Gesetz vorgesehenen Fällen zulässt (Klückmann in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand 8/2013, § 75 Rn. 2). Indem § 75 Abs. 1b Satz 1 SGB V ausdrücklich normiert, dass die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) Teil des Sicherstellungsauftrags ist, wird klargestellt, dass auch insoweit eine Exklusivbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen besteht.)
Der Sicherstellungsauftrag der Antragstellerin ist als absolutes Recht einzuordnen, auf das die Vorschrift des § 1004 Abs. 1 BGB analog anzuwenden ist (vgl. auch SG A-Stadt, Beschluss vom 20.01.2014, Az. S 38 KA 805/13 ER, Rn. 106 f.). Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Antragstellerin Unterlassungsansprüche wegen Beeinträchtigungen ihres Sicherstellungsauftrags auch gegenüber Nichtmitgliedern und Personen des Privatrechts geltend machen kann.
Die Ärzte des Triage-Services von G-Firma beraten telefonisch Hilfesuchende bei akuten gesundheitlichen Problemen. Unter Triage ist in diesem Zusammenhang ein Verfahren zur Priorisierung medizinischer Hilfeleistung zu verstehen. Je nach Dringlichkeit der Behandlung geben die Ärzte des Services von G-Firma unterschiedliche Empfehlungen ab; von keiner Behandlung oder Aufsuchen einer Apotheke (Dringlichkeit niedrig) bis zum Aufsuchen der Notaufnahme (Dringlichkeit sehr hoch) oder gar Weiterleitung an die zuständige Leitstelle (Dringlichkeit akut).
Aufgrund der Empfehlungen der Ärzte des G-Firma-Services, der naturgemäß den angebotenen ärztlichen Dienstleistungen (haus- und fachärztliche Versorgung, Ärztlicher Bereitschaftsdienst, Notaufnahme der Krankenhäuser) zeitlich vorlagert ist, sollen die Patienten auf den jeweils sinnvollsten Behandlungsweg gelenkt werden.
Die unterschiedslose Lenkung von GKV-Patienten (sowie gemäß § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V Gleichgestellten) und privat krankenversicherten Patienten greift auf rechtswidrige Weise in den Aufgabenkreis der Antragstellerin ein. Denn Patienten, die aufgrund ihrer akuten Beschwerden normalerweise etwa den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Antragstellerin in Anspruch nehmen würden, werden – jedenfalls teilweise – von dem Besuch desselben abgehalten – und suchen stattdessen z.B. lediglich eine Apotheke auf. Grund hierfür werden im Regelfall die Empfehlungen der Ärzte des G-Firma-Services und nicht die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Patienten sein. Der Eingriff in den Aufgabenbereich der Antragstellerin ist in der (spürbaren) Lenkungswirkung, nämlich dem Entzug potentieller Patienten zu sehen.
Die Lenkungswirkung betrifft nach Einschätzung des Gerichts vor allem den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Antragstellerin, also die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten. Da der Service rund um die Uhr angeboten wird, kann er jedoch auch zu den Sprechstundenzeiten Auswirkungen haben.
Die Antragsgegner zu 1. und 4. betreiben und bewerben den G-Firma-Service. Sie sind Handlungsstörer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB analog (vgl. Ebbing in: Erman, BGB, 14. Auflage, 2014, § 1004 Rn. 108).
Der Antragsgegner zu 3. haftet als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1. persönlich gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V.m. § 75 Abs. 1, Abs. 1b SGB V gegenüber der Antragstellerin. Vorliegend hat das Gericht keine Zweifel, dass der Eingriff in den Aufgabenkreis der Antragstellerin durch den G-Firma-Service eigenhändig durch den Antragsgegner zu 3. herbeigeführt worden ist (vgl. Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 19. Auflage, 2016, § 43 Rn. 79).
Daneben basieren die die Verbote zu I.1.a. und I.1.b. begründenden Unterlassungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1. auch auf vertraglicher Grundlage. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1. haben Kooperationsverträge über die Einrichtung und den Betrieb von zwei ärztlichen Bereitschaftspraxen sowie einer kinderärztlichen Bereitschaftspraxis abgeschlossen. Dieser vertraglichen Verbindung entspringt als Nebenleistungspflicht die Schutzpflicht, keine Rechtsgüter des anderen Teils zu verletzen (Grüneberg in: Palandt, BGB, 76. Auflage, 2017, § 242 Rn. 35). Wegen der Verletzung des Sicherstellungsauftrags steht damit der Antragstellerin auch ein Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen die Antragsgegnerin zu 1. zu (vgl. H.P.Westermann in: Erman, BGB, 14. Auflage, 2014, § 280 Rn.25).
