Aktenzeichen 22 O 2740/17
StGB § 263
Leitsatz
1. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs hat gegen den Hersteller keinen deliktischen Schadensanspruch, sofern er nicht den Nachweis führen kann, der verfassungsmäßige Vertreter des Herstellers Kenntnis von der eingebauten Software und Vorsatz hinsichtlich einer Schädigung der Endkunden hatte. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein auf Kaufpreisrückzahlung gerichteter Schadensersatzanspruch scheidet zudem mangels Kausalität aus, wenn es im konkreten Einzelfall an dem Nachweis fehlt, dass die Abgaswerte für die Kaufentscheidung erheblich waren. (Rn. 21 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 30.655,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das Landgericht Landshut gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Soweit eine unerlaubte Handlung bzw. eine sittenwidrige Schädigung behauptet wird, wäre der Schaden dort eingetreten, wo der Kläger die Kaufentscheidung für den streitgegenständlichen PKW getroffen hat. Dies war am Wohnort des Klägers, da die Bestellung des PKWs online bzw. telefonisch erfolgte. Jedenfalls ergibt sich eine örtliche Zuständigkeit aus der rügelosen Einlassung der Beklagtenpartei, § 39 ZPO.
II.
Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrags zu.
1. Vertragliche Ansprüche bestehen nicht zwischen den Parteien, da der Kläger das Fahrzeug nicht bei der Beklagten erworben hat.
2. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheitert schon daran, dass es an einer Stoffgleichheit zwischen dem Vermögensvorteil, nämlich ersparte Kosten und Marktvorsprung bei der Beklagten, und dem beim Kläger unterstellten Schaden, der in dem Kauf eines mangelbehafteten Pkw bestehen soll, fehlt.
Im Unterschied zu der dazu klägerseits zitierten Entscheidung, die die Stoffgleichheit bejaht, ist vorliegend nicht die Beklagte, sondern deren Tochterunternehmen S. Herstellerin des Fahrzeugs. Inwieweit sich durch einen unterstellten Betrug dadurch ein Vermögensvorteil bei der Beklagten als Konzernmutter einstellt, ist nicht vorgetragen. Unterstellt, ein solcher läge in der Steigerung des konzernweiten Fahrzeugabsatzes, scheitert die Stoffgleichheit schon daran, dass zwischen Kläger und Beklagter jedenfalls sowohl die Herstellerin S. als auch die Händlerin steht und der mögliche Vorteil der Beklagten nur mittelbar in dem Absatz des Konzernmarken-Fahrzeugs bestehen würde, ohne dass sich dies zahlenmäßig beziffern ließe. Im Übrigen wäre der Vorteil der Beklagten aus dem Abschluss des Kaufvertrags nicht „gleich“ mit dem Vorteil, den die Händlerin in Form der Gewinnspanne hat.
3. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4, 6, 27 EG-FGV kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es kann dahin stehen, ob ein Verstoß gegen diese Vorschriften tatsächlich vorliegt, denn bei diesen Vorschriften handelt es sich jedenfalls nicht um Normen mit Drittschutzwirkung für einen Autokäufer. Es sollen vielmehr Märkte geregelt und Zulassungsverfahren vereinfacht werden, so dass der Kläger daraus keine Ansprüche herleiten kann.
4. Ein Anspruch aus § 826 BGB ist ebenfalls nicht gegeben.
a) Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Zurechnung von deliktischen Handlungen an die Beklagte gemäß § 31 BGB fehlt vorliegend jeglicher Vortrag. Vielmehr beschränkt sich die Klagepartei insoweit auf das Zitieren von dazu ergangenen Entscheidungen.
Eine deliktische Haftung einer juristischen Person setzt aber voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand der Norm erfüllt. Dazu, inwiefern ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten vorliegend Kenntnis von der eingebauten Software und Vorsatz hinsichtlich einer Schädigung der Endkunden hatte, ist weder etwas vorgetragen noch Beweis angeboten.
