Aktenzeichen S 2 KR 2284/16
GVG GVG § 13, § 17, § 17a, § 23, § 71
Leitsatz
Tenor
I. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Rockenhausen verwiesen.
Gründe
I.
Gegenstand der Klage ist, ob die Beklagte Auskunfts- und Leistungspflichtig gegenüber der Klägerin ist. Die Klägerin ist eine private Versicherungsgesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft mit Sitz in A-Stadt. Sie hat mit Frau D. einen privaten Auslandskrankenschutzversicherungsvertrag abgeschlossen und aus diesem Vertrag u.a. Arztrechnungen an die Versicherte erstattet, die im Ausland entstanden sind, in dem das Recht der Europäischen Union oder eine völkerrechtliches Abkommen Geltung entfaltet. Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die gesetzliche Krankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist und bei der die Mitgliedschaft der Frau D. behauptet wird, Auskunft über die gewährten Leistungen und den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Betrag nebst gesetzlicher Zinsen seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu bezahlen.
II.
Der Sozialrechtsweg ist unzulässig. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet und der Rechtsstreit an das für die Beklagte zuständige Amtsgericht Rockenhausen zu verweisen.
Ausgangspunkt ist der Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin und Frau D.. Dieser stellt ein privatrechtliches Rechtsverhältnis dar. Aufgrund der Versicherungsbedingungen für die Auslandsreise-Krankenversicherung (AVB – AKV Gold Kreditkarte 2012), die Gegenstand des Vertrages geworden sind, könnte gemäß § 13 Nr. 4 ein Dritter leistungspflichtig sein. Die Frage dieser Leistungspflicht ist eine originär zivilrechtliche Rechtsfrage, da allein als Rechtsgrundlage der abgeschlossene Versicherungsvertrag der Klägerin in Betracht kommt.
Im Kern geht es um die Rechtsfolgen einer eventuell vorhandenen Subsidiaritätsklausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin.
Zu kollidierenden Subsidiaritätsklauseln hat der Bundesgerichtshof am 19.2.2014 Az IV ZR 389/12 entschieden, dass im Falle von Mehrfachversicherungen, wenn die von den beteiligten Versicherern für den Innenausgleich geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen kollidierende Subsidiaritätsklauseln enthalten, es dem Willen der Beteiligten entspricht, den Versicherungsnehmer nicht schutzlos zu stellen. Gleichwertige Subsidiaritätsklausel sind ergänzend dahingehend auszulegen, dass sie sich gegenseitig aufheben mit der Folge, dass bei einer Überversicherung § 78 Versicherungsvertragsgesetz -VVG- Anwendung findet.
Hinsichtlich des Rechtswegs, in dem der Streit, ob die private Auslandskrankenversicherung oder die gesetzliche Krankenversicherung jeweils im Rahmen ihrer einschlägigen Leistungskataloge zuständig und damit erstattungspflichtig ist, ausgetragen wird, ist zu entscheiden, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen oder bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreit handelt.
Richtschnur für diese Entscheidung ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.
Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von
§ 51 Abs. 1 SGG.
Öffentlich – rechtliche Streitigkeiten sind solche, die aus einem hoheitlichen Verhältnis der Über- oder Unterordnung entstehen. Letztlich ist entscheidend die wahre Natur des Anspruchs, wie sie sich nach dem Sachvortrag der Klägerseite darstellt, und nicht, ob sich diese auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich – rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (so Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 10.7.1989, Az. GemS-OGB 1/88, Rd.Nr. 3).
Im vorliegenden Fall stehen sich die Beteiligten im Gleichordnungsverhältnis gegenüber. Solche Rechtsverhältnisse werden als öffentlich-rechtlich angesehen, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen überwiegend den Interessen der Allgemeinheit dienen und wenn sie sich nur an Hoheitsträger wenden oder wenn der Sachverhalt einem Sonderrecht der Träger öffentlicher Aufgaben unterworfen ist und nicht den Rechtsätzen, die für jedermann gelten, folgt (GemS-OGB a. a. O. Rd.Nr. 9).
Für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutet das, dass der private Versicherungsvertrag das Rechtsverhältnis des Auslandskrankenschutzes bestimmt und nicht das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den einschlägigen völkervertragsrechtlichen Grundlagen für eine Leistungspflicht. Letzteres ist ein Sonderrecht, dem lediglich die Beklagte als Träger öffentlicher Aufgaben hier der gesetzlichen Krankenversicherung unterworfen ist. Die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch über Erstattungsansprüche betreffen nur Körperschaften des öffentlichen Rechts, wenn Sie Sozialleistungsträger sind. Die private Auslandskrankenversicherung ist kein Sozialleistungsträger.
Nachdem die private Auslandskrankenversicherung kein obligatorisch abzuschließender Versicherungsschutz (im Gegensatz dazu die Kfz-Haftpflichtversicherung) ist, dienen dessen Normen nicht überwiegend den Interessen der Allgemeinheit. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin deshalb auf die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsvertrages mit der Versicherten zu verweisen, um ihre behaupteten Ansprüche gegebenenfalls gegen die Beklagte durchzusetzen (so auch SG A-Stadt Beschluss vom 30.03.2016 -S 2 KR 1912/15-, juris – rechtskräftig).
Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 -B 2 U 21/12.R- betrifft einen anderen Sachverhalt und ist hinsichtlich der Rechtswegfrage nicht einschlägig. In diesem Fall ging es um den rechtlich anders zu beurteilenden Bereich des gesetzlichen Unfallversicherungsrechts. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung werden Leistungen von Amts wegen und nicht auf Antrag (wie in der gesetzlichen Krankenversicherung) gewährt. Im dort entschiedenen Fall lag vor allem eine Abtretung der Ansprüche und eine ablehnende Entscheidung durch Verwaltungsakt des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung vor, woraufhin die private Versicherung auf Antrag leistete. Die ablehnende Entscheidung des gesetzlichen Unfallversicherungsträgers wurde in der Folge wiederum durch Verwaltungsakt korrigiert.
Da der Versicherte das Wahlrecht hat, ob er die private oder die gesetzliche Krankenkasse im Versicherungsfall in Anspruch nimmt und sich der Versicherte für die private Auslandskrankenversicherung entschieden hat, ist der Sozialrechtsweg für einen Streit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das zuständige C. zu verweisen. Die Beklagte hat ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich dieses Amtsgerichts und der Streitwert wurde von der Klägerin mit Euro 28,11 berechnet.
Die Beteiligten hatten die Gelegenheit zur Äußerung.