Aktenzeichen M 6 K 17.1803
VwGO VwGO § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (Anschluss an BVerwG BeckRS 2016, 45859; BayVerfGH BeckRS 2014, 52739). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da beide Parteien auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben.
Die Klage ist im wohlverstandenen Interesse der Klägerin dahingehend auszulegen, dass nicht nur der Widerspruchsbescheid, sondern der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids beklagt ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Eine Beschränkung auf den Widerspruchsbescheid ist in der Sache nicht gewollt, zudem wäre eine solche Klage mangels zusätzlicher Beschwer des Widerspruchsbescheids bereits unzulässig (§ 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 VwGO).
Die so verstandene Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2017 ist zulässig, aber unbegründet und daher insgesamt ohne Erfolg. Sowohl der Bescheid als auch der Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Bescheide sind sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
Als Inhaberin einer Wohnung hat die Klägerin für die im Bescheid festgesetzten Zeiträume Rundfunkbeiträge in der festgesetzten Höhe jeweils einschließlich des Säumniszuschlags zu zahlen.
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit dem 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,50 EUR (§ 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag) im Monat zu entrichten. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, Inhaberin einer Wohnung zu sein. Sie wendet sich gegen den Rundfunkbeitrag und den diesem zugrundeliegenden Rundfunkbeitragsstaatsvertrag als solchen und macht insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken geltend.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin begegnet der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wie nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht mit mehreren Urteilen vom 18. März 2016 bestätigt hat (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C-6/15 – BVerwGE 154, 275). Zuvor hatte bereits der Bayerische Verfassungsgerichtshof zwei Popularklagen abgewiesen und ausgeführt, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nicht gegen die Bayerische Verfassung verstoße (BayVerfGH U.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12 – DVBl 2014, 848). Dem schließt sich die erkennende Kammer in ständiger Rechtsprechung an (vgl. VG München, U.v. 15.3.2017 – M 6 K 16.2352 – juris).
Im Übrigen folgt das Gericht der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2017 und sieht insofern von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend sei lediglich darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsprechung wiederholt mit der auch von der Klägerin herangezogene Argumentation befasst hat, die Finanzierung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei überflüssig geworden, da der Bürger andere Informationsquellen und Medienangebote der privaten Mediendienste nutzen könne.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 11. September 2007 – Az. 1 BvR 2270/05 u.a. – (BVerfGE 119, 181) festgestellt, dass sich die aufgestellten Anforderungen zu Sicherung der Rundfunkfreiheit durch die Entwicklung von Kommunikationstechnologien und Medienmärkten nicht überholt hätten. Insbesondere die Werbefinanzierung stärke den Trend zur Massenattraktivität und zur Standardisierung des Angebots. Auch der wirtschaftliche Wettbewerbsdruck und das publizistische Bemühen um die immer schwerer zu gewinnende Aufmerksamkeit der Zuschauer führten zu wirklichkeitsverzerrenden Darstellungsweisen, etwa zu Bevorzugung des Sensationellen.
Mit Urteil vom 25. März 2014 hob das Bundesverfassungsgericht – Az. 1 BvF 1/11 –(BVerfGE 136, 9) außerdem den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hervor, die spezifische Eigenrationalität des privatwirtschaftlichen Rundfunks zu ergänzen und auszugleichen. Indem er jedenfalls im Wesentlichen öffentlich finanziert sei, werde er dazu befähigt, wirtschaftlich unter anderen Entscheidungsbedingungen zu handeln. Auf dieser Basis könne und solle er durch eigene Impulse und Perspektiven zur Angebotsvielfalt beitragen und unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anbieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. Zugleich könnten so im Nebeneinander von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk verschiedene Entscheidungsrationalitäten aufeinander einwirken.
Dass nach der Einschätzung des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen im Gutachten vom Oktober 2014 zum Thema „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“ auch andere Rundfunkmodelle möglich wären, ändert an der Beurteilung der geltenden Rechtslage nichts (vgl. dazu BayVerfGH, U.v. 7.7.2015 – 7 B 15.846 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 7.4.2017 – 6 B 61/16 – juris). Auch das Gutachten selbst geht weder von der Rechts- oder Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags aus noch stellt es derartige Überlegungen an, sondern entwickelt (lediglich) Leitlinien für eine Reform aus dem Blickwinkel der Ökonomie unter Heranziehung volkswirtschaftlicher Argumente über Eingriffe bei Marktversagen, über die das Gericht nicht zu entscheiden hat.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.