b) Hinsichtlich einer Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB stellt der Kläger vorliegend als Tathandlung auf die Entscheidung der Beklagten, einen Motor mit unzulässiger Software auch in Skoda-Modelle einbauen zu lassen, und das Verschweigen dieser Softwareeinrichtung gegenüber dem Endkunden ab. Abgesehen davon, dass das Gericht hier bereits Zweifel am Bestehen einer außervertragliche Aufklärungspflicht des Herstellers (vgl. Oechsler, NJW 2017, 2865), jedenfalls aber der Konzernmutter hat, erfordert der Wortlaut des § 826 BGB darüber hinaus eine vorsätzliche Schadenszufügung. Zum Schädigungsvorsatz ist aber vorliegend nur unsubstantiiert ohne Beweisangebote vorgetragen. Hinsichtlich der Behauptung, die Täuschung habe der Absatzförderung gedient, ist wiederum keinerlei Beweis angeboten.
c) Zudem fehlt es an einem Nachweis der Kausalität im konkreten Einzelfall.
Es entspricht obergerichtlicher Rechtsprechung zum Kapitalmarktrecht (vgl. BGH, Urt. v. 04.06.2013, VI ZR 288/2012, NZG 2013, 992), dass auf den Nachweis der konkreten Kausalität einer Information für den Willensentschluss des jeweiligen Anlegers auch dann nicht verzichtet werden kann, wenn die Information extrem unseriös ist. Der BGH hatte sich hier damit auseinanderzusetzen, ob man davon ausgehen könne, dass eine generelle – unabhängig von der Kenntnis des potentiellen Anlegers postulierte – Kausalität einer falschen Aussage (hier: einer Kapitalmarktinformation) angenommen werden könne. Dem hat sich der BGH nicht angeschlossen. Er führt vielmehr aus, dass im Rahmen des Anspruchstatbestandes des § 826 BGB auf den Nachweis der konkreten Kausalität für den Willensentschluss des jeweiligen Anlegers selbst bei extrem unseriösen Kapitalmarktinformationen nicht verzichtet werden kann und dementsprechend das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen auf die Erfüllung der in die Anlage gesetzten Erwartungen nicht ausreichend sein kann. Diese Entscheidung, ergangen zum Kapitalanlagerecht, muss für beschreibende Aussagen zu Kaufsachen in gleicher Weise gelten.
Unter Schutznormaspekten ist es nicht richtig, allgemeinen Aussagen über die Eigenschaften eines Produktes, selbst wenn sie mit Wissen des Vorstandes falsch in die Welt gesetzt worden sein sollten, generell die Eigenschaft zuzusprechen, dem Käufer auch bekannt und für seinen Kaufentschluss in irgendeiner Form bestimmend gewesen zu sein und die Kausalität einfach zu vermuten. Das würde nämlich ansonsten dazu führen, dass, falls man den Vorständen vorwerfen kann, falsche Aussagen über ihre Produkte oder deren möglicherweise erschlichene Genehmigungen gekannt und diese nicht unterbunden zu haben, die Regelungen des Kaufrechtes dadurch ergänzt würden, dass immer auch der kapitalgesellschaftlich organisierte Hersteller für einen Mangel der Kaufsache haftet.
Eine solche weite Ausdehnung der Haftung nach § 826 BGB ist schon nicht geboten. Falls nämlich der einzelne Käufer nachweisen kann, dass gerade die Produkteigenschaft, über die er getäuscht worden ist, seinen Kaufentschluss zumindest mitbestimmt hat, kann er eine Verurteilung erreichen.
b) Das Gericht ist hier nach der persönlichen Anhörung des Klägers im Sinne des § 286 ZPO nicht davon überzeugt, dass es für die Kaufentscheidung klägerseits darauf ankam, welche Abgase das gekaufte Auto tatsächlich ausstößt. Für die Überzeugungsbildung des Gerichts wäre es selbstverständlich nicht ausreichend, wenn eine Klagepartei einfach behauptet, es sei ihr nicht nur auf die Euro-5-Plakette, sondern auch darauf angekommen, dass die Abgaswerte tatsächlich eingehalten werden. Eine solch bloße Behauptung muss dann durch Indizien, wie etwa die Ankaufhistorie, das bisherige Kaufverhalten Pkws betreffend und die sonstige innere Einstellung gegenüber Autoverkehr und/oder Umweltbelastungen, die sich durch Konsum ergeben, auch belegt werden. Dies ist dem Kläger nicht gelungen. Es ist zwar auch nicht das Gegenteil erwiesen, dass es dem Kläger also gleichgültig war, ob die angegebenen Abgaswerte auch im Endbetrieb eingehalten worden sind. Vielmehr ist weder das eine noch das andere erwiesen, so dass diese „non liquet“-Situation vorliegend zu Lasten des Klägers geht.
