IT- und Medienrecht

Verpflichtung eines Gaststätteninhabers zur Überlassung eines Saales zur Durchführung einer politischen Veranstaltung

Aktenzeichen  14 O 7838/16

Datum:
11.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 18880
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 307 Abs. 1 S. 2, § 308 Nr. 3, § 313 Abs. 3, § 535 S. 1, § 543 Abs. 1, § 578
ZPO ZPO § 920 Abs. 2, § 935, § 936, § 937 Abs. 2, § 940

 

Leitsatz

1. Setzt der Wortlaut der Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Gaststättenmietvertrages, mit der dem Vermieter ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird, voraus, dass der Vermieter „begründeten Anlass“ zur Annahme der Gefährdung der eigenen Sicherheit hat, ergibt schon die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont eindeutig, dass solch ein begründeter Anlass nicht in bloßen Befürchtungen oder Mutmaßungen besteht, sondern konkrete Anhaltspunkte für eine objektiv bestehende Gefährdungslage benannt werden müssen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Friedliche Proteste durch Gegendemonstranten sind Ausdruck der politischen Kultur und der Versammlungsfreiheit der Bundesrepublik Deutschland und damit nicht geeignet, die für das Rücktrittsrecht erforderlichen Sicherheitsbedenken zu begründen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarter Rücktrittsgrund ist sachlich auch dann nicht gerechtfertigt, wenn er sich auf Umstände erstreckt, deren Vorliegen der Klauselverwender bei gebotener Sorgfalt schon vor dem Vertragschluss hätte erkennen können. (redaktioneller Leitsatz)
4. Das eingeräumte Rücktrittsrecht soll nur bei unmittelbar durch die Veranstaltung drohenden Gefahren einen Rücktritt ermöglichen, nicht aber bei der Mieterin nur mittelbar zuzurechnenden Gefahren durch befürchtete Gegendemonstrationen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) für die Durchführung ihrer Abendveranstaltung am Freitag, 13.05.2016 von 17.00 Uhr bis Samstag, 14.05.2016, 01.00 Uhr für 420 Personen den Festsaal und das Reiterzimmer in der von ihr vom … gepachteten Gaststätte … in … München, … auf der Grundlage der mit den Antragstellern abgeschlossenen Mietverträge vom 28.04.2016 und 02.05.2016 zu den dort genannten Bedingungen zu überlassen.
Im Übrigen wird der Antrag hinsichtlich des Antragstellers zu 2) zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten tragen der Antragsteller zu 2) und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1) zu tragen. Der Antragsteller zu 2) trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 20.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um Überlassung einer Gaststätte zur Durchführung einer politischen Veranstaltung im Wege einer einstweiligen Verfügung.
Die Antragstellerin zu 1), der Münchener Ortsverband einer Partei des konservativen politischen Spektrums, schloss mit der Antragsgegnerin, die in München in der … den so genannten … betreibt, am 27./28.04.2016 einen Vertrag über die Anmietung des im ersten Stock des … gelegenen Festsaals für die Durchführung einer politischen Veranstaltung mit insgesamt erwarteten 420 Personen. Auf der Veranstaltung, die am Abend des 13.05.2015 von 17.00 bis 01.00 Uhr stattfinden soll, soll u. a. die Bundesvorsitzende der Antragstellerin zu 1), … auftreten.
Die dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin lauten unter Ziffer 5. auszugsweise wie folgt:
„Der … ist berechtigt, aus sachlich gerechtfertigtem Grund von dem Vertrag zurückzutreten, wenn beispielsweise (…)
der … begründeten Anlass zu der Annahme hat, dass die Inanspruchnahme der Lieferungen/Leistungen die Sicherheit, den Geschäftsbetrieb oder das Ansehen des … in der Öffentlichkeit gefährden kann, ohne dass dies den Verantwortungs- oder Organisationsbereich des … zuzurechnen ist oder ein Verstoß gegen die ungenehmigte Unter-/Weitervermietung vorliegt.“
Bereits zuvor hatten im Festsaal der Antragsgegnerin politische Veranstaltungen der Antragstellerin zu 1) im Dezember 2013, März 2014 sowie letztmals im Juli 2015 stattgefunden. Auch hierbei handelte es sich um Parteiveranstaltungen mit Rednerauftritten, zuletzt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden im Juli 2015.
