IT- und Medienrecht

Verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch der Presse gegenüber der Verwaltung des Deutschen Bundestages

Aktenzeichen  6 C 66/14

Datum:
16.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2016:160316U6C66.14.0
Normen:
Art 5 Abs 1 S 2 GG
Art 38 Abs 1 S 2 GG
Art 48 Abs 3 S 1 GG
Art 48 Abs 3 S 3 GG
§ 12 Abs 1 S 1 AbgG
§ 12 Abs 4 S 1 Nr 1 AbgG
§ 12 Abs 4 S 2 AbgG
§ 13 AbgG
§ 3 Abs 1 BDSG 1990
Art 10 MRK
§ 7 Abs 1 BHO
§ 4 Abs 1 PresseG BE
§ 43 Abs 1 VwGO
Spruchkörper:
6. Senat

Leitsatz

1. Ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO ist nicht anzuerkennen, wenn der Kläger die gerichtliche Feststellung einer Pflicht der Behörde zur Auskunftserteilung auf der Grundlage presserechtlicher Ansprüche begehrt und die Behörde zur Auskunft bereits nach dem Informationsfreiheitsgesetz rechtskräftig verurteilt worden ist.
2. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse darf materiell-rechtlich nicht hinter den im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelungen der landesrechtlichen, auf eine Abwägung zielenden Presseauskunftsansprüche zurückbleiben. Auf seiner Grundlage können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen nicht entgegenstehen (wie Urteil vom gleichen Tage – BVerwG 6 C 65.14 -).

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 7. Juni 2012, Az: OVG 12 B 40.11, Urteilvorgehend VG Berlin, 1. September 2011, Az: 2 K 178.10, Urteil

Tatbestand

1
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Amtsausstattung nach § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AbgG für einen Betrag von bis zu 12 000 € jährlich Gegenstände für den Büro- und Geschäftsbedarf anzuschaffen. Zu diesem Zweck hat die Verwaltung des Deutschen Bundestages für alle Abgeordneten ein Sachleistungskonto eingerichtet. Die Versorgung mit Büromaterial erfolgt dabei auf Grundlage eines Rahmenvertrages der Beklagten mit einem Unternehmen, während Geräte des Informations- und Kommunikationsbedarfs bei einem Anbieter nach Wahl erworben werden können. Aufwendungen bis zu einem Anschaffungswert von 800 € (inkl. MwSt.) konnten im hier maßgeblichen Zeitraum erstattet werden.
2
Der Kläger, ein Journalist, begehrte von der Beklagten mit E-Mail vom 9. Juli 2010 unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Auskunft zur Verwendung der Sachleistungspauschale durch Mitglieder des 17. Deutschen Bundestages im ersten Halbjahr 2010 für die Anschaffung von iPods. Den Antrag lehnte die Beklagte ab, da die verlangten Informationen nicht vorlägen und eine Beantwortung der Fragen einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursache. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein.
3
Das Verwaltungsgericht hat die auf das Informationsfreiheitsgesetz und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gestützte Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Juni 2012 zurückgewiesen. Ein Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz sei aufgrund des Schutzes personenbezogener Daten, die im Zusammenhang mit der Mandatsausübung stünden, ausgeschlossen. Bei den vom Kläger begehrten Informationen handele es sich um solche Daten. Diese könnten wegen der Möglichkeit der De-Anonymisierung auch nicht in anonymisierter Form übermittelt werden. Aus den grundgesetzlichen Bestimmungen lasse sich ebenfalls keine Pflicht der Abgeordneten zur Offenlegung dieser Informationen ableiten. Ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG stehe dem Kläger nicht zu. Der Anspruch aus der grundgesetzlichen Pressefreiheit schaffe keine neuen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung. Auch das verfassungsrechtlich verbürgte Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren, begründe keinen Anspruch auf Zugänglichmachung von Informationen, die noch nicht öffentlich zugänglich seien. Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem Erlass des Informationsfreiheitsgesetzes selbst, da hierdurch zwar individuelle Ansprüche auf Informationszugang gegenüber dem Bund gewährt, die davon betroffenen Informationen aber nicht allgemein zugänglich würden.
4
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Revision, die zunächst vor dem 7. Senat verhandelt worden ist. Der 7. Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2014 das Verfahren betreffend die Geltendmachung presserechtlicher Auskunftsansprüche abgetrennt und hinsichtlich der sonstigen Ansprüche auf Informationszugang mit Urteil vom gleichen Tag auf die Revision des Klägers unter Abänderung der Urteile der Vorinstanzen und unter Zurückweisung der Berufung und Revision im Übrigen die Beklagte zur Auskunftserteilung verpflichtet mit Ausnahme zu der Frage, welche Abgeordnete wie viele iPods abgerechnet haben. Die übrigen Fragen seien von der Beklagten zu beantworten, weil insoweit der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 IFG nicht greife. Die vom Berufungsgericht angenommene hinreichende Wahrscheinlichkeit einer De-Anonymisierung sei nicht zu erkennen.
5
Auf der Grundlage dieses Urteils hat die Beklagte mit E-Mail vom 19. Dezember 2014 die Auskunft erteilt, dass sieben Abgeordnete sieben iPods, also jeder einen, über die Sachleistungspauschale mit Gesamtkosten in Höhe von 1 346,85 € abgerechnet haben, wobei kein iPod von der Firma B. GmbH geliefert worden sei.
6
Zur Begründung der auf presserechtliche Ansprüche gestützten Revision trägt der Kläger vor: Aufgrund der erteilten Auskunft begehre er nunmehr hinsichtlich seiner beantworteten Fragen die Feststellung, dass er gegenüber der Beklagten auch einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gehabt und die Beklagte die Auskunft rechtswidrig verweigert habe. Sein Feststellungsinteresse ergebe sich aus dem Grundrecht der Pressefreiheit sowie aus dem Umstand, dass das presserechtliche Auskunftsbegehren im Gegensatz zu dem Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz kostenfrei sei. Darüber hinaus sei es anzuerkennen, weil er gleichlautende Auskunftsbegehren an die Beklagte gerichtet habe.
7
Im Übrigen berufe er sich hinsichtlich der noch unbeantworteten Frage auf den Presseauskunftsanspruch nach § 4 des Berliner Pressegesetzes – PresseG BE -, dessen Anwendbarkeit nicht aus kompetenzrechtlichen Gründen ausgeschlossen sei. Die Auskunft könne nicht wegen eines überwiegenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 4 PresseG BE verweigert werden. Angesichts des hohen Offenbarungsinteresses, welche Abgeordneten Handel auf Kosten des Steuerzahlers mit iPods betrieben, trete das Geheimhaltungsinteresse der Abgeordneten zurück. Die Informationen beträfen lediglich deren Sozialsphäre in einem Bereich, der der besonderen öffentlichen Beobachtung unterliege.
8
Zumindest ergebe sich der Auskunftsanspruch aus dem Grundrecht der Pressefreiheit. Dieser sei nur dann ausgeschlossen, wenn Gründe vorlägen, die auch nach Maßgabe der Landespressegesetze aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen die Behörden zu einer Verweigerung der Auskunftserteilung berechtigten. Dies sei hier nicht der Fall. Die begehrte Nennung der jeweiligen Abgeordneten im Zusammenhang mit der Verwendung der Sachleistungspauschale verstoße nicht gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Einen Schutz des Abgeordneten vor der Notwendigkeit einer etwaigen Rechtfertigung seiner Amtsausübung gegenüber der Öffentlichkeit sehe Art. 38 GG nicht vor. Zudem sei ein Abgeordneter, der die Pauschale zu privaten Zwecken missbrauche, nicht schützenswert. Schließlich fehle es bei der Anschaffung der iPods am erforderlichen Mandatsbezug.
9
Ein Auskunftsanspruch folge auch aus Art. 10 EMRK. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lasse sich aus dieser Norm ein presserechtlicher Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen herleiten.
10
Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.

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