Die gegen die Antragsgegner zu 1., 3. und 4. ausgesprochenen Verbote sind auf die konkrete Verletzungsform beschränkt. Die von der Antragstellerin formulierten Unterlassungsanträge sind zu weitgehend. So ist der Begriff der „zur Verfügung stehenden ärztlichen Dienstleistungen“ zu unbestimmt. Auch geht es bei dem streitgegenständlichen Service von G-Firma nicht nur um die Vermittlung von Ärzten, Ärztlichen Bereitschaftsdiensten oder Notaufnahmen, sondern auch um (Handlungs-)Empfehlungen ohne weitergehende Inanspruchnahme ärztlicher Dienstleistungen. Ebenso wenig geht es um zur Verfügung stehende ärztliche Dienstleistungen im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt-Schrobenhausen und des Landkreises E-Stadt an der Ilm, sondern um einen Service für Personen, die im räumlichen Gebiet der Stadt B-Stadt, des Landkreises C-Stadt, des Landkreises D-Stadt und des Landkreises E-Stadt wohnen. Schließlich beschränkt sich der Sicherstellungsauftrag der Antragstellerin auf gesetzlich Versicherte und gemäß § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V Gleichgestellte.
(2) Die im Rahmen des Triage-Services von G-Firma telefonisch beratenden Ärzte verstoßen gegen das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung gem. § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern. Infolgedessen haften die Antragsgegner zu 1., 3. und 4. als Teilnehmer an diesem Verstoß gem. §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, da es sich bei § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern um eine Marktverhaltensregelung handelt (Verbot I.1.c.).
Im Hinblick auf den Antragsgegner zu 4. liegt eine „geschäftliche Handlung“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor. Bezüglich der Antragsgegnerin zu 1. wird eine solche vermutet. Aufgrund der engen Beziehungen zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und den Mitgliedern des Antragsgegners zu 4. ist hier ein Handeln zur Förderung eines fremden Unternehmens zu vermuten (Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 2 Rn. 55 m.w.N.).
§ 7 Abs. 4 BOÄ Bayern (vgl. auch § 7 Abs. 4 MBO-Ä) lautet: „Der Arzt darf individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt.“
Hierbei handelt es sich um eine Vorschrift, die i.S.d. § 3a UWG auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. OLG A-Stadt, Urteil vom 08.10.2015, Az. 6 U 1509/15, Rn. 45 m.w.N. zu der (inhaltsgleichen) Vorgängernorm des § 4 Nr. 11 UWG).
Nach Überzeugung des Gerichts üben die Ärzte von G-Firma – jedenfalls teilweise – eine behandelnde, insbesondere auch beratende ärztliche Tätigkeit aus. Grundsätzlich ist im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 1 BOÄ Bayern von einem weiten Behandlungsbegriff auszugehen. Nach dem Wortlaut stellt auch die (bloße) Beratung eine Behandlung dar. Bei dem Service von G-Firma handelt es sich nicht lediglich um eine allgemeine krankheitsbezogene Beratung, sondern um eine auf den bestimmten, anrufenden Patienten bezogene Beratungssituation. Wenn die Ärzte von G-Firma gegenüber der um Rat fragenden Person Empfehlungen etwa dahingehend aussprechen, dass sie die Apotheke aufsuchen sollte oder sie über eine Selbstbehandlung informieren (vgl. Interview des Antragsgegners zu 3. auf der Schliersee-Konferenz), handelt es sich um einen individuellen ärztlichen Rat. Als solcher werden die Empfehlungen auch aus Patientensicht regelmäßig verstanden werden. Im Übrigen bewerben die Antragsgegner zu 1. und 4. ihren Service auch als „telefonisch-medizinische Beratung des Praxisnetzes G-Firma IN für B-Stadt und Umgebung“.