Am 30.04./01.05.2016 kam es anlässlich des Bundesparteitags der Antragstellerin zu 1) in Stuttgart zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und mehreren meist dem linksautonomen Spektrum zuzurechnenden Gegendemonstranten. Im Rahmen der gewaltsamen Proteste der Gegendemonstranten kam es u. a. zu 600 Festnahmen, vorübergehend wurde auch die Zufahrt zum Parteitagsgelände blockiert.
Am 02.05.2016 richtete die Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu 1) folgendes Schreiben:
„Bestätigung für Reservierung Nr. …
Sehr geehrte Herr …
vielen herzlichen Dank für Ihr Interesse am …. Wir freuen uns, folgende Veranstaltung für Sie planen zu dürfen und bestätigen Ihnen wie folgt: (…)“
Mit Schreiben vom 05.05.2016 erklärte die Antragsgegnerin den Rücktritt vom Vertrag wegen Sicherheitsbedenken. Aufgrund der Ausschreitungen in Stuttgart sei auch bei der Veranstaltung am 13.05.2016 in München mit erheblichen Protesten von Gegendemonstranten zu rechnen. Mit Schreiben vom 07.05.2016 forderte die Antragstellerin zu 1) die Antragsgegnerin auf, den zwischen Ihnen geschlossenen Vertrag zu erfüllen und ihr die Räumlichkeiten vertragsgerecht zur Verfügung zu stellen. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab.
Mit ihrem am 10.05.2016 beim Landgericht München I eingegangenen Antrag begehrt die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung die vertragsgerechte Überlassung der Mietsache am 13.05.2016. Sie trägt u. a. vor, die Antragsgegnerin habe mit der Antragstellerin zu 1) einen rechtswirksamen Vertrag abgeschlossen; der Rücktritt vom 05.05.2016 sei unwirksam, auf Ziffer 5. ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen.
Die Antragsteller beantragen:
Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) für die Durchführung ihrer Abendveranstaltung am Freitag, 13.05.2016 von 17.00 Uhr bis Samstag, 14.05.2016, 01.00 Uhr für 420 Personen den Festsaal und das Reiterzimmer in der von ihr … gepachteten Gaststätte … in … München, … auf der Grundlage der mit den Antragstellern abgeschlossenen Mietverträge vom 28.04.2016 und 02.05.2016 zu den dort genannten Bedingungen zu überlassen.
Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Schutzschrift,
einen etwaigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Zutritt und/oder zur Duldung des Zutritts in die Veranstaltungsräume der Antragsgegnerin
hilfsweise:
über einen etwaigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Zutritt und/oder zur Duldung des Zutritts in die Veranstaltungsräume der Antragsgegnerin nicht ohne vorherige mündliche Verhandlung zu entscheiden.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, wirksam einen Rücktritt vom Vertrag erklärt zu haben. Aufgrund der eskalierten Situation auf dem Parteitag der Antragstellerin zu 1) in Stuttgart mit gewalttätigen Ausschreitungen durch eine Vielzahl von Gegendemonstranten sei auch eine Gefährdung der Sicherheit für die Veranstaltung in München zu befürchten. Es müsse „zwingend“ davon ausgegangen werden, dass mit einer erheblichen Zahl von friedlichen/und/oder gewalttätigen Gegendemonstranten zu rechnen sei. Ein Sicherheitskonzept, könne sie, die Antragsgegnerin, in dieser Zeit nicht mehr entwerfen. Auch könnten sich die übrigen Gaststättenbesucher im Erdgeschoss des … oder im großen Biergarten aufgrund des massiven Polizeiaufgebotes und der zu erwartenden Gegendemonstranten weder wohl fühlen, noch Gemütlichkeit verspüren. Überdies sei sie auch unter dem Gesichtspunkt der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund sowie wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur Auflösung des Vertrages mit der Antragstellerin zu 1) berechtigt gewesen.
II.
Die einstweilige Verfügung war hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) wie beantragt zu erlassen, da sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund dargelegt und glaubhaft gemacht wurden, §§ 935, 936, 940, 920 Abs. 2 ZPO. Hingegen war der Antrag des Antragstellers zu 2) zurückzuweisen, da ein Verfügungsanspruch mangels Vertragsabschlusses auch mit ihm selbst nicht besteht.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist davon auszugehen, dass auch die Antragstellerin zu 1) … selbst parteifähig ist (BGHZ 90, 333; Zöller/Vollkommer § 50 ZPO Rn. 22). Gemäß §§ 935, 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hiernach zulässig ist ausnahmsweise auch eine so genannte Leistungsverfügung, wenn ein dringendes Bedürfnis für die Eilmaßnahme besteht. Dies ist neben den Fällen, in denen der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist, der Fall, wenn die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist und die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleich käme (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.10.2014, 14 W 52/14 und unter II. – Zöller/Vollkommer § 940 ZPO Rn. 6). Bei dem 8 Tage vor Vertragsdurchführung erklärten Rücktritt vom Mietvertrag ist eine Entscheidung in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren jedoch unzweifelhaft nicht mehr zu erlangen.
Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund liegen vor:
1. Die Antragstellerin zu 1) hat einen vertraglichen Anspruch aus § 535 S. 1 BGB auf Überlassung des vertragsgemäßen Gebrauchs des Festsaals und des Reiterzimmers im ersten Obergeschoss des … München, …
Ein wirksamer Rücktritt oder eine wirksame Kündigung seitens der Antragsgegnerin liegt indes nicht vor:
a) Die Parteien haben am 26/28.04.2016 einen wirksamen Mietvertrag über die Anmietung des Festsaals nebst Reiterzimmer im 1. Stock des … geschlossen. Zwar wurde keine ausdrückliche Saalmiete vereinbart, weil der von der Antragstellerin zu 1) angezahlte Betrag in Höhe von € 6.100,- als „Umsatzgarantie“ auf den späteren Umsatz der Veranstalter und der Teilnehmer verrechnet werden sollte. Gleichwohl liegt der Schwerpunkt des Vertrags in der entgeltlichen Überlassung der Räumlichkeiten zum Zwecke der Durchführung einer politischen Veranstaltung und ist daher als Raummietvertrag nach §§ 535, 578 BGB zu qualifizieren.
b) Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 05.05.2015 keinen wirksamen Rücktritt erklärt.
Zwar ist die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechtes des Vermieters der Mietsache jedenfalls vor Überlassung der Mietsache an den Mieter grundsätzlich möglich (Staudinger/Rolfs § 542 BGB Rn. 176), allerdings liegen schon die Voraussetzungen von Ziffer 5. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin ersichtlich nicht vor. Ob darüber hinaus die Klausel gegen § 308 Nr. 3 BGB verstößt – wie die Antragsteller meinen – kann daher ausdrücklich offen bleiben.
aa) Nach dem Wortlaut der Klausel, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, steht ihr ein Rücktrittsrecht zu, wenn der … begründeten Anlass zu der Annahme hat, dass die Inanspruchnahme der Lieferungen/Leistungen die Sicherheit, den Geschäftsbetrieb oder das Ansehen des … in der Öffentlichkeit gefährden kann, ohne dass dies dem Verantwortungs- oder Organisationsbereich des … zuzurechnen ist (…). Die allgemeine Geschäftsbedingung setzt nach ihrem Wortlaut mithin voraus, dass die Antragsgegnerin „begründeten Anlass“ zur Annahme der Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit hat. Schon die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergibt eindeutig, dass solch ein begründeter Anlass nicht in bloßen Befürchtungen oder Mutmaßungen besteht, sondern konkrete Anhaltspunkte für eine objektiv bestehende Gefährdungslage benannt werden müssen. Solche trägt die Antragsgegnerin in ihrer Schutzschrift jedoch nicht vor. Sie führt unter Bezugnahme auf die Ausschreitungen auf dem Parteitag der … in Stuttgart – ledig aus, es sei „offensichtlich“ oder „zwingend“, dass es zu massiven Gegendemonstration auch bei der Veranstaltung am 13.05.2015 in München in de… kommen werde. Konkrete Anhaltspunkte dafür werden in der Schutzschrift nicht – auch nicht ansatzweise – vorgebracht. Auf Tatsachen gestützte Anhaltspunkte, dass es zu – gewalttätigen – Protesten im Zusammenhang mit der geplanten Veranstaltung am 13.05.2015 kommen werde, trägt die Antragsgegnerin nicht vor. Friedliche Proteste durch Gegendemonstranten sind Ausdruck der politischen Kultur und der Versammlungsfreiheit der Bundesrepublik Deutschland und damit ohnehin nicht nicht geeignet, die von der Antragsgegnerin angeführten Sicherheitsbedenken zu begründen. Soweit die Antragsgegnerin einen „Shitstorm“ in den sozialen Medien befürchtet, beeinträchtigt dies schon nicht die Sicherheit oder den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin sondern ist eine Folge dessen, dass die Antragsgegnerin überhaupt mit der Antragsstellerin zu 1) kontrahiert. Im Übrigen füllte sich die Facebook-Seite der Antragsgegnerin nach dem Rücktritt sowohl mit kritischen als auch mit lobenden Kommentaren (Quelle: www…). Soweit die Antragsgegnerin letztlich noch vorträgt, aufgrund der Menge der zu erwartenden Demonstranten sei es nicht mehr möglich, ein eigenes Sicherheitskonzept zu erstellen, ist darauf zu verweisen, dass die Antragsstellerin zu 1) während der Veranstaltung mit einem eigenen Sicherheitsdienst vor Ort ist und im Übrigen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor dem … die Sicherheitsbehörden der Landeshauptstadt München Sorge zu tragen haben.
