IT- und Medienrecht

Verbot unlauterer Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel ohne wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis

Aktenzeichen  3 U 170/16

Datum:
29.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2017, 837
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 1924/2006 Art. 28 Abs. 6
NemV § 4 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Die im Zusammenhang mit der Werbung für ein ganz konkretes Produkt – hier ein Nahrungsergänzungsmittel – getätigte Aussage „ist alles klinisch bestätigt“ versteht der angesprochene Verkehr dahin, dass eine entsprechende Wirksamkeit des beworbenen Produkts und nicht nur eines seiner Inhaltsstoffe wissenschaftlich nachgewiesen ist. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 In einem solchen Fall muss der Werbende den wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit des beworbenen Produkts erbringen und nicht lediglich eines Inhaltsstoffes. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 HK O 43/15 2016-08-09 Endurteil LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 09.08.2016, Aktenzeichen 2 HKO 43/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Aschaffenburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 EUR abwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Hinsichtlich der Kosten kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist durch einstimmigen Beschluss des erkennenden Senats zurückzuweisen, weil sie in der Sache keinen Erfolg haben kann und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfüllt sind. Zur Begründung wird auf den Beschluss des Senats vom 27.04.2017 (Bl. 432-442 d.A.), in welchem auf die beabsichtigte Verfahrensweise hingewiesen worden ist, Bezug genommen.
1. Die Stellungnahme der Beklagten vom 18.05.2017 (Bl. 450-454 d.A.) zu den erteilten Hinweisen rechtfertigt keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Hierzu ist nur ergänzend Folgendes auszuführen:
a) Der Senat bleibt auch angesichts der Einwendungen der Beklagten dabei, dass vorliegend mit einer heilenden Wirkung geworben worden war und sieht sich dabei in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Dieser hatte schon im Rahmen des LMBG angenommen, dass das dortige Werbeverbot nicht nur dann eingreife, wenn eine bestimmte Krankheit konkret benannt wird, sondern die Angabe bloßer Symptome ausreichen könne, wenn diese entweder für sich betrachtet einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen oder wenn sie so deutlich sind, dass zumindest ein erheblicher Teil der Verbraucher sie ohne weiteres mit einer bestimmten Erkrankung verbinde (BGH, Urteil vom 04. Dezember 1997 – I ZR 125/95 – Gelenknahrung, veröffentlicht u.a. in NJW-RR 1998, 691-693).
Dementsprechend hat der BGH angenommen, dass die in dem vorgenannten Verfahren beanstandete Aussage „Wenn es manchmal in den Gelenken knackt und knirscht, könnte es sein, dass Ihnen ‘Gelenkschmiere’ fehlt, dass sich Abnutzungserscheinungen bemerkbar machen. … In vielen solchen Fällen hat sich Gelatine-Hydrolysat bewährt.“ so verstanden werde, dass das beworbene Produkt eine heilende Wirkung entfalte (a.a.O. Rdnr. 23 zit. n. JURIS).
Für die hier streitgegenständlichen Aussagen gilt nichts anderes. Eine vorliegende Arthrose ist ohne Zweifel ein pathologischer Zustand. Die Werbeaussagen des Beklagten versprechen nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnis nicht nur vorbeugende und erhaltende Wirkungen, sondern die Beseitigung eines bereits vorhandenen Verschleißes, wie im Beschluss vom 27.04.2014 (dort Seite 7 = Bl. 438 d.A.) dargelegt worden ist. Damit unterfallen diese Aussagen Art. 28 Abs. 6 HCVO.
b) Auch soweit die Beklagte sich auf die NemV beruft, vermag der Senat ihren Argumenten nicht zu folgen.
Zunächst ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der hier streitgegenständliche Sachverhalt (Aussagen im Rahmen einer Fernsehwerbung) durch die NemV überhaupt nicht geregelt wird. Schon deshalb ist dem Einwand nicht zu folgen. Dass Pflichtangaben auf der Verpackung keinen Lauterkeitsverstoß begründen können, stellt der Senat nicht in Abrede. Nur geht es hier gerade nicht um solche Pflichtangaben im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 1 NemV.
Die Beklagte behauptet nicht einmal, dass sich die streitgegenständlichen Werbeaussagen auf der Verpackung des Produkts K. befinden und sich nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 Nr. 1 NemV dort befinden müssen. Die Vorschrift verlangt die Angabe der Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, oder eine Angabe zur Charakterisierung dieser Nährstoffe oder sonstigen Stoffe. Sie verlangt nicht die Angabe einer bestimmten Wirkung.
c) Was die Aussage „ist alles klinisch bestätigt“ angeht, ist das Verständnis des angesprochenen Verkehrskreises maßgeblich, zu dem auch die Mitglieder des Senats gehören.
Die Beklagte ersetzt hier lediglich das maßgebliche Verkehrsverständnis durch ihr eigenes. Dem von ihr vorgetragenen Verständnis der Werbung ist nicht zu folgen. Die Werbung ist in ihrer Gesamtschau zu würdigen. Wenn die fragliche Aussage – wie hier -im Zusammenhang mit der Werbung für ein ganz konkretes Produkt erfolgt, das nach den im vorgelegten Protokoll enthaltenen Screenshots auch ständig mit eingeblendet war, dann wird ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher dies so verstehen, dass eine entsprechende Wirksamkeit des beworbenen Produkts und nicht nur eines seiner Inhaltsstoffe wissenschaftlich nachgewiesen ist. Ein solches Verständnis liegt auch nahe, weil in Kliniken nicht Inhaltsstoffe, sondern nur im Handel erhältliche Produkte verwendet werden.
Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass es auf den Nachweis der Wirksamkeit des Inhaltsstoffs Fortigel nicht entscheidend ankommt, sondern auf den Nachweis der Wirksamkeit des beworbenen Produkts.
Was die Anforderungen an diesen Nachweis angeht, trifft es zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 17. Januar 2013 – I ZR 5/12 – Vitalpilze, veröffentlicht u.a. in GRUR 2013, 958, dort Rdnr. 20 zit. n. JURIS) bei einem Nahrungsergänzungsmittel nicht die gleichen Anforderungen wie an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät zu stellen sind, – dort regelmäßig Vorlage von randomisierten und placebokontrollierten Doppelblindstudien. Das ändert aber nichts daran, dass auch bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Wirksamkeit nachgewiesen werden muss, sobald gesundheitsbezogene Angaben gemacht werden. Ob den zu stellenden, geringeren Anforderungen gemäß Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 HCVO hier durch Studien zu dem Inhaltsstoff Fortigel genügt werden kann, bedarf keiner Erörterung.
Entscheidend ist, dass die Beklagte selbst mit der Aussage „ist alles klinisch bestätigt“ nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnisses mit einer wissenschaftlichen Absicherung der Wirkungsweise ihres Produktes geworben hat, die tatsächlich nicht vorhanden ist.
Die Berufung der Beklagten ist deshalb zurückzuweisen.
2. Wie bereits ausgeführt, liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt von den ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles.
3. Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO in Verbindung mit § 711, 713 ZPO.
Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes erfolgte nach den §§ 48 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG und § 3 ZPO.

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