Aktenzeichen 13 A 15.1495
BGB BGB §§ 242, 249, 823
Leitsatz
1. Streitigkeiten über Maßnahmen im Rahmen des Vorausbaus sind durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufen (§ 140 FlurbG). Für sie sind der Verwaltungsrechtsweg und die sachliche Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts gegeben.
2. Ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch kann auch in einem Flurbereinigungsverfahren gegeben sein. Voraussetzung ist, dass durch einen (schlicht-) hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand entstanden ist, der andauert. Als „hoheitlich“ sind Realakte in der Regel dann zu qualifizieren, wenn sie in einem öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhang stehen.
3. Ein Folgenbeseitigungsanspruch unterliegt wie jeder sonstige Anspruch auch dem Grundsatz von Treu und Glauben.
4. Soweit ein Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan (§ 41 FlurbG) für gemeinschaftliche Anlagen festgestellt ist, können die Anlagen auch schon vor der Ausführung des Flurbereinigungsplans gebaut werden (Vorausbau). Wenn mit Einwendungen nicht zu rechnen ist oder Einwendungen nicht erhoben oder nachträglich ausgeräumt werden, kann der Plan gem. § 41 Abs. 1 S. 1 FlurbG ohne vorherige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens von der oberen Flurbereinigungsbehörde genehmigt werden. (redaktioneller Leitsatz)
5. Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB können im Zusammenhamng mit einem Flurbereinigungsverfahren unabhängig von einem möglichen Nachteil iSv § 51 FlurbG geltend gemacht werden. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger 492,54 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2015 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens haben der Kläger 19/20 und die Beklagte 1/20 zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 684 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klage ist als Leistungsklage zulässig.
Der Kläger macht mit seinem Hauptantrag I einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch geltend. Er begehrt die Wiederherstellung seiner Wässerleitung, die die TG im Zuge des Brückenbaus beschädigt bzw. entfernt und ihn damit in seinem Eigentum verletzt hat. Bedenken dagegen, dass der Kläger hierfür Klage zum Flurbereinigungsgericht erhebt, bestehen nicht. Nach § 140 Satz 1 Alt. 3 FlurbG entscheidet das Flurbereinigungsgericht über alle Streitigkeiten, die durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufen werden und vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Schlussfeststellung anhängig geworden sind. Dies ist der Fall, wenn die Streitigkeit bei verständiger Würdigung des Einzelfalls durch ein Flurbereinigungsverfahren veranlasst worden ist (Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 140 Rn. 6). Daran besteht vorliegend kein Zweifel. Die Neugestaltung der Gemeindeverbindungsstraße K. – St. durch die beklagte TG ist Bestandteil des mit Bescheid des ALE vom 15. Januar 2008 genehmigten Plans nach § 41 FlurbG. Darin sind unter anderem ein Abbruch des ehemaligen Brückenbauwerks und eine entsprechende Neuerrichtung der Brücke vorgesehen. Im Zusammenhang mit dem Vorausbau erfolgten – insoweit zwischen den Beteiligten auch unstreitig – die vom Kläger beanstandeten Einwirkungen auf die Rohrleitung. Für eine derartige durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufene Streitigkeit sind der Verwaltungsrechtsweg und die sachliche Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts gegeben (siehe BVerwG, U.v. 27.11.1987 – 5 B 54.86 – Buchholz 424.01 § 140 FlurbG Nr. 4 = RzF 26 zu § 140).
Richtige Klageart ist die allgemeine Leistungsklage. Klageziel ist die Wiederherstellung der Rohrleitung von der Auslaufstelle bis zum Beginn der Hauswiese Flurstück 1680. Der Kläger wendet sich nicht gegen den Brückenbau an sich, wie er im Plan nach § 41 FlurbG als Bestandteil des Flurbereinigungsplans (§ 58 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) vorgesehen ist. Ein Verwaltungsakt steht damit nicht im Raum, so dass ein Widerspruchsverfahren und gegebenenfalls eine Verpflichtungsklage auf Änderung des Flurbereinigungsplans nicht in Betracht kommen (§ 140, § 141, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 42 Abs. 1 VwGO). Im Streit steht vielmehr die Frage, ob die Einwirkungen der Beklagten auf die Rohrleitung des Klägers in rechtswidriger Weise erfolgt sind und sie deshalb zur Wiederherstellung verpflichtet ist. Widersetzt sich dem – wie hier – die TG als Bauherrin des Vorausbaus (§ 42 FlurbG), so ist das auf eine entsprechende Verurteilung zielende Begehren mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen (BVerwG, U.v. 10.11.1993 – 11 C 22.92 – RdL 1994, 95).
II. Die mithin zulässige Klage ist aber nur begründet, soweit der Kläger mit dem Klageantrag II die Erstattung der ihm entstandenen Rechtsverfolgungsaufwendungen geltend macht. Mit dem Hauptbegehren, die Beklagte zu verurteilen, die von ihr entfernte Wässerleitung wieder herzustellen, war die Klage abzuweisen. Richtige Anspruchsgegnerin ist die Teilnehmergemeinschaft, die das Flurbereinigungsverfahren einschließlich des Vorausbaus durchführt und den Flurbereinigungsplan erstellt (siehe hierzu Linke in Linke/Mayr, AGFlurbG, Art. 2 Rn. 3). Öffentlich-rechtliche Abwehr- und (Folgen-)Beseitigungsansprüche sind grundsätzlich gegen den Rechtsträger geltend zu machen, durch dessen hoheitliche Maßnahmen das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum verletzt wird (BVerwG, U.v. 27.11.1987 a. a. O.).
1. Der mit Klageantrag I geltend gemachte öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch steht dem Kläger nicht zu.
a) Ein Folgenbeseitigungsanspruch wird in Literatur und Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B.v. 27.5.2015 – 7 B 14.15 – juris; U.v. 6.9.1988 – 4 C 26.88 – BVerwGE 80, 178 = BayVBl 1989, 52; U.v. 19.7.1984 – 3 C 81.82 – BVerwGE 69, 366 = BayVBl 1985, 54; BayVGH, U.v. 24.9.1998 – 13 A 96.3515 – RdL 1999, 39 = RzF 9 zu § 142 Abs. 2; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2013, § 113 Rn. 28 ff.) anerkannt, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand entstanden ist, der andauert. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht ursprünglich nur einen Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen eines vollzogenen und nach Vollzug auf eine Anfechtungsklage hin aufgehobenen Verwaltungsakts anerkannt hatte, entwickelte es seine Rechtsprechung dahin, dass ein Folgenbeseitigungsanspruch seine Grundlage im Bundesverfassungsrecht hat und dass er bei allen Amtshandlungen besteht, die rechtswidrige Folgen nach sich gezogen haben (BVerwG U.v. 19.7.1984 a. a. O.). Danach kann auch schlichthoheitliches Behördenhandeln einen Eingriff darstellen; als „hoheitlich“ sind Realakte in der Regel dann zu qualifizieren, wenn sie in einem öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhang stehen. Inhaltlich ist der Anspruch auf die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines Tuns oder Unterlassens der vollziehenden Gewalt durch einen Ausgleich in natura gerichtet. Das bedeutet in der Regel, dass der vor der Vornahme der Amtshandlung bestandene Zustand wieder herzustellen ist, wobei in bestimmten Fällen eine Geldzahlung in Betracht kommen kann. Für ein Flurbereinigungsverfahren gilt das gleichermaßen (BVerwG, U.v. 6.10.1960 – I C 31.59 – RzF 5 zu § 68 Abs. 1 Satz 1 = Buchholz Art. 14 GG Nr. 45). Der von einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln Betroffene hat einen Anspruch auf Beseitigung der dadurch entstandenen tatsächlichen Folgen. Die Behörde muss auch hier primär versuchen, den dem Gesetz entsprechenden Zustand herzustellen.
b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Unstreitig hat die Beklagte zwar die vom Kläger geschilderten Veränderungen an der Rohrleitung vorgenommen bzw. Teile davon entfernt. Wie dargelegt, kann ein solches schlichthoheitliches Behördenhandeln grundsätzlich einen hoheitlichen Eingriff darstellen. Auch ein öffentlich-rechtlicher Planungs- und Funktionszusammenhang besteht, weil die Beklagte im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens tätig geworden ist. Ebenso unstreitig steht die Wässerleitung durch die gemeindlichen Straßengrundstücke FlNr. 1658 und 1696 als sogenannter Scheinbestandteil des Straßengrundstücks im Sinn von § 95 BGB im privaten Eigentum des Klägers. Am Vorliegen eines subjektiven Rechts bestehen deshalb keine Zweifel.
Zum Vorausbau war die Beklagte berechtigt. Gemäß § 42 Abs. 1 FlurbG sind die gemeinschaftlichen Anlagen von der Teilnehmergemeinschaft herzustellen. Soweit der Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan (§ 41 FlurbG) für sie festgestellt ist, können die Anlagen auch schon vor der Ausführung des Flurbereinigungsplans gebaut werden. Wenn mit Einwendungen nicht zu rechnen ist oder Einwendungen nicht erhoben oder nachträglich ausgeräumt werden, kann der Plan gemäß § 41 Abs. 4 Satz 1 FlurbG ohne vorherige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens von der oberen Flurbereinigungsbehörde genehmigt werden. Das war hier der Fall. Mit Bescheid des ALE vom 15. Januar 2008 ist der Plan nach § 41 FlurbG genehmigt worden. Die öffentlich-rechtliche Wirkung der Plangenehmigung unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der der Planfeststellung. Die Plangenehmigung übernimmt nämlich die Zulassungsfunktion der Planfeststellung nach § 41 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 1 FlurbG (Mayr in Wingerter/Mayr, a. a. O., § 41 Rn. 24, § 42 Rn. 4 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 14.11.2012 – 9 C 13.11 – BVerwGE 145, 87 = NVwZ 2013, 739 = RdL 2013, 124). Mit der Plangenehmigung wird damit gleichzeitig der Vorausbau nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG zulässig. Da insbesondere der Kläger sich nicht gegen den Ausbau als solches gewendet und keine Einwendungen erhoben hatte, bestand ferner nicht die Notwendigkeit einer Anordnung nach § 36 FlurbG.
Mit dem im Jahr 2008 begonnenen Vorausbau hat die Beklagte nicht in rechtswidriger Weise auf das Recht zugegriffen, weil die Ausleitung aus dem Mühlgraben nach wie vor sichergestellt ist. Das neue Ausleitungsbauwerk erfüllt denselben Zweck wie die ursprüngliche Wässerleitung des Klägers.
Weitergehende Rechte ergeben sich auch nicht aus der Dienstbarkeit, die der Kläger am 27. Oktober 1997 mit dem Markt T. vereinbart hatte. Diese regelt nur ein Bewässerungsrecht. Wie schon der Wortlaut mit der Bezeichnung „Wässerungsleitung“ zeigt, sollte mit der Grunddienstbarkeit allein die Bewässerung sichergestellt werden. Im Einzelnen ist in Nr. C.2.b) und g) dargelegt, dass durch die gemeindlichen Straßengrundstücke FlNrn. 1696 und 1658 eine private Wässerungsleitung verläuft, welche über die klägerischen Grundstücke FlNrn. 1680 (Hauswiese), 1662 (Mühlgraben) und 1692/5 in den Wässergraben FlNr. 1681 des Klägers mündet. Zur Sicherung dieses Rechts wird die Eintragung einer Dienstbarkeit bewilligt. Dem Kläger wird das Recht eingeräumt, die Leitung auf seine Kosten im betreffenden Straßengrundstück zu belassen, zu unterhalten und zu erneuern sowie das jeweilige dienende Grundstück zum Zwecke der Instandhaltung, des Betriebs und der Erneuerung der Leitung zu betreten und Arbeiten jeder Art vorzunehmen. Der Markt T. verpflichtet sich, keine Einwirkungen vorzunehmen, die den Bestand der Leitung beeinträchtigen oder gefährden bzw. den Berechtigten am Betrieb der Leitung hindern. Hieraus ergibt sich, dass sich die Dienstbarkeit nur mit der Bewässerung der dahinterliegenden Grundstücke und der Einleitung in den Graben FlNr. 1681 befasst. Weitergehende Rechte, die die TG im Flurbereinigungsverfahren zu beachten hätte, wurden dem Kläger nicht eingeräumt.
Zwar trägt der Kläger vor, seine Wässerleitung werde auch dazu genutzt, den Mühlgraben für Unterhaltungsarbeiten wasserarm zu machen. Insoweit enthält aber weder die Vereinbarung mit dem beigeladenen Markt eine ausdrückliche Regelung oder dahingehende Anhaltspunkte noch bestätigen das die beim Augenschein vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisse. Die dortigen Feststellungen haben ergeben, dass der Graben Flurstück 1681 vollständig bewachsen ist. Ferner hat der Kläger angegeben, die Anlage sei nur bis Mitte bzw. Ende der 50er Jahre in Betrieb gewesen; unterhalb des Rohreinlasses sei das Wasser bei Bedarf aufgestaut worden. Er selbst sei seit Beginn der 80er Jahre wieder auf dem Anwesen und habe seither die Rohrleitung nicht mehr verwendet. Auch Unterhaltungsmaßnahmen habe er seither nicht durchgeführt. Zu etwaigen Unterhaltungszwecken hat sich der Kläger im gesamten Verfahrensverlauf nicht geäußert, sondern erst im Jahr 2015 erwähnt, dass die Rohrleitung auch zur Unterhaltung des Mühlgrabens dienen solle. Eine solche Nutzung ist auch in der Dienstbarkeit nicht vorgesehen. Inhalt dort ist allein die Bewässerung.
Bei dieser Sachlage durfte die Beklagte davon ausgehen, dass dem Wässerrecht des Klägers Rechnung getragen wird, wenn die ursprüngliche Wässerleitung entfernt und stattdessen eine neue Ausleitungsmöglichkeit geschaffen wird. Dementsprechend hat die Beklagte in das grundbuchrechtlich gesicherte Wässerrecht und in das Eigentum nicht rechtswidrig eingegriffen, als sie die bisherige Rohrleitung durch das neu geschaffene Ausleitungsbauwerk unterhalb der Brücke ersetzt hat. Dabei wurde im Zuge der Baumaßnahmen in der Brücke ein neues Auslassrohr aus dem Mühlgraben gebaut, um das Mühlgrabenwasser in den Graben Flurstück 1681 überleiten zu können. Die für die Benutzung des Brückenbauwerks durch den Kläger noch erforderliche Änderung der Dienstbarkeit ist nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung im Flurbereinigungsplan vorgesehen. Dem Kläger zufolge ist eine entsprechende Regelung auch bereits im notariellen Tauschvertrag vom 4. August 2010 getroffen worden.
Zudem durfte die Beklagte unter den vorgegebenen Umständen, insbesondere aufgrund des tatsächlichen Geschehensablaufs, beim Bau der Brücke über den Mühlgraben im Jahr 2008 zugrunde legen, dass der Kläger mit der Errichtung eines neuen Ausleitungsbauwerks unter gleichzeitigem Wegfall seiner alten Rohrleitung einverstanden war. Dafür, dass nach dem Abbruch des Brückenbauwerks die Rohrleitung des Klägers unverändert zusätzlich zum neu zu errichtenden Auslaufbauwerk beibehalten werden sollte, waren keinerlei Anhaltspunkte vorhanden. Insbesondere weil die Dienstbarkeit nur ein Bewässerungsrecht und keine weitergehenden Rechte ausdrücklich beinhaltete, wäre eine Klarstellung Sache des Klägers gewesen. Dies gilt umso mehr, als er unstreitig darüber informiert war, dass das Aquädukt, über das die Wässerungsleitung ursprünglich verlief, abgerissen ist. Auf seine Bitte hin fand sogar am 15. Oktober 2008 ein Ortstermin statt, bei dem auch im Einzelnen über die Planungen der TG zu einem Ausleitungsbauwerk an der Brücke gesprochen wurde. Die Tatsache, dass über ein neu zu errichtendes Bauwerk diskutiert wurde, stellte für den Kläger ein „Warnsignal“ dar. Spätestens ab diesem Zeitpunkt musste ihm klar gewesen sein, dass die Ableitung so, wie sie bisher durchgeführt wurde, in Zukunft nicht mehr erfolgen kann. Wenn im Beisein des Klägers über verschiedene Varianten zur zukünftigen Ableitung des Mühlgrabenwassers diskutiert wurde, wäre es an ihm gelegen, darauf hinzuweisen, dass er zusätzlich vom Fortbestand seiner Rohrleitung ausgehe und diese auch für andere Zwecke benötige. Der Kläger hingegen hat sich zum Fortbestand seiner alten Leitung nicht geäußert. In dieser Situation konnte sein Schweigen nicht anders als ein Einverständnis damit verstanden werden, dass ein neues Ausleitungsbauwerk geschaffen wird und deshalb seine Rohrleitung entfallen kann. In einer weiteren Besprechung am 10. November 2008 auf Initiative des damaligen Klägerbevollmächtigten wurde sogar nochmals explizit festgehalten, dass die Zuleitung zum Wässergraben geändert und völlig neu gebaut werde. Zudem bekräftigte der Vorsitzende im Telefonat mit dem Bevollmächtigten des Klägers am 19. April 2010 erneut, dass die TG kein Auslaufbauwerk errichten werde. Die Errichtung eines kleinen Stauwehrs und eine Wasserentnahme seien aber für den Kläger ohne großen Aufwand und nur durch geringe Eigenmittel möglich.
An diesem Ergebnis vermag auch die weitere Entwicklung beim zweiten Bauabschnitt im Jahr 2015 nichts zu ändern. Zwar berief sich der Kläger mit Schreiben vom 17. Juni 2015 an die Beklagte auf sein Wässerrecht und forderte die Wiederherstellung der alten Leitung. Ab diesem Zeitpunkt war damit offensichtlich, dass der Kläger ein grundbuchrechtlich gesichertes Recht in größerem Umfang als dargelegt für sich beanspruchte. Das aber führt nicht dazu, dass die Beklagte deshalb zur Wiederherstellung der Leitung verpflichtet wäre. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kann nicht grenzenlos geltend gemacht werden, sondern unterliegt wie jeder sonstige Anspruch auch dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Er entfällt, wenn sich seine Verwirklichung als eine unzulässige Rechtsausübung darstellen würde (BVerwG, U.v. 6.9.1988 – 4 C 26.88 – BVerwGE 80, 178 = BayVBl 1989, 52). Das ist hier der Fall, wenn der Kläger begehrt, dass die Ausleitungsrohre genauso wieder verlegt werden, wie sie ursprünglich verliefen. Denn die Ausleitung aus dem Mühlgraben – insoweit Gegenstand der Dienstbarkeit – ist jedenfalls nach wie vor sichergestellt und das neue Ausleitungsbauwerk erfüllt denselben Zweck wie die ursprüngliche Wässerleitung des Klägers. Insbesondere weil die Beklagte mit dem im Jahr 2008 begonnenen Vorausbau nicht in rechtswidriger Weise auf das Recht zugegriffen hat und dem Vorausbau zugrunde legen durfte, dass der Kläger mit der Errichtung eines neuen Ausleitungsbauwerks unter gleichzeitigem Wegfall seiner alten Rohrleitung einverstanden war, ist ein dahingehendes Verlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich. Er hat sich zum Fortbestand seiner alten Leitung nicht geäußert, obgleich ihm die Dienstbarkeit nur ein Bewässerungsrecht einräumte, er darüber informiert war, dass das Aquädukt entfallen ist, und im Ortstermin am 15. Oktober 2008 im Einzelnen über die Planungen der TG zu einem Ausleitungsbauwerk an der Brücke gesprochen wurde. Unter diesen Voraussetzungen führt die unter Beachtung des Gebots von Treu und Glauben vorzunehmende Abwägung dazu, dass der Beklagten die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zumutbar ist (siehe zu Treu und Glauben auch BGH, U.v. 18.7.2008 – V ZR 171/07 – NJW 2008, 3123). Die Wiederherstellung gestaltet sich in diesem fortgeschrittenen Stadium der Bauarbeiten wesentlich schwieriger. In der Konsequenz müssten jetzt nämlich die bereits hergestellte Straße und die Brücke zumindest teilweise wieder geöffnet werden, um die Verrohrung einbauen zu können. Das wäre unverhältnismäßig. Dabei kann offen bleiben, ob dem Kläger, wie von ihm vorgetragen, die Einwirkungen auf seine Wässerleitung bis zu deren Freilegung im Jahr 2015 unbekannt waren. Nicht deutlich ist in diesem Zusammenhang zwar, weshalb die Beklagte dem Kläger einen Kostenvoranschlag betreffend die Erneuerung der Wässerleitung zugeleitet hat. Angesichts obiger Darlegungen kann aber letztendlich auch dahingestellt bleiben, ob und warum er damit zur Wiederherstellung der Rohrleitung auf eigene Kosten aufgefordert werden sollte.
Die Klage war deshalb insoweit abzuweisen, weil ein Anspruch des Klägers auf Wiederherstellung seiner Wässerleitung nicht besteht. Die beklagte TG hat vielmehr zu Recht angenommen, dass die Belange des Klägers mit einem Leitungsersatz ausreichend berücksichtigt sind.
2. Dem Kläger steht aber ein Anspruch auf Ersatz seiner Rechtsverfolgungskosten gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu (Klageantrag Nr. II). Dieser kann gemäß § 140 FlurbG ebenfalls vor dem Flurbereinigungsgericht geltend gemacht werden, auch wenn über bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten grundsätzlich die Zivilgerichte entscheiden. Vorliegend ergibt sich der Anspruch – auch wenn er letztendlich auf § 823 BGB gestützt ist – aus einem Flurbereinigungsverfahren. Streitgegenständlich sind die Folgen eines (rechtswidrigen) Eingriffs in ein subjektives Recht des Klägers im Rahmen des Vorausbaus. Insoweit stehen die Folgen des Eingriffs, der Anspruch auf Schadensersatz und derjenige auf Wiederherstellung, in untrennbarem Zusammenhang. Maßgebend kommt es in beiden Fällen auf die Frage an, ob der Vorausbau in rechtswidriger Weise erfolgt ist. Damit verbleibt es auch für die neben der Wiederherstellung begehrte Erstattung der Rechtsverfolgungskosten bei der Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts nach § 140 FlurbG (siehe auch Mayr in Wingerter/Mayr, a. a. O., § 140 Rn. 8).
Mangels gegenteiliger Regelung im Flurbereinigungsgesetz sind Ansprüche aus § 823 BGB nicht ausgeschlossen. Insbesondere können sie unabhängig von einem möglichen Nachteil im Sinn von § 51 FlurbG geltend gemacht werden.
Nach § 823 Abs. 1 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Zwar hat die Beklagte nach obigen Erläuterungen zu Beginn des Vorausbaus im Jahr 2008 kein subjektives Recht des Klägers widerrechtlich verletzt, weil die Grunddienstbarkeit nur ein Bewässerungsrecht sicherte und diesem mit der Errichtung eines funktionsgleichen Auslaufbauwerks Rechnung getragen ist. Die Situation stellte sich aber im Jahr 2015 anders dar, auch wenn der Beklagten nach obigen Darlegungen die Wiederherstellung der Leitung zu diesem späten Zeitpunkt nicht mehr zuzumuten ist.
Das ergibt sich aus dem nachfolgenden Geschehensablauf. Nachdem bei der Freilegung im Mai/Juni 2015 festgestellt worden war, dass der ehemalige Bewässerungskanal nicht mehr beibehalten werden könne, teilte die beklagte TG dies dem Kläger mit Schreiben vom 17. Juni 2015 mit. Unter Beifügung eines Angebots zur Erneuerung der Wässerleitung wurde um Antwort bis 3. Juli 2015 gebeten, ob eine Erneuerung gewünscht werde oder ob die Leitung von der TG entfernt werden könne. Der Kläger führte seinerseits mit Schreiben vom 17. Juni 2015 aus, dass ihm die Einwirkungen auf seine Wässerleitung bis zu deren Freilegung im Jahr 2015 unbekannt gewesen seien, und er forderte die Wiederherstellung der alten Leitung. Das bekräftigte er nochmals mit Schreiben vom 29. Juni 2015 und begehrte erneut die lückenlose Wiederherstellung der Wässerleitung unter Kostenlast und im Auftrag der TG. Unter der Prämisse, dass die bis zum 3. Juli 2015 gesetzte Frist ohne Einigung verstrichen sei, teilte die beklagte TG dem Kläger mit Schreiben vom 6. Juli 2015 mit, dass die Wässerleitung ab dem Folgetag ausgebaut werde.
Dieser tatsächliche Ausbau am Folgetag war rechtswidrig. Im Gegensatz zu seinen vorherigen Einlassungen machte der Kläger nämlich nun erstmals mit Schreiben vom 17. Juni 2015 und erneut mit Schreiben vom 29. Juni 2015 deutlich, dass er mit dem Wegfall der Wässerleitung nicht einverstanden und sie deshalb in ihrem ursprünglichen Bestand wiederherzustellen sei. Auch wenn die TG beim Ausbau zunächst noch davon ausgehen konnte, dass das Wässerrecht des Klägers mit der geschaffenen Ersatzableitung gewahrt werde, war dies ab seinen Schreiben vom 17. und 29. Juni 2015, in denen er sich ausdrücklich einem Entfall der Leitung widersetzt, nicht mehr möglich. Der Kläger hat innerhalb der ihm bis zum 3. Juli 2015 gesetzten Frist in zwei Schreiben eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er auf dem Fortbestand seines Leitungsrechts in der ursprünglichen Form bestehe. Ungeachtet dieses Widerspruchs hat die beklagte TG die Leitung am 7. Juli 2015 ohne eine vorherige Anordnung nach § 36 FlurbG entfernen lassen. Das geschah angesichts der unmissverständlichen Schreiben des Klägers in rechtswidriger Weise, weil sie im Gegensatz zu den Ausbaumaßnahmen ab dem Jahr 2008 nun nicht mehr ohne weiteres davon ausgehen konnte, mit der Ersetzung der Leitung wäre den Belangen des Klägers vollständig entsprochen. Angesichts des zeitlichen Ablaufs und des rechtzeitigen Widerspruchs des Klägers ist der sofortige Ausbau am 7. Juli 2015 auch fahrlässig geschehen, wobei die TG gemäß §§ 89, 31 BGB für ihre Organe haftet.
Gemäß § 249 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs verursachten Kosten (Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 249 Rn. 56). Es besteht insoweit als Teil des Schadensersatzanspruches ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch. Gegen den vom Kläger angesetzten Gegenstandswert und die sich hieraus ergebende Höhe der Rechtsverfolgungskosten bestehen keine Bedenken. Nachdem der Kläger im Schreiben an die TG vom 17. Juni 2015 Frist zur Erstattung des Rechtsverfolgungsaufwands bis zum 15. Juli 2015 gesetzt hatte, fallen gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an.
3. Der Klage war deshalb hinsichtlich des in Nr. II geltend gemachten Erstattungsbegehrens stattzugeben und im Übrigen kostenpflichtig abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 und 2 FlurbG, § 155 Abs. 1 VwGO. Es bestand keine Veranlassung, die Erstattung der Aufwendungen des Beigeladenen anzuordnen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.