Aktenzeichen 1 HK O 37/15
ZPO ZPO § 835, § 840
Leitsatz
1 Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis kann zwischen Waren und Dienstleistungen bestehen, wobei darauf abzustellen ist, dass Kunden zwischen Dienstleistungen und Waren der jeweiligen Antragsteller bzw. Antragsgegner auswählen können (vgl. BGH BeckRS 1999, 30083821). (red. LS Dirk Büch)
2 Eine Werbung im Internet beeinflusst im Grundsatz den Markt im Bereich des gesamten Bundesgebietes. (red. LS Dirk Büch)
3 Ein Missbrauch der Verbandsstellung eines Anspruchstellers kann nur dann vorliegen, wenn der Verband grundsätzlich nur gegen außenstehende, nicht aber gegen eigene Mitglieder vorgeht (vgl. BGH BeckRS 1997, 04923). (red. LS Dirk Büch)
Tenor
I.
Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jede Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu werben
1.
für eine „Bioresonanz-Therapie (BRT)“:
1.1.
„Mit dem Bicom Gerät lassen sich die belastenden Substanzen anhand ihrer Frequenz identifizieren. Krankhafte Schwingungen werden gelöscht, dadurch wird die körpereigene Regulation und Selbstheilung unterstützt“,
1.2.
„Die empfangenen elektromagnetischen Signale werden ins Gerät geleitet, analysiert, krankhafte Signale umgewandelt, harmonisiert und an den Körper geleitet“,
1.3.
„Die Einsatzbereiche der BRT sind breit gefächert: …“
1.3.1.
„… Allergien“,
1.3.2.
„… Schmerzen (Migräne)“,
1.3.3.
„… chron. Erkrankungen (Borreliose, MS, etc.)“,
1.3.4.
„… Atemwegserkrankungen“,
1.3.5.
„… Magen-Darmerkrankungen“,
1.3.6.
„… Rheuma“,
1.3.7.
„… Raucherentwöhnung“,
1.3.8.
„… Gewichtsreduktion“.
1.4.
„Bei der Raucherentwöhnung werden während der Therapie Nikotin und andere Schadstoffe ausgeleitet“,
1.5.
„Zur Gewichtsreduktion …
Dem Körper wird der Heißhunger auf diese Lebensmittel genommen. Steigerung des Stoffwechsels, der Schilddrüse, der Hormone, der Leberentgiftung etc. über Ohrakupunkturpunkte. Dadurch Steigerung des Grundumsatzes“,
1.6.
„Allergietherapie“
und/oder
„Beseitigung Ihrer Belastungen“
und/oder
„versteckte Ursachen von Beschwerden finden“,
2.
für eine Behandlung mittels des bioenergetischen Diagnose- und Therapiesystems
„ETAScan“:
2.1.
„Die Stärke von ETAScan liegt im Bereich der Früherkennung und Prävention. Befindlichkeitsstörungen können differenziert werden. ETAScan zeigt Störungen bereits in ihrem Anfangsstadium präzise auf, so dass Therapien schon sehr früh begonnen werden können, bevor es zu organischen Veränderungen kommt“,
2.2.
„Belastungen können getestet werden, wie beispielsweise Elektrosmog“
und/oder
„Schwermetalle“
und/oder
„Amalgam“
und/oder
„Pestizide“
und/oder
„Bakterien“
und/oder
„Viren“
und/oder
„Parasiten“
und/oder
„Adenovirus“,
2.3.
„Des weiteren dient ETAScan zur Verträglichkeitstestung von Medikamenten“
und/oder
„Lebensmitteln“
und/oder
„Homöopathika“
und/oder
„Nahrungsergänzungsmitteln“,
3.
für eine sogenannte „Sanguinum Kur“ zum Abnehmen:
3.1.
„Homöopathisches Stoffwechselprogramm zur Gewichtsreduktion und Entschlackung mit hervorragenden Ergebnissen“
3.2.
„Kein Jojo-Effekt“,
3.3.
„Die Sanguinum Kur führt zu gesundem Abnehmen“,
3.4.
„ausreichende Nährstoffversorgung“,
3.5.
„homöopatische Stoffwechselsteigerung,
3.6.
„Der Stoffwechsel bleibt in Schwung“,
3.7.
„Muskelmasse bleibt erhalten“,
3.8.
„der Blutzuckerspiegel bleibt konstant“,
3.9.
„Heißhungerattacken unterbleiben“,
3.10.
„die Entgiftung wird angeregt“,
3.11.
„Daher bietet die Kur gerade auch für Menschen mit verlangsamtem Stoffwechsel Hilfe nach Raucherentwöhnung“
und/oder
„bei Hormonumstellung nach einer Schwangerschaft oder in der Menopause“
und/oder
„durch Medikamente z. B. Antidepressiva, Blutdruckmittel“
und/oder
„nach diversen Diäten“,
3.12.
„In der Zeit nach der Gewichtsreduktion, der sogenannten Nachkur, schleicht man die Homöopathika aus, der Ernährungsplan wird erweitert, der Körper bleibt weiterhin auf einem hohen Stoffwechselniveau, der Jojo-Effekt bleibt aus“,
4.
mit dem Video „Dr. med. Monika S. über die Sanguinum-Stoffwechselkur“ (siehe unter: https://youtu.be/…)
insbesondere mit den Aussagen:
4.1.
„… er (der Patient) optimiert seine Ernährung insofern, als es zu einer langfristigen, andauernden Gewichtsreduktion und Stoffwechselaktivierung kommt“,
4.2.
„… außerdem fehlen hier diese leidigen Begleiterscheinungen im Rahmen einer Diät wie Leistungsschwäche, Kopfschmerzen usw.“,
4.3.
„Wir haben durch die Sanguinum-Injektionen eine sanfte Aktivierung der Entgiftungsorgane. Damit werden die im Fettgewebe gespeicherten Schadstoffe ausgeschieden und belasten den Körper nicht mehr“,
4.4.
„Zusammenfassend haben wir eine physiologische Gewichtsreduktion“
und/oder
„wir haben eine homöopathisch unterstützte Entgiftung“
und/oder
„Stoffwechselsteigerung“
„und … die perfekte Abnehmstrategie“;
jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage A 4 wiedergegeben.
II.
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Beschluss:
Der Streitwert wird festgesetzt auf 30.000,- Euro.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach §§ 835, 840 ZPO zulässig und begründet.
Zum Verfügungsanspruch ist zunächst unstrittig, dass die Werbung der Beklagten, so wie in Anlage A 4 dokumentiert, irreführend ist, indem für Verfahren ohne wissenschaftlichen Wirkungsbeleg (Bioresonanztherapie, ETAScan) ohne jede Einschränkung geworben wird und in dem für ein homoöpathisches Verfahren mit der Angabe eines bestimmten Anwendungsgebiets und einem sicheren Erfolgversprechen geworben wird.
Der Kläger ist auch nach § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG aktivlegitimiert. Insbesondere besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen der Beklagten und Mitgliedern des Klägers, insbesondere den vertretenen Apotheken, Unternehmen der Heilmittelbranche und Lebensmittelfilialbetrieben, die auch Arzneimittel vertreiben. Daran ändert es nichts, dass die Beklagte ausschließlich Dienstleistungen anbietet, es kann ohne weiteres ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Waren oder Dienstleistungen bestehen, wobei darauf abzustellen ist, dass Kunden zwischen Dienstleistungen der Beklagten und Waren der klägerischen Mitglieder auswählen könnten (vgl. BGH GRUR 2000, 438). Dies ist der Fall, da zu allen von der Beklagten aufgeführten Wirkungsaussagen von Allergien und Atemwegserkrankungen über Gewichtsreduktion bis zu Raucherentwöhnung und Schmerzen von Mitgliedern des Klägers Präparate angeboten werden, deren Absatz dadurch betroffen werden kann, dass sich Kunden statt der Präparate für die Dienstleistungen der Beklagten entscheiden.