bb) Darüber hinaus ist ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltener Rücktrittsgrund sachlich auch dann nicht gerechtfertigt, wenn er sich auf Umstände erstreckt, deren Vorliegen der Klauselverwender bei gebotener Sorgfalt schon vor dem Vertragschluss hätte erkennen können (BGH VIII ZR 349/85; OLG Frankfurt, a. a. O. unter Rn. 20 f). Auch vor dem als Grund für den Rücktritt der Antragsgegnerin angegebenen Stuttgarter Parteitag de… gab es bei Veranstaltungen und Parteitagen der Antragsstellerin zu 1) bzw. der Bundespartei bereits Gegendemonstrationen, so etwa im Januar 2016 in Potsdam, im Februar 2016 in Kassel, im März 2016 in Bremen und Geretsried sowie im April 2016 in Unna. Dass es hierbei zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen der Polizei oder Veranstaltungsteilnehmern und Gegendemonstranten kam, ist nicht bekannt geworden. Jedenfalls von diesen Gegendemonstrationen bei … Veranstaltungen in der Vergangenheit musste die Antragsgegnerin auch bereits vor dem hier maßgeblichen Vertragsschluss vom 26./28.04.2016 Kenntnis haben. Auch war der Antragsgegnerin schon nach ihrem eigenen Vortrag aus vorangegangenen Veranstaltungen bekannt, dass es sich bei dem Bundesverband der Antragsstellerin zu 1) um eine Partei am rechten politischen Rand mit einer islamkritischen Politik handelt. Über die bereits in der Vergangenheit – störungsfrei – durchgeführten Veranstaltungen mit der Antragsstellerin zu 1) hinaus hat die Antragsgegnerin darüber hinaus noch am 02.05.2016 und damit einen Tag nach Beendigung des von gewalttätigen Auseinandersetzungen überschatteten Parteitags in Stuttgart – den hier streitgegenständlichen Vertragsschluss ausdrücklich bestätigt. Der Antragsgegnerin ist ein Berufen auf dem Rücktrittsgrund mithin auch deshalb verwehrt, weil sie bereits vor Vertragsschluss bekannt gewesen sein musste, dass es zu Gegendemonstrationen anlässlich der geplanten Veranstaltung am 13.05.2016 kommen kann.
cc) Ein Rücktritt der Antragsgegnerin scheidet aus Rechtsgründen auch deshalb aus, weil die Klausel nur dann eine Abstandnahme vom Vertrag ermöglicht, wenn die Antragsgegnerin begründeten Anlass dazu hat, dass gerade die Inanspruchnahme der Leistungen die Sicherheit des … gefährdet. Dies lässt eine Auslegung der Klausel dahingehend nahelegen, dass nur eine unmittelbar durch die Veranstaltung drohende Gefahr einen Rücktritt ermöglicht, nicht aber der Antragsstellerin zu 1) nur mittelbar zuzurechnende Gefahren durch die befürchteten Gegendemonstrationen als Rücktrittsgrund in Betracht kommen (BGH VIII ZR 349/85; unter Rndn. 29). Dies entspricht im Übrigen auch dem Grundsatz, das Maßnahmen der Gefahrenabwehr regelmäßig nur gegenüber dem unmittelbaren Störer und nur im Ausnahmefall einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr gegenüber dem mittelbaren Veranlasser – hier der Antragsstellerin zu 1) – zulässig sind (BGH a. a. O.). Einen Rücktritt der Antragsgegnerin wegen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lässt die hier maßgebliche Klausel ohnehin nicht zu, so dass Störungen außerhalb ihres unmittelbaren Betriebsgeländes der Antragsgegnerin kein Rücktrittsrecht eröffnen. Überdies haben hier die Sicherheitsbehörden für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu sorgen.
