IT- und Medienrecht

Wettbewerbswidrige Bewerbung von Rechtsdienstleistungen in Form einer Schadensabwicklung nach einem Kfz-Unfall

Aktenzeichen  2 HK O 16/16

Datum:
10.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-Prax – 2017, 221
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 343
HGB HGB § 348

 

Leitsatz

Hat sich ein Schuldner zur Unterlassung einer wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz wettbewerbswidrigen Werbung mit der Aussage “Die weitere Schadensabwicklung übernehmen wir gerne für Sie.” verpflichtet, stellt sich die Werbeaussage “Selbstverständlich überlassen wir es Ihnen, ob wir für Sie die vollständige Abwicklung übernehmen sollen.” als weiterhin wettbewerbswidrig im Sinne der Vertragsstrafenvereinbarung dar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 5.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I. Zulässigkeit der Klage
Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 13, 14 Abs. 1 UWG, §§ 94, 95 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5 GVG zuständig, da die Beklagte im Landgerichtsbezirk Aschaffenburg ihre gewerbliche Zulassung hat.
II. Begründetheit der Klage
1. Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe
Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 339 Satz 2, Satz 1 BGB Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 5.500 € verlangen.
a) Vertragsstrafenvereinbarung
Zwischen den Parteien besteht eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung.
Die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten vom 16.11.2015 (Anlage K 2) ist der Klägerin am 17.11.2015 per Fax und am 18.11.2015 im Original zugegangen und von dieser mit Schreiben vom 20.11.2015 ausdrücklich angenommen worden (Anlage K 3).
b) Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung
Anhaltspunkte dafür, dass das Vertragsstrafeversprechen unwirksam sein könnte, bestehen nicht und werden von der Beklagtenseite auch nicht vorgetragen.
c) Verletzung der gesicherten Unterlassungserklärung
Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite liegt ein Verstoß gegen Vertragsstrafenvereinbarung vor.
Die Beklagte hat sich durch Vertrag 16.11.2015/20.11.2015 verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Erbringen von Rechtsdienstleistungen mit Hinweisen wie
„Unfallhilfe … Wir erledigen alles. Zuerst nehmen wir den Schaden auf … Die weitere Schadensabwicklung übernehmen wir gerne für Sie. … und erledigen alle erforderlichen Formalitäten mit den Versicherungen“
zu werben und hierfür für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 5.500 € zu zahlen.
Stattdessen warb sie jedoch über ihre Internetseite mit einer Verlinkung auf eine pdf-Datei namens … Unfallprotokoll. In der pdf-Datei hieß es dann unter der Überschrift „Unfall – Was ist zu tun?“ u.a.:
„Ein Unfall ist ärgerlich genug. Selbstverständlich überlassen wir es Ihnen, ob wir für Sie die vollständige Abwicklung übernehmen sollen.
Vom Leihwagen bis zur Abrechnung wir sind Ihre beruhigende Lösung.“
Auch durch diese Formulierung warb die Beklagte weiterhin mit einer „vollständigen Abwicklung“ des Unfalls. Der durchschnittliche Verbraucher, wozu auch die Mitglieder der Kammer für Handelssachen gehören, wird hierunter verstehen, dass die Beklagte auch die komplette Schadensregulierung mit den Versicherungen übernimmt. Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite wird der folgende Satz: „Vom Leihwagen bis zur Abrechnung … wir sind Ihre beruhigende Lösung.“ nicht als Einschränkung der Vollständigkeit, sondern als Beispiele für die Abwicklung aufgefasst.
Damit war die Werbung nach wie vor wettbewerbswidrig im Sinne der Vertragsstrafenvereinbarung, denn die Werbung mit Hinweisen auf die Erbringung von Rechtsdienstleistungen waren hiernach verboten, insbesondere die einer umfassenden Schadensabwicklung mit den Versicherungen. Die Beklagte hatte zwar die ursprünglich beanstandete Werbung herausgenommen, hatte jedoch die wettbewerbswidrige Werbung in dem pdf-Dokument belassen.
Es liegt auch ein „zukünftiger“ Verstoß im Sinne des Vertragsstrafevereinbarung vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte den Verstoß bereits zum Zeitpunkt der ersten Abmahnung durch die Klägerin bereits so in ihrem Internetauftritt hatte und gerade nicht neu so aufgenommen hatte. Die vertragsstrafenauslösende und wettbewerbswidrige Werbung auf der Homepage der Beklagten stellt einen Dauerverstoß dar, der jedenfalls zum Zeitpunkt des ersten Vertragsstrafeverlangens mit Schreiben vom 22.12.2015 auch noch vorlag, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
d) Verschulden
Es liegt auch ein Verschulden auf Seiten der Beklagten vor. Es ist Sache des Unternehmers selbst seine Werbung auf etwaige Wettbewerbsverstöße hin zu kontrollieren und seine Werbung so zu gestalten, dass sie wettbewerbskonform ist.
Nach der Abmahnung der Klägerin vom 11.11.2015 hatte der Beklagte auch Anlass hierzu seine Werbung entsprechend zu überprüfen. Dies hat er nach eigenen Angaben offensichtlich übersehen und deshalb nicht gelöscht. Damit hat er fahrlässig gegen seine Verpflichtung aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung verstoßen.
e) Keine unzulässige Rechtsausübung
Die Geltendmachung der Vertragsstrafe durch die Klägerseite kann auch nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB qualifiziert werden.
Von rechtsfähigen Verbänden und qualifizierten Einrichtungen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 UWG sowie Mitbewerbern im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG kann nicht verlangt werden, dass sie die Werbung des abgemahnten Unternehmers im Einzelnen auf sämtliche Wettbewerbsverstöße durchsehen und alles monieren, was als Wettbewerbsverstoß in Betracht kommt. Es ist vielmehr Sache des Unternehmers seine geschäftlichen Handlungen im Einzelnen hierauf zu überprüfen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bewusst etwas unbeanstandet gelassen hat, um hierfür anschließend die Vertragsstrafe geltend zu machen, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen worden.
f) Keine Herabsetzung der Vertragsstrafe
Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB ist nicht möglich, da diese Vorschrift gemäß § 348 HGB jedenfalls nicht anwendbar ist.
Nach § 348 HGB kann eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes versprochen ist, nicht aufgrund der Vorschriften des § 343 BGB herabgesetzt werden. Die Beklagte hat die strafbewehrte Unterlassungserklärung im Rahmen ihres Gewerbebetriebs als GmbH und damit als Kaufmann im Sinne von § 6 Abs. 1 HGB abgegeben.
2. Zinsanspruch
Die Klägerin kann von der Beklagten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2016 gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangen.
Die Beklagte befand sich ab 26.01.2016 in Verzug mit der Zahlung der Vertragsstrafe.
Die Klägerin hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.12.2015 zur Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 5.500 € bis zum 25.01.2016 aufgefordert.
III. Prozessuale Nebenentscheidungen
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 Satz 1 ZPO.
IV. Streitwert
Der Gebührenstreitwert wurde gemäß §§ 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, §§ 2, 4 Abs. 1 ZPO festgesetzt.

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