Aufgrund des Umstands, dass die Beklagte im Internet geworben hat, beeinflusst sie den Markt im Bereich des gesamten Bundesgebiets, ein Ausnahmefall (vgl. OLG Celle GRUR-RR 2012, 477) liegt schon deshalb nicht vor, weil jedenfalls auch die von dem Kläger vertretenen Versandapotheken örtlich im Raum Würzburg ebenfalls wirtschaftliche Interessen verfolgen.
Auch kann sich die Beklagte nicht auf einen Mißbrauch der klägerischen Verbandsstellung berufen deshalb, weil der Kläger eines seiner Mitgliedsunternehmen, das in gleicher Weise wie die Beklagte unzulässig im Internet wirbt, bislang deswegen nicht verfolgt hat: Es handelt sich um ein Unternehmen in Österreich, der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt (und durch Rechtsprechungsnachweise gestützt), dass er davon mangels Erfolgsaussicht abgesehen hat. Ein Mißbrauch kann aber nur dann vorliegen, wenn ein Verband grundsätzlich nur gegen außenstehende, nicht aber gegen eigene Mitglieder vorgeht im Sinne eines planmäßigen Duldens (BGH GRUR 1997, 681); ein Nichtverfolgen in einem sachlich begründbaren Einzelfall reicht dafür nicht aus.
Die Beklagte hat die zur Rechtfertigung des Unterlassungsanspruchs notwendige Wiederholungsgefahr auch nicht durch das Angebot einer textuell veränderten Unterlassungserklärung ausgeräumt: Die Unterlassungserklärung war lediglich auf das Medium Internet beschränkt und schloss andere überregionale Werbemöglichkeiten nicht aus. Dass die Beklagte solche tatsächlich nicht betrieb und auch nicht zur betreiben beabsichtigte, ist aus der angebotenen Unterlassungserklärung zum Zeitpunkt der Unterbreitung an den Kläger nicht erkennbar gewesen. Auf die Frage, ob die weiter vorhandenen Einschränkungen der Unterlassungserklärung der Beseitigung der Wiederholungsgefahr entgegenstehen, kommt es dann schon nicht mehr an.
Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Er wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Der von Beklagtenseite hier angeführte Sachverhalt ist nicht geeignet, die Vermutung zu entkräften. Aus dem Umstand, dass dem Kläger bereits im ersten Kalenderhalbjahr 2015 bei der Überprüfung der Website www.sanguinum.com bekannt geworden ist, dass die Beklagte für die Sanguinumtherapie mit einer Internetpräsenz warb, kann dafür nicht genügen. Allein aus dem Vorhandensein einer Internetpräsenz ist ja noch nicht ableitbar, dass auf dieser tatsächlich wettbewerbswidrig geworben wird. Der Kläger war also gehalten, von einem Link der Seite www.sanguinum.com aus die Internetpräsenz der Beklagten (und ca. 200 andere) aufzurufen und zu überprüfen, um den Verstoß der Beklagten bzw. weiterer Mitbewerber festzustellen. Es waren also zusätzliche Ermittlungen nötig, um ausgehend von der Kenntnis der Erwähnung der Beklagten auf der Seite www.sanguinum.com einen tatsächlichen Wettbewerbsverstoß der Beklagten festzustellen, so dass die für das erste Kalenderhalbjahr 2015 unstreitige Kenntnis – der Präsenz sanguinum.com und der Erwähnung der Beklagten dort – seitens des Klägers nicht ausreicht, um die Vermutung zu Fall zu bringen; es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger – wie durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht – die Webpräsenz der Beklagten erst am 21.10.2015 tatsächlich aufgerufen und überprüft hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Nach den von der Beklagten mitgeteilten Patienten und Umsatzzahlen ist eine Herabsetzung des Streitwerts nicht veranlasst.