dd) Soweit die Antragsgegnerin zuletzt ausführt, die übrigen Besucher des … im Erdgeschoss der Gaststätte sowie im Biergarten würden sich aufgrund der zu erwartenden Gegendemonstranten sowie des befürchteten massiven Polizeiaufgebotes nicht mehr wohlfühlen, berechtigt diese Befürchtung ebenfalls nicht zum Rücktritt vom Vertrag. Es wird nochmals darauf verwiesen, dass konkrete Anhaltspunkte für tatsächlich eintretende Störungen bisher nicht dargelegt sind. Eine Kündigung aufgrund der Interessen Dritter, insbesonderer sonstiger Gaststättenbesucher, lässt die streitgegenständliche Klausel ohnehin nicht zu. Soweit Umsatzeinbußen seitens der Antragsstellerin zu befürchten sind, ist dies keine Folge der Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern eine unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses mit der Antragsstellerin zu 1), Bloße Vertragsreue aber lässt einen Rücktritt von einem verbindlich geschlossenen Vertrag nicht zu.
ee) Soweit Ziffer 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus „sachlich gerechtfertigtem Grund“ eine Abstandnahme vom Vertrag wegen weiterer Rücktrittsgründe eröffnet, verstößt der diesbezügliche Passus bereits gegen das Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Ohnehin wurde der Rücktritt der Antragsgegnerin hierauf nicht gestützt.
c) Ein Recht der Antragsgegnerin zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 543 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls nicht. Zwar ist eine fristlose Kündigung theoretisch auch vor Überlassung der Mietsache möglich, die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB muss aber stets Folge einer konkreten Pflichtverletzung seitens des Mieters sein. Eine solche Pflichtverletzung wird seitens der Antragsgegnerin schon nicht vorgetragen.
d) Auch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. III BGB scheidet ein Rücktritt des Antragsgegners aus. Die Geschäftsgrundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages ist durch die Ausschreitungen in Stuttgart alleine nicht tangiert, über bloße Befürchtungen hinaus wurden seitens der Antragsgegnerin keine Tatsachen vorgetragen, die gewalttätige Ausschreitungen anlässlich der Veranstaltung am 13.05.2016 naheliegen würden. Störungen gerade seitens der Veranstalter oder der Teilnehmer sind ohnehin nicht zu befürchten. Von außen durch Gegendemonstranten auftretenden Störungen ist durch die Sicherheitsbehörden zu begegnen.
Nach alledem konnte sich die Antragsgegnerin von dem zwischen den Parteien geschlossenen wirksamen Mietvertrag nicht durch Rücktritt oder Kündigung lösen. Die Antragstellerin zu 1) hat weiterhin einen Anspruch aus § 535 Abs. 1 S. 1 BGB auf Überlassung der Mietsache.
2. Ein Verfügungsgrund liegt vor, weil es sich bei der Buchung von Veranstaltungsräumen für eine bestimmte politische Veranstaltung zu einem festen Zeitpunkt um ein absolutes Fixgeschäft handelt (OLG Frankfurt a. a. O., unter Rn. 12). Die Antragsgegnerin hat die Erfüllung des Vertrages vom 13.05.2016 so kurz vor der Leistungszeit abgesagt, dass der Antragstellerin zu 1) lediglich die Durchsetzung ihrer Ansprüche in einem einstweiligen Verfügungsverfahren verbleibt.
3. Bezüglich des Antragsstellers zu 2) war der Antrag abzulehnen, da ein eigener vertraglicher Anspruch weder ersichtlich noch dargelegt ist. Der Vertragsschluss erfolgte ausschließlich zwischen der Antragstellerin zu 1) und der Antragsgegnerin. Bei dieser Sachlage verbleibt für ein eigenes Recht des Ortsverbandsvorsitzenden kein Raum.
4. Gemäß § 937 Abs. 2 ZPO kann die Entscheidung in dringenden Fällen ohne mündliche Verhandlung ergehen. Den Interessen der Antragsgegnerin wurde durch Berücksichtigung des Vortrags in der Schutzschrift Rechnung getragen. In Anbetracht des Umstandes, dass der erklärte Rücktritt aus mehreren rechtlich selbstständig die Entscheidung tragenden Gründen unwirksam war, war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch darüber hinaus nicht geboten.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.

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