In der Tätigkeit der G-Firma-Ärzte ist zudem eine über die bloße Beratung hinausgehende ärztliche Behandlung zu sehen, da sie regelmäßig Verdachts- oder Negativdiagnosen erstellen. Wenn die Ärzte im Rahmen des telefonischen Kontaktes mit den Patienten nach Abfrage des Fragenkatalogs eine Empfehlung aussprechen, geht dieser eine Bewertung der Dringlichkeit voraus. Die Bewertung der Dringlichkeit setzt wiederum eine Verdachts- oder Negativdiagnose, konkret bezogen auf die um Rat fragende Person voraus. Wenn also ein G-Firma-Arzt etwa zu dem Ergebnis kommt, die Dringlichkeit sei niedrig und eine ärztliche Behandlung oder Aufsuchen der Apotheke nicht notwendig, liegt der Empfehlung offensichtlich die (vorläufige) Feststellung zugrunde, dass ein (akuter) krankhafter Befund nicht gegeben ist. Auch aus „Empfängersicht“ wird in der Empfehlung des G-Firma-Arztes regelmäßig zugleich eine (zumindest Verdachts- oder Negativ-)Diagnosestellung gesehen werden. Darauf, dass die Ärzte keine konkreten Therapievorschläge machen, kommt es nicht an. Das Gericht schließt sich der Auffassung des OLG München (ebenda, Rn. 50ff.) an, dass unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Definition einer Behandlung i.S.v. § 630a BGB die alleinige Erstellung einer (Verdachts- oder Negativ-)Diagnose für das Vorliegen einer Behandlung i.S.v. § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern ausreichend ist und nicht zusätzlich ein konkreter Therapievorschlag zu fordern ist.
Für die Annahme, dass die Ärzte von G-Firma jedenfalls teilweise gegen die Vorschrift des § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern verstoßen, spricht im Übrigen auch der Sinn und Zweck der Regelung. Die Vorschrift soll verhindern, dass sich der Patient mit der erteilten Auskunft zufrieden gibt und von einem gebotenen Arztbesuch absieht; es dient daher dem Schutz vor konkreten Gesundheitsgefährdungen (OLG A-Stadt, ebenda, Rn. 53; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.06.2013, Az. I-20 U 137/12, 20 U 137/12, Rn. 19). Jedenfalls dann, wenn ein Patient aufgrund der telefonischen Empfehlung eines Arztes von G-Firma auf den Besuch eines Arztes verzichtet und stattdessen z.B. lediglich eine Apotheke aufsucht oder sich selbst behandelt, liegt ein Fall der (verbotenen) ausschließlichen Fernbehandlung vor. Denn in diesem Fall kommt es zu keinem unmittelbaren Kontakt des Patienten mit einem Arzt (vgl. auch Bundesärztekammer, Hinweise und Erläuterungen zu § 7 Absatz 4 MBO-Ä vom 11.12.2015, S. 1ff.).
Adressaten der Vorschrift des § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern sind in Bayern ansässige Ärzte. Somit können die Antragsgegner zu 1., 3. und 4. lediglich als Teilnehmer und nicht als Täter haften (OLG A-Stadt, ebenda, Rn. 59 m.w.N).
Das Gericht geht vorliegend von einer zumindest bedingt vorsätzlichen Unterstützungshandlung aus. Notwendig für die Annahme einer Teilnehmerhaftung ist eine vorsätzliche Mitwirkung an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Zuwiderhandlung durch einen anderen. Zum Teilnehmervorsatz gehört neben der Kenntnis der objektiven Tatumstände auch der zumindest bedingte Vorsatz in Bezug auf die Haupttat, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat einschließt. Der Handelnde muss also wissen, dass der Täter einen Wettbewerbsverstoß begeht, oder dies für möglich halten und billigend in Kauf nehmen (Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 8 Rn. 2.15 m.w.N.).Die Feststellung des Teilnehmervorsatzes hängt grundsätzlich davon ab, ob die Unlauterkeit eindeutig ist (vgl. Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Auflage 2016, § 8 Rn. 126).
Zweifel an der Eindeutigkeit der Unlauterkeit könnten bestehen, weil die Antragstellerin selbst in ihrem Abmahnschreiben vom 20.02.2017 diese Frage bewusst offen gelassen hatte. Die Bevollmächtigten der Antragsgegner wiesen in ihrem Antwortschreiben vom 24.02.2017 vorsorglich nochmals auf ihre Rechtsauffassung hin, wonach bei der telefonischen Triage keine „individuelle Behandlung“ im Sinne von § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern, sondern allenfalls eine Vorbereitungshandlung erfolge. Aus Sicht des Gerichts sprechen letztendlich die Aussagen des Antragsgegners zu 3. in dem Interview auf der sog. Schliersee-Konferenz dafür, dass diesem die (Eindeutigkeit der) Unlauterkeit des G-Firma-Services bewusst war bzw. bewusst gewesen sein muss. Denn in diesem Interview wies der Antragsgegner zu 3. darauf hin, dass 80% der Patienten abschließend von den neun Notfallmedizinern beraten werden könnten, „zum Beispiel über eine Selbstbehandlung oder sie müssen in die Apotheke gehen oder können in die Apotheke gehen und sich dort Medikamente holen, und sie sollen zum Beispiel innerhalb von 24 Stunden noch einmal anrufen, dass man noch einmal darüber spricht.“ Dieses vom Antragsgegner zu 3. angeführte Beispiel stellt einen klaren Fall einer abschließenden, ausschließlichen Fernbehandlung dar. Dass eine solche ausschließliche Fernbehandlung nach § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern berufsrechtlich untersagt ist, ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern („insbesondere auch Beratung“) sondern auch deutlich aus den (rechtlich unverbindlichen) Hinweisen und Erläuterungen der Bundesärztekammer zu § 7 Absatz 4 MBO-Ä (Fernbehandlung) vom 11.12.2015. Der Antragsgegner zu 3. hat deshalb nach Einschätzung des Gerichts zumindest so leichtfertig gehandelt, dass er den von ihm für möglich gehaltenen Verstoß gegen § 7 Abs. 4 BOÄ Bayern billigend in Kauf genommen hat. Sein Verschulden ist den Antragsgegnern zu 1. und 4. zuzurechnen (zur – hier zusätzlich vorliegenden – Haftung des Geschäftsführers bei Wettbewerbsverstößen der Gesellschaft vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2014, Az. I ZR 242/12, Rn. 14ff.).
Da es vorliegend um den Gesundheitsschutz von Verbrauchern geht, bestehen keine Zweifel an der Spürbarkeit der Beeinträchtigung durch die ausschließliche Fernbehandlung (Link in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Auflage 2016, § 3a Rn. 69 ff. m.w.N.).
Die Antragsgegner zu 1. und 4. sowie der Antragsgegner zu 3. als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1. haften somit gem. §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gegenüber der Antragstellerin. Diese ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigt. Die Wiederholungsgefahr gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG besteht, da es laut Aussage auf www.G-Firma.de das Ziel ist, den Service dauerhaft anzubieten.
Da der gestellte Verbotsantrag zu weit gefasst war, war das Verbot so zu formulieren, dass es nicht über die konkrete Verletzungsform hinausreicht. Insbesondere war auch zu berücksichtigten, dass die beratenden Ärzte in Bayern tätig sein müssen. Anders als im Rahmen der Verbote I.1.a. und I.1.b. war der Personenkreis nicht auf gesetzlich Versicherte und Gleichgestellte zu beschränken, da die Mitglieder der Antragstellerin auch privat Krankenversicherte behandeln und ihre Interessen durch die wettbewerbswidrige Handlung auch insoweit spürbar berührt werden.
(3) Auf die Frage des Bestehens etwaiger weiterer Anordnungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegner zu 1., 3. und 4., z.B. im Hinblick auf datenschutzrechtliche Vorschriften, kam es vorliegend nicht mehr an.
bb. Anordnungsansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 2.
Der das Verbot I.2. betreffende Anordnungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 2. ergibt sich auch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V.m. § 75 Abs. 1, Abs. 1b SGB V. Die Antragsgegnerin zu 2. bewirbt auf ihrer Website www.F-Firma.de den Beratungsservice „G-Firma“.
Weitergehende Ansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 2. bestehen nicht.
b. Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben.
Anordnungsgrund ist bei der Sicherungsanordnung die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes. Die bloße Möglichkeit beeinträchtigender Maßnahmen ist noch keine Gefahr. Es müssen Tatsachen vorliegen, die auf eine unmittelbar bevorstehende Veränderung schließen lassen (konkrete und objektive Gefahr) (Keller, ebenda, § 86b Rn. 27a).
Aufgrund der im Ergebnis sehr guten Erfolgsaussichten der Hauptsacheklagen sinken die Anforderungen an den Anordnungsgrund.
Auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann jedoch auch in den Fällen, in denen die Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet ist, nicht gänzlich verzichtet werden. Eine vorläufige Maßnahme ist nicht zu treffen, wenn keinerlei Dringlichkeit ersichtlich ist (Meßling in: Hennig, SGG, Stand Januar 2017, § 86b Rn. 174).
Infolge der Einstellung des Probebetriebs von G-Firma ist zwar die Dringlichkeit gesunken. Das Ziel der Antragsgegnerin zu 1. und 4. ist jedoch, den Service dauerhaft anzubieten Es besteht damit weiterhin die konkrete Gefahr, dass Rechte der Antragstellerin durch die erneute Aufnahme des Betriebs von G-Firma vereitelt oder wesentlich erschwert werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei war zu Lasten der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin zu 2. in geringerem Umfang als beantragt haftet und die Unterlassungsanträge insgesamt zu weit und unbestimmt gefasst waren.

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