Schriftsätzlich ließ der Kläger noch vortragen, es sei ihm um den Erwerb eines umweltfreundlichen Autos gegangen. In seiner persönlichen Anhörung gab der Kläger an, entscheidendes Kaufkriterium sei zum einen der Platz gewesen, da er groß sei und einen großen Kofferraum für seine damalige Tätigkeit im Antennenbau benötigte, um eine Schüssel im Kofferraum verstauen zu können. Außerdem sei ihm ein gutes Laufverhalten wichtig gewesen. Das Auto sollte auch viel Kraft haben zum Überholen. Diese lebensnahen Details verdienen den absoluten Glauben des Gerichts. Der Kläger machte auf das Gericht durchwegs einen aufrichtigen Eindruck. Auf Nachfrage, warum er sich für einen Diesel entschieden habe, gab der Kläger wirtschaftliche Gründe an; ein Diesel brauche weniger Sprit. Außerdem habe der Motor einen guten Abzug. Auch sei er davon ausgegangen, dass je weniger Sprit verbraucht wird, umso weniger Ausstoß produziert werde. Im Übrigen habe er über das Thema Schadstoffausstoß, nicht viel nachgedacht, NOx sei ihm kein Begriff gewesen und bei der telefonischen Beratung und Bestellung habe das Thema glaublich keine Rolle gespielt.
Zwar ist diese Tatsache, dass hier im Verkaufsgespräch die tatsächlichen Abgaswerte keine Rolle gespielt haben, weder in die eine noch in die andere Richtung aussagekräftig. Der Kläger konnte beim Kauf selbstverständlich davon ausgehen, dass das Fahrzeug die angegebenen Werte im Betrieb einhält. Er hatte also keinerlei Anlass, nachzufragen, ob diese Werte etwa nur auf dem Prüfstand eingehalten werden oder auch im regelmäßigen Betrieb.
Vorliegend lassen sich indes keine hinreichenden Indizien finden, wonach ein besonders niedriger Abgasausstoß für den Kaufentschluss konkret kausal war. So verspricht sich ein verständiger Autokäufer von einem modernen Dieselfahrzeug vorrangig eine verbrauchsoptimierte Fahrweise. Dazu gab der Kläger lebensnah an, die Vorstellung gehabt zu haben, ein Diesel brauche weniger Sprit als ein Benziner und mit dem geringen Spritverbrauch ginge eine gewisse Umweltfreundlichkeit einher („Ich dachte auch, je weniger Sprit, umso weniger Ausstoß geht hinten raus.“). Dagegen sind damit in der Regel keine konkreten Vorstellungen über bestimmte Stickoxid-Werte verbunden. Dafür spricht auch die Angabe des Klägers in seiner informatorischen Anhörung, damals keine konkreten Vorstellungen über Schadstoffwerte oder die Bedeutung von NOx gehabt zu haben. Die bemängelte Software betrifft aber gerade die Angabe dieses Schadstoffausstoßes, nicht aber des Verbrauchs, der allein vom Kläger als Kaufkriterium genannt wurde.
Der dem Kläger obliegende Nachweis der Kausalität ist nicht geführt. Es ließen sich insgesamt keine Indizien dafür finden, die darauf schließen lassen, dass die tatsächlichen Abgaswerte für den Kläger bei der Kaufentscheidung eine Rolle gespielt hätten.
5. Da schon die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2, 826 BGB nicht vorliegen, bedarf es keiner weiteren Prüfung der Voraussetzungen des § 831 Abs. 1 BGB, nachdem diese Vorschrift erfordert, dass der Verrichtungsgehilfe den objektiven Tatbestand der §§ 823-826 BGB oder 832 ff. BGB verwirklicht hat.
6. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges als Annexantrag zum ursprünglichen Antrag aus Ziffer 1. auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs geht ins Leere.
7. Der Kläger kann die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht verlangen, da ein Anspruch in der Hauptsache nicht besteht. Die Verfolgung nicht bestehender Ansprüche stellt keine zweckentsprechende Rechtsverfolgung dar, für die die Beklagte einstehen muss.
III.
1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 I 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 709 S. 2 ZPO.
3. Der Streitwert wurde gemäß § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt.