IT- und Medienrecht

Wunsch nach Wiederannahme des früheren Vornamens

Aktenzeichen  W 6 K 17.4

Datum:
24.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
NÄG NÄG § 1, § 3, § 11
BVFG BVFG § 94
BGB BGB § 119, § 123

 

Leitsatz

1 Ein wichtiger, eine Namensänderung rechtfertigender Grund liegt dann vor, wenn das Interesse des Namensträgers an der Namensänderung nach allgemeiner Rechtsauffassung schutzwürdig ist, dh, wenn seine Gründe, anstelle seines Namens künftig einen anderen zu führen, so wesentlich sind, dass die Belange der Allgemeinheit dem gegenüber zurücktreten müssen.  (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Soll ein Vorname geändert werden, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens etwas geringer zu bewerten als bei der Änderung des Familiennamens, der im weitergehenden Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Sollen angegebene soziale oder psychische Schwierigkeiten noch die Kriterien eines wichtigen Grundes erfüllen und die Vornamensänderung nicht der Beliebigkeit aussetzen, so muss die gewünschte Namensänderung unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sein. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Bescheid des Landratsamts M.-S. vom 2. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Änderung seines Vornamens „T“ in „V“ (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Ein wichtiger Grund i. S. d. § 3 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NÄG) liegt nicht vor. Die privaten Interessen des Klägers überwiegen nicht das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisher geführten Vornamens. Eine hinreichend psychische Belastung des Klägers durch die derzeitige Namensführung oder sonstige gewichtigen Gründe für die Namensänderung sind nicht erkennbar.
1. Nach § 1 NÄG kann der Familienname eines deutschen Staatsangehörigen auf Antrag geändert werden. Nach § 3 Abs. 1 NÄG darf der Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Die hierfür erheblichen Umstände sind von Amts wegen festzustellen; dabei sollen insbesondere außer den unmittelbar Beteiligten die zuständige Ortspolizeibehörde und solche Personen gehört werden, deren Rechte durch die Namensänderung berührt werden (§ 3 Abs. 2 NÄG). Nach § 11 NÄG finden §§ 1 bis 3 NÄG auch auf die Änderung von Vornamen Anwendung mit der Maßgabe, dass die Entscheidung der unteren Verwaltungsbehörde zusteht.
Das Namensrecht ist grundsätzlich durch die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Rechts umfassend und abschließend geregelt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung aufgrund des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NÄG) dient dazu, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen. Sie hat Ausnahmecharakter. Dem entsprechend lässt § 3 Abs. 1 NÄG eine Änderung des Familiennamens bzw. Vornamens nur zu, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Der Begriff des „wichtigen Grundes“ ist im Gesetz nicht näher erläutert, jedoch handelt es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, so dass die Entscheidung der Behörde, ob ein wichtiger Grund i.S.d. § 3 NÄG vorliegt, von den Verwaltungsgerichten in vollem Umfang nachgeprüft werden muss. Ob die für die Namensänderung vorgebrachten Gründe als wichtig i.S.d. Gesetzes anzusehen sind, hängt im Einzelfall von objektiven Merkmalen ab. Grundsätzlich hat der Einzelne den ihm überkommenen Namen in der gewordenen und übernommenen Form zu führen, so dass eine Änderung eine Ausnahme zu bilden hat. Ein wichtiger, eine Namensänderung rechtfertigender Grund liegt dann vor, wenn das Interesse des Namensträgers an der Namensänderung nach allgemeiner Rechtsauffassung schutzwürdig ist, d.h., wenn seine Gründe, anstelle seines Namens künftig einen anderen zu führen, so wesentlich sind, dass die Belange der Allgemeinheit dem gegenüber zurücktreten müssen, die vor allem in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens (Identifizierung und Individualisierung des Namensträgers) und im sicherheitsrechtlichen Interesse an der Führung des überkommenen Namens augenscheinlich werden. Bei der Prüfung des wichtigen Grundes ist also das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an dem Namenswechsel abzuwägen gegen die Interessen sämtlicher von der Namensänderung betroffener Personen und gegenüber den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommenen Grundsätzen der Namensführung. Ergibt die vorzunehmende Gewichtung ein Überwiegen des schutzwürdigen Interesses des Antragstellers an der Änderung des Familien- bzw. Vornamens und liegt somit ein wichtiger Grund für die Namensänderung vor, so ist dem Antrag in der Regel stattzugeben (vgl. NamÄndVwV Nrn. 27, 29, 31).
Soll ein Vorname geändert werden, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens etwas geringer zu bewerten als bei der Änderung des Familiennamens, der im weitergehenden Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient. Das folgt daraus, dass die soziale Ordnungsfunktion des Nachnamens stärker hervortritt als diejenige des Vornamens. Letzterer dient der Unterscheidung mehrerer Träger desselben Nachnamens insbesondere in der Familie und hat eine stärker auf die Individualität der Person bezogene Bedeutung. Das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des einmal beigelegten Vornamens (Namenskontinuität) ist jedoch auch in Bezug auf Vornamen zu sehen und besteht darin, den Namensträger zu kennzeichnen und sein Verhalten auch in Zukunft ohne weitere Nachforschung zurechnen zu können (BVerwG, U.v. 26.03.2003 – 6 C 26/02 – juris).
2. Die vom Kläger vorgebrachten Gründe für die Vornamensänderung sind nicht hinreichend gewichtig im Sinne des § 11 i. V. m. § 3 Abs. 1 NÄG. Im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des Vornamens und dem Ausnahmecharakter der Namensänderung, ist ein überwiegendes persönliches Interesse des Klägers an der Namensänderung nicht feststellbar.
2.1 Der erhobenen Klage und dem geltend gemachten Anspruch steht nicht bereits entgegen, dass der Kläger bzw. dessen Eltern mit Wirkung ab 21. März 2000 eine Erklärung zur Namensangleichung nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 und 3 des Bundesvertriebenengesetztes – BVFG (i.V.m. §§ 43, 47 Personenstandsgesetz – PStG, Art. 47 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch – EGBGB) abgegeben haben. Nach § 94 BVFG können Spätaussiedler, deren Ehegatten und Abkömmlinge, die Deutsche i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG sind, durch Erklärung gegenüber dem Bundesverwaltungsamt im Verteilungsverfahren oder dem Standesamt 1.) Bestandteile des Namens ablegen, die das deutsche Recht nicht vorsieht, … 3.) eine deutschsprachige Form ihres Vor- und Familiennamens annehmen; gibt es eine solche Form des Vornamens nicht, so können sie neue Vornamen annehmen. Die Erklärungen sind öffentlich zu beglaubigen oder zu beurkunden (§ 94 Abs. 2 BVFG). Zweck der Regelung ist es, für den genannten Personenkreis aus Integrationsgründen eine erleichterte Umwandlung ihres Namens in die in Deutschland üblichen Namensformen zu ermöglichen (s. Verwaltungsvorschrift zum BVFG vom 1.1.2016, GMBl. 2016,118). Zwar handelt es sich bei § 94 BVFG um eine abschließende Regelung, mit der die Namensführung verbindlich und unwiderruflich festgelegt wird, dies schließt jedoch eine (spätere) Namensänderung nach dem NÄG nicht aus (OLG München, B. v. 23.11.2006 – 31 Wx 72/06; VG Düsseldorf, U. v. 18.02.2011 – 24 K 1249/10 – juris; VG Würzburg, U. v. 20.2.2013 – W 6 K 11.551 – juris).
