Aktenzeichen 22 NE 18.204
WRV Art. 139
BayStrWG Art. 3 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 47
Leitsatz
1 Bei Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO ist ein strenger Maßstab anzulegen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Außervollzugsetzung einer Verordnung ist vorbehaltlich einer zusätzlichen Folgenabwägung dann dringend geboten iSd § 47 Abs. 6 VwGO, wenn die betreffende Regelung offensichtlich keinen Bestand haben kann und sich diese Beurteilung auf eine unzuweifelhafte, nicht weiter aufklärungsbedürftige Tatsachengrundlage sowie eine eindeutige verfassungsgerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung stützen kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Das Verfahren hinsichtlich des Antrags der Antragstellerin zu 2 wird abgetrennt und erhält das neue Aktenzeichen 22 NE 18.639.
II. Die Verordnung der Antragsgegnerin über die zusätzliche Öffnung der Verkaufsstellen an Sonntagen in den Jahren 2017, 2018 und 2019 vom 1. August 2017 wird auf den Antrag der Antragstellerin zu 1 hin insoweit außer Vollzug gesetzt, als damit eine Sonntagsöffnung am 8. April 2018 gestattet wird.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin zu 1 abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens 22 NE 18.204 haben die Antragstellerin zu 1 und die Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen.
IV. Der Streitwert wird für das Verfahren 22 NE 18.204 auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin zu 1 begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO in Bezug auf die Zulassung einer Sonntagsöffnung durch die Antragsgegnerin am 8. April 2018 und am 4. November 2018.
Unter dem 1. August 2017 erließ die Antragsgegnerin aufgrund von § 14 Abs. 1 LadSchlG in Verbindung mit § 11 der Delegationsverordnung – DelV – eine Verordnung über die zusätzliche Öffnung der Verkaufsstellen an Sonntagen in den Jahren 2017, 2018 und 2019. In § 2 Abs. 1 der Verordnung wurden im Jahr 2018 für alle Verkaufsstellen im Gebiet der Antragsgegnerin die Öffnungszeiten an drei Sonntagen von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr freigegeben, nämlich am 8. April 2018, am 3. Juni 2018 und am 4. November 2018. Zusätzlich wurden in § 2 Abs. 2 der Verordnung für die Verkaufsstellen in einem Ortsteil die Öffnungszeiten am 5. August 2018 von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr freigegeben.
Ferner wurde in § 1 der Verordnung eine entsprechende Sonntagsöffnung für die Verkaufsstellen in einem Ortsteil am 6. August 2017 sowie für alle Verkaufsstellen im Stadtgebiet am 5. November 2017 zugelassen.
§ 3 der Verordnung beinhaltet eine Sonntagsöffnung an insgesamt vier Tagen im Jahr 2019, entsprechend der vorgenannