IT- und Medienrecht

Verbot von Werbeaussagen über die angebliche Wirkungsweise von Nahrungsprodukten

Aktenzeichen  3 U 99/18

Datum:
5.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2018, 832
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 1924/2006 Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 Abs. 1, Art. 13, Art. 14

 

Leitsatz

1 Eine Werbung, die sich nur auf das allgemeine Wohlbefinden bezieht, ist nicht gesundheitsbezogen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 VO (EG) Nr. 1924/2006. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Bewerbung eines Nährstoffes mit Angaben “Ernährung der Haut“, Förderung des „Stützgerüstes unserer Haut“ und „Ernährung der Collagenstränge“ enthält spezielle gesundheitsbezogene Angaben. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 HK O 118/17 2018-05-08 Endurteil LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 08.05.2018 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 02.10.2018.

Gründe

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Unterlassung von Werbeaussagen über die angebliche Wirkungsweise von Nahrungsprodukten.
Die Beklagte warb über den Verkaufssender S. (S.), ausgestrahlt am xx.xx.2017 für das Produkt „F.“ und das dort enthaltene „Whey-Collagen“ mit den im Klageantrag unter Nr. I.1 bis 1.3 angegebenen Werbeaussagen.
Im Hinblick auf diese Aussagen hat der Kläger im Wege der einstweiligen Verfügung ein Urteil des Landgerichts Aschaffenburg (Az.: 1 HKO 46/17) erwirkt. Die dagegen eingelegte Berufung zum Senat ist erfolglos geblieben (Az.: 3 U 117/17).
Nach erfolgloser Aufforderung der Beklagten zur Abgabe der Abschlusserklärung hat der Kläger auch in der Hauptsache Klage erhoben.
Das Landgericht hat dem klägerischen Antrag stattgegeben und der Beklagten die genannten Werbeaussagen untersagt. Darüber hinaus hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen verurteilt.
Zur Begründung der Untersagung führt das Landgericht aus, die Beklagte habe den Nachweis der beworbenen Wirkung ihrer Produkte nicht geführt. Sie trage die entsprechende Beweislast.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die im Wesentlichen auf Rechtsausführungen gestützte Berufung der Beklagten. Die Beklagte trägt vor, der Kläger müsse beweisen, dass die behauptete Wirkung der beworbenen Produkte nicht gegeben sei. Bei den streitgegenständlichen Werbeaussagen handele es sich nicht um spezifische gesundheitsbezogene Angaben. Ferner seien die beanstandeten Werbeaussagen auch wissenschaftlich belegt. Schließlich hätte das Erstgericht das zum Beweis angebotene Sachverständigengutachten einholen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich Anlagen Bezug genommen.
II.
Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet mit der Folge, dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO bietet. Zu Recht und auch mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden. Zu den Berufungsangriffen sind lediglich die folgenden Anmerkungen veranlasst:
1. Wie das Erstgericht zutreffend ausführt, ist es Sache der Beklagten, die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der beworbenen Wirkung der Produkte nachzuweisen.
a) Vorliegend ergibt sich die Beweislastverteilung aus der Verordnung (EG) 1924/2006 (HCVO). Demnach muss für die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben gemäß Artikel 5 Abs. 1 a HCVO die positive ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen sein. Ein Lebensmittelunternehmer, der eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe macht, muss die Verwendung dieser Angaben begründen, Artikel 6 Abs. 1 Abs. 1 und 2 HCVO.
Der Unionsgesetzgeber hat die Verwendung nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben in der Verordnung 1924/2006 einem grundsätzlichen Verbot unterworfen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von auf spezifische Vorteile bezogenen gesundheitsbezogenen Angaben, die in der insoweit zentralen Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 HCVO genannt sind, muss deshalb vom Verwender dargelegt und im Bestreitensfall auch bewiesen werden (BGH, Urteil vom 17.01.2013, Az.: BGH I ZR 5/12 Rn. 18; siehe hierzu auch Senat, Urteil vom 12.02.2014, Az.: 3 U 192/13 = WRP 2014/609, Urteil vom 14.01.2015, Az.: 3 U 176/14 = GRUR-RR 2015, 222 Rn. 108 ff., Beschluss vom 08.08.2017, Az.: 3 U 91/17, Beschluss vom 25.09.2017, Az.: 3 U 117/17).
b) Die hier angegriffene Werbung beinhaltet gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Der von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO vorausgesetzte Zusammenhang ist weit zu verstehen. Er erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels – Nahrungsergänzungsmittels -nahelegt (OLG Celle, Beschluss vom 24. November 2016 – 13 U 91/16, juris Rn. 38). Werbung, die sich nur auf das allgemeine Wohlbefinden bezieht, ist hingegen nicht gesundheitsbezogen (Senat, Beschluss vom 25.09.2017, Az.: 3 U 117/17).
Bei der Frage, ob gesundheitsbezogene Angaben vorliegen, ist von dem Gesamteindruck des Werbemittels auszugehen. Aus den Art. 13 und 14 der HCVO ergibt sich, dass gesundheitsbezogene Angaben sich jedenfalls auf die Förderung bestimmter Funktionen des Körpers beziehen. Unter Körperfunktionen versteht man alle physiologisch erfassbaren Prozesse des menschlichen Körpers (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24. November 2016 -13 U 91/16 m.w.N.). Vorliegend bewirbt die Beklagte die „Ernährung der Haut“, die Förderung des „Stützgerüstes unserer Haut“ und die „Ernährung der Collagenstränge“. In dem Zusammenhang wird behauptet, die Struktur der Haut breche, wenn die „Collagenstränge nicht ernährt werden“. Durch das Versprechen des Kollagenaufbaus beziehen sich die Angaben auf die Förderung und Straffung der Haut und des Bindegewebes („fällt die Brust, hängt der Hintern und die Hängebäckchen und die Winke-Winke-Ärmchen“). Auch wenn zugleich die Formulierung „Kosmetikbehandlung von innen“ in diesem Zusammenhang verwendet wird, ist bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung von gesundheitsbezogenen Angaben auszugehen, da der beworbene Nährstoff auf die Körperfunktionen unmittelbaren Einfluss nehmen soll (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 24. Februar 2015, I-4 U 72/14; BGH, Urteil vom 7. April 2016, I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200; OLG Celle a.a.O., Rn. 57; Senat, Beschluss vom 25.09.2017, Az.: 3 U 117/17).
c) Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung überprüft werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 07. April 2016 – I ZR 81/15 – -, juris Rn. 24 in Fortführung von BGH GRUR 2016, 412 Rn. 26 – Lernstark).
Bei der Abgrenzung ist von dem Gesamteindruck des Werbemittels auszugehen. Einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden (vgl. OLG Celle, a.a.O., Rn. 41; OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. August 2015 – I-2 U 11/15, juris Rn. 74). Nach den Werbeaussagen der Beklagten soll die Funktion der Haut positiv beeinflusst werden. In dem Zusammenhang wird behauptet, die Struktur der Haut breche, wenn die „Collagenstränge nicht ernährt werden“. Diese Behauptungen sind, auch wenn der Zusammenhang nur in allgemein gehaltenen Begriffen umschrieben wird, als spezielle gesundheitsbezogene Angaben anzusehen, deren wissenschaftliche Absicherung überprüft werden kann. Es wird ein bestimmter Wirkungszusammenhang zwischen dem Produkt der Beklagten und der Funktion der Haut hergestellt. Dabei ist es unerheblich, dass die Beklagte kein medizinisches, sondern ein eher umgangssprachliches Vokabular verwendet hat (vgl. BGH, Urteil vom 07. April 2016, a.a.O., Rn. 26).
Der Einwand der Beklagten, die E. habe Claims wie „Erhalt der normalen Struktur und Aussehen der Haut“ oder „Hautgesundheit“ (Anlage B 7, Bl. 203 – 207 d.A.) als „allgemein, unspezifisch“ abgelehnt, greift nicht durch, da vorliegend – anders als bei den referierten allgemein gefassten Claims – ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang hergestellt und beschrieben wird. Auf die Frage, inwieweit eine diesbezügliche Einordnung der E. im Rahmen der wettbewerbsgerichtlichen Überprüfung von Relevanz ist, kommt es damit nicht an.
2. Die Beklagte hat den Nachweis der behaupteten Wirkung nicht erbracht. Das Erstgericht hat die beklagtenseits vorgelegten Studien zutreffend gewürdigt. Die vom Kläger vorgelegten Anlagen K 14 und 15 stützen die von der Beklagten getätigten Werbeaussagen nicht. Der von der Beklagten vorgelegte Auszug aus dem „Römpp Lexikon Lebensmittelchemie“ (Anlage B 5) enthält zunächst eine allgemeine Beschreibung von Zusammensetzung und Struktur der Collagene (Bl. 175 d.A.). Unter dem Punkt „Verwendung“ wird ausgeführt, dass die Wirkung der Collagene im kosmetischen Bereich als Moisturizer „allerdings von vielen Seiten bezweifelt“ wird. Der Artikel von Gudrun Heyn „Haut im Alter – Den Spuren der Zeit begegnen“ (Anlage B 7) in der „Pharmazeutischen Zeitung online“ enthält keine wissenschaftliche Studie zu den beworbenen „Whey“-Collagen. Gleiches gilt für den Artikel „Falten von innen glätten“ in der „Deutschen Apothekerzeitung“ (Anlage B 8).
3. Jede beanstandete Werbeaussage muss bereits in dem Moment wissenschaftlich abgesichert sein, in dem sie verbreitet wird. Mit anderen Worten sind entsprechende Werbeaussagen nur dann zulässig, wenn die behauptete wissenschaftliche Wirkung anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse bereits zu dem Zeitpunkt nachgewiesen ist, in dem die Angaben gemacht werden. Das entspricht längst gefestigter Rechtsprechung seit BGH GRUR 2013, 958, Rn. 21 – Vitalpilze (vgl. nur KG MD 2014, 788, Rn. 84; 780, Rn. 117 und MD 2016, 631, Rn. 47, 48 sowie OLG Stuttgart MD 2017, 785, Rn. 70ff.; Senat, Beschluss vom 10.07.2018, Az.: 3 U 96/18).
Demnach kann es von vorneherein kein zulässiges Ziel eines Antrags auf Sachverständigenbeweis sein, dass erst dadurch (also in einem neu aufgelegten Testverfahren) nunmehr die vollständige bzw. weitgehende Übereinstimmung der beanstandeten Werbeaussagen mit dem (aktuellen) wissenschaftlichen Erkenntnisstand nachgewiesen werden soll.
Gegenstand eines Sachverständigenbeweises können somit allenfalls Fragen der Untersuchungsmethodik und der sonstigen für die Einhaltung des notwendigen Wissenschaftsstandards erforderlichen Rahmenbedingungen bei denjenigen (angeblichen) Studien, Testverfahren, usw. sein, auf die sich der Werbende zum Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung beruft. Darum geht es aber vorliegend nicht, weil schon die vorgelegten Studien die behaupteten Werbeaussagen nicht bestätigen.
1. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt.
2. Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 15.000,- Euro festzusetzen.

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