2.2. Ein wichtiger Grund entsprechend einer in den Nrn. 28 bis 32 NamÄndVwV genannten typischen Fallgestaltungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine Namensänderung, die auch auf Vornamen entsprechend anwendbar sind (Nr. 62 NamÄndVwV), ist vorliegend nicht gegeben. Auch die vom Kläger genannten Gründe greifen nicht durch. Im Einzelnen:
2.2.1 Soweit sich der Kläger auf „große Schwierigkeiten mit zwei Namen“ und auf „Identifikationsprobleme“ („verbindet mit dem Namen Herkunft und Identität“) und damit auf eine seelische Belastung durch die Namensführung beruft, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dies als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn dieser unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist (BVerwG, U.v. 02.10.1970 – Buchholz 402.10, § 3 NÄG Nr. 30; B.v. 17.03.1987 – Buchholz 402.10, § 3 NÄG Nr. 59). Voraussetzung ist nicht, dass die seelische Belastung bereits den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat und stationärer oder ambulanter, gegebenenfalls medikamentöser Behandlung bedarf, die Namensänderung muss aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, die Risikofaktoren für den Eintritt einer behandlungsbedürftigen Krise zu reduzieren (OVG Hamburg, U.v. 14.09.2010 – 3 BF 207/08 – DVBl. 2011, 59). Maßgeblich ist hierbei ein objektiver Maßstab. Sollen angegebene soziale oder psychische Schwierigkeiten noch die Kriterien eines wichtigen Grundes erfüllen und die Vornamensänderung nicht der Beliebigkeit aussetzen, so muss die gewünschte Namensänderung unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sein. Bei der Prüfung des wichtigen Grundes kann somit nicht maßgeblich sein, mit welcher Vehemenz ein Kläger beteuert, unter dem Zwang zur Führung eines bestimmten Namens zu leiden. Entscheidend ist vielmehr, ob er bei objektiver Betrachtung Grund zu der Empfindung hat, sein Name hafte ihm als Bürde an (VG Münster, U.v. 26.08.2011 – 1 K 2808/10 – juris). Des Weiteren darf die gewünschte Namensänderung auch nicht den Keim neuer Schwierigkeiten in sich tragen (Nr. 62 i.V.m. Nrn. 29 und 36, 37 NamÄndVwV), etwa durch Schwierigkeiten in der Aussprache und Schreibweise.
In der mündlichen Verhandlung hat die Bevollmächtigte des Klägers auf diesbezügliche Fragen des Gerichts angegeben, der Kläger und seine Familie seien zunächst in Thüringen gemeldet gewesen, auch außerhalb des Wohnheims. Im Jahr 2000 seien sie dann nach Z gezogen und hätten einige Jahre später in R ein Haus erworben. Der Kläger habe in Z die Grund- und Hauptschule besucht und habe anschließend eine Ausbildung als Maschinentechniker gemacht hat. In der Schule und auch in der Ausbildung sei der Kläger mit dem Vornamen „T“ geführt und auch so genannt worden. Innerhalb der Familie werde der Kläger „V“ genannt. In R lebten seine Großeltern, seine Geschwister und ein Bruder seines Vaters. Die künftige Ehefrau des Klägers sei ebenfalls Spätaussiedlerin. Wie diese den Kläger rufe, wisse sie allerdings nicht. Sie habe im Vorfeld der heutigen Verhandlung den Kläger gebeten, zum Arzt zu gehen und sich bestätigen zu lassen, dass er unter dem jetzigen Vornamen leide. Ob er dem nachgekommen sei, wisse sie jedoch nicht. Sie habe auch keine Kenntnis davon, auf welche Art sich ein Leidensdruck des Klägers äußere. Der Beklagtenvertreter erklärte, anlässlich der Vorsprache des Klägers im Landratsamt habe er diesem Beispiele für eine Namensänderung genannt, u. a. auch das Beispiel „seelische Probleme“. Auch ihm gegenüber habe der Kläger hierzu keine Angaben gemacht.
Zwar stünden Schwierigkeiten in Schreibweise und Aussprache des Vornamens „V“ sowie dessen fremdsprachlicher Ursprung der begehrten Namensänderung nicht entgegen (siehe Nr. 37 NamÄndVwV), ebenso nicht Belange anderer Personen oder sicherheitsrechtliche Interessen (kein Eintrag des Klägers im Schuldnerverzeichnis oder sonstige Erkenntnisse der Polizei über eine Straffälligkeit). Die dargestellten Gründe erfüllen jedoch nicht die Anforderungen an einen hinreichend gewichtigen Grund zur Vornamensänderung infolge einer seelischen Belastung.
Dass eine seelische Belastung des Klägers durch die Vornamensführung besteht, erschöpft sich in der bloßen Behauptung. Es fehlt jegliche Substantiierung, wie sich eine solche Belastung beim Kläger zeigt, ob er z. B. sozialem Druck wegen seiner Namensführung ausgesetzt ist. Allein das Hören auf zwei Vornamen ist ein weit verbreitetes Phänomen (z. B. Spitznamen, Abkürzungen von Vornamen). Inwieweit daraus eine übermäßige Belastung des Klägers oder ein besonderer sozialer Druck auf den Kläger erfolgt, ist mangels Substantiierung nicht erkennbar. Der Kläger hat offenbar den Wunsch, seine Herkunft durch seinen Vornamen aufzuzeigen. Anhaltspunkte für ernsthafte Identitätsprobleme sind jedoch nicht erkennbar. Zwar war der Kläger bereits sieben Jahre alt, als sein Name geändert wurde, so dass damals davon ausgegangen werden konnte, dass der Kläger sich mit seinem Namen bereits identifiziert hatte. Nicht außer Acht gelassen werden kann jedoch, dass der Kläger bis zu seinem Antrag auf Namensänderung weitere 16 Jahre mit dem neuen Namen gelebt, insbesondere seine Schul- und Ausbildungszeit absolviert hat. Der Kläger hat die Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung seinen Vortrag diesbezüglich zu ergänzen – trotz ordnungsgemäßer Ladung – nicht genutzt.
2.2.2 Dass die Erklärung der Eltern des Klägers gegenüber dem Standesamt M zur Änderung seines Vornamens unter „Druck“ und „Zwang“ der damaligen Spätaussiedlerbetreuerin erfolgt sein soll, wird weder schlüssig vorgetragen, noch wäre dies allein – selbst bei unterstellter Nachweisbarkeit – als wichtiger Grund für die begehrte Namensänderung ausreichend, da hierfür die gesamten Umstände, insbesondere die heutige Befindlichkeit des Klägers mit seinem derzeitigen Vornamen und die seit der Namensänderung verstrichene Zeit, insbesondere seit der Volljährigkeit des Klägers (seit 22.2.2011), in den Blick zu nehmen sind. Das Gericht hat deshalb eine Zeugeneinvernahme der Mutter nicht für erforderlich gehalten. Dass die Eltern des Klägers rechtlich relevantem „Zwang“ oder „Druck“ ausgesetzt gewesen wären, wird bereits nicht schlüssig vorgetragen. Zwar wird dies von der Mutter des Klägers behauptet, ohne jedoch näher zu substantiieren, in welcher Form Zwang oder Druck auf sie ausgeübt worden sein soll. Auch hat die Mutter des Klägers entgegen ihrem Vorbringen keine eidesstattliche Versicherung gegenüber dem Landratsamt abgegeben. In der Behördenakte befinden sich lediglich ein Aktenvermerk vom 16. September 2016 über die Vorsprache der Mutter beim Landrastsamt sowie die schriftliche Bestätigung der Angaben des Klägers auf dessen Schreiben vom 18. September 2016. Dass die Namensänderung gegen den Willen der Eltern des Klägers erfolgt sein soll, steht im Widerspruch zu dem Vorbringen, man habe die Spätaussiedlerbetreuerin bevollmächtigt, sämtliche Angelegenheiten, die für die Eingliederung erforderlich gewesen seien, zu erledigen und habe darauf vertraut, dass sie die Angelegenheiten zugunsten der Vollmachtgeber regeln werde. Die Ausübung von „Zwang und Druck“ auf die Eltern des Klägers bei der Vornamensänderung des Klägers wird auch von der damaligen Spätaussiedlerbetreuerin B F. in ihrer Stellungnahme vom 22. September 2016 gegenüber dem Landratsamt M.-S. nachvollziehbar in Abrede gestellt.
Selbst wenn man davon ausginge, dass infolge des Auftretens der Spätaussiedlerbetreuerin die Eltern des Klägers sich über die Erforderlichkeit der Namensänderung getäuscht hätten, wäre eine Anfechtung der Erklärung wegen Irrtums entsprechend den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 119 ff. BGB – ungeachtet der Frage der Zulässigkeit einer solchen Erklärung) deswegen damals und auch heute nicht mehr möglich, da es sich insoweit lediglich um einen unbeachtlichen und durch entsprechende Nachfragen und Informationen vermeidbaren Motivirrtum gehandelt hätte. Aus dem Hinweis, es seien seitens der Spätaussiedlerbetreuerin mehrere Namensvorschläge gemacht worden (z.B. Waldemar, Wolfgang) und man habe schließlich zum Namensvorschlag „T“ gesagt, dass „T“ besser sei wie die anderen Vornamen“, ist ersichtlich, dass bei den Eltern das Bewusstsein vorhanden gewesen war, dass sie mit ihrer Erklärung den Vornamen des Klägers ändern und sie die Wahl unter verschiedenen Vornamen haben. Die Einwand, man habe wegen des Drängens der Betreuerin und, weil man die Namensänderung für erforderlich gehalten habe, schließlich den Namen „T“ gewählt, obwohl dies aus Integrationsgründen nicht erforderlich gewesen sei, greift ebenfalls nicht durch. Der Umstand, dass die Mutter des Klägers ihre russische Staatsangehörigkeit und ihren Vatersnamen (A) behalten hat, spricht dafür, dass ein Bewusstsein vorhanden gewesen sein muss, dass ein deutscher Name für die Eingliederung nicht erforderlich ist bzw. dieser Umstand hätte zumindest Anlass dafür sein können, unmissverständlich klarzustellen, dass eine Namensänderung nicht erwünscht ist bzw. zumindest Erkundigungen über die Notwendigkeit einzuholen. Im Übrigen wäre eine solche Erklärung infolge Irrtums bzw. Zwangs (§ 123 BGB) wegen des zwischenzeitlich verstrichenen langen Zeitraums (16 Jahre seit der Namensänderung bzw. fünfeinhalb Jahre nach der Volljährigkeit des Klägers) letztlich auch nicht mehr anfechtbar. Die Anfechtung nach § 119 BGB muss ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat und ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre verstrichen sind (§ 121 Abs. 2 BGB). Die Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung kann nach § 124 Abs. 1 BGB nur binnen Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchen der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt hat, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört (§ 124 Abs. 2 BGB) und ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre verstrichen sind (§ 124 Abs. 3 BGB). Weder die Mutter des Klägers noch dieser selbst haben beim Standesamt M die Namensänderungserklärung angefochten oder sich in sonstiger Weise um eine Änderung des Namens bemüht. Der Einwand, man habe „Vorrangiges“ (Wohnung und Arbeit suchen, Geld verdienen) zu tun gehabt, greift ebenfalls nicht durch. Nach einer in der Behördenakte (Blatt 24) befindlichen Meldebescheinigung waren der Vater des Kläger (P S) und nach Angaben der Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung auch die gesamte Familie bereits am 1. Juli 2000 nach Z verzogen. Eine unterstellte Zwangssituation hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt geendet. Zwar mag sein, dass der Kläger, ebenso wie seine Familie mit alltäglichen Dingen beschäftigt gewesen waren, im Falle einer tatsächlich unter Zwang abgegebenen Erklärung hätte dann aber erwartet werden können, dass zumindest Erkundigungen über die rechtlichen Möglichkeiten, dies zu revidieren, eingeholt werden. Dem Argument, man habe nicht das Geld für die Namensänderung gehabt, kann ebenfalls kein Gewicht zugemessen werden, da mangels Erkundigungen keine Kenntnis über die Höhe der Kosten bestand. Nach der 1. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (1. FamNamÄndGDV) kann von der Erhebung einer Gebühr (Rahmen: 2,50 -1022 EUR) abgesehen werden, wenn dies nach Lage des Einzelfalles unbillig erscheint, insbesondere wenn der Antragsteller mittellos ist. Dies gilt auch bezüglich der Änderung weiterer Unterlagen (Personalausweis, Zeugnisse u. Ä.).
2.2.3 Dass in der Meldebescheinigung der VG Z der frühere Vorname des Klägers auftaucht, beruht auf der gesetzlichen Regelung des § 18 BMG, der die Angabe früherer Namen vorsieht. Als zu führender Vorname wird dort jedoch lediglich der Name „T“ angeführt.
2.2.4 Auch sonstige Gründe für die Vornamensänderung sind nicht ersichtlich, insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich der Kläger mit dem Hinweis auf seinen früheren Taufnamen auf seine religiöse Überzeugung und damit auf die in Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verbürgte Religionsfreiheit berufen will. Anerkannt ist in diesem Zusammenhang in der Rechtsprechung, dass einem Vornamen ein weiterer Vorname vorangestellt werden kann, der nach nachvollziehbaren Vorstellungen mit einer besonderen Glaubenserfahrung verbunden ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Wahl eines Vornamens aus Gründen des Übertritt zu einer Glaubenslehre vorgenommen wird, der sich in der Taufe unter Beilegung eines „Taufnamens“ manifestiert hat (BVerwG, U. v. 26.3.20003 – 6 C 26/02 – juris – Rn. 16 ff.). Vor dem Hintergrund der in Art. 4 Abs. 1 GG verbürgte Glaubensfreiheit erhält der Belang, den Taufnamen als (weiteren) Vornamen zu führen, dann ein großes Gewicht, sofern der Gläubige mit der Taufe eine sich auch im beigegebenen Vornamen manifestierende Beziehung zur religiösen Überzeugung verbindet. Entscheidend ist eine echte Glaubensüberzeugung, die der Betroffene mit der Namenswahl verbindet.
Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen nicht erkennbar. Zwar spricht der Kläger bereits bei der Antragstellung davon, dass er seinen Geburts- und Taufnamen zurück haben will und legt neben der Geburtsurkunde auch seine Taufurkunde vor. Als Gründe für die begehrte Vornamensänderung werden jedoch immer nur der (vermeintlich) auf die Eltern ausgeübte Zwang sowie seine Schwierigkeiten wegen zweier Namen bzw. Identifikationsprobleme angegeben. Religiöse Gründe werden ausdrücklich nicht benannt.
2.3 Ein wichtiger Grund für die Namensänderung ist deshalb – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das öffentliche Interesse an der Beibehaltung eines gegebenen Vornamens etwas geringer zu gewichten ist als bei Familiennamen – bei Anlegung eines objektiven Maßstabes nicht ersichtlich. Die vom Kläger angeführten Gründe für die Namensänderung sind nicht hinreichend gewichtig, um die für die Beibehaltung seines Vornamens streitenden öffentlichen Interessen zu überwiegen. Bei volljährigen Klägern bzw. Antragstellern, die typischer Weise bereits im Berufsleben, im Rechtsverkehr und gegenüber Behörden unter ihrem Vornamen aufgetreten sind, hat die Identifizierungsfunktion auch des Vornamens Gewicht. Die soziale Ordnungsfunktion des Namens als Mindestmerkmal zur Individualisierung und Identifizierung einer Person verlangt nach Kontinuität. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention, wonach eine Namensänderung nach dem NÄG einen Ausnahmefall darstellen und Unzuträglichkeiten im Einzelfall beseitigen soll, weshalb für die Namensänderung ein wichtiger Grund gefordert wird, kann auch bei etwas geringer zu gewichtendem öffentlichen Interesse an der Beibehaltung von Vornamen im vorliegenden Fall bei Gesamtbetrachtung aller Umstände letztlich kein wichtiger Grund für die Namensänderung gesehen werden (VG Würzburg, U. .v. 20.2.2013 – W 6 K 11.551 – juris; VG Stade, U. v. 26.9.2016 – 1 A 1398/15 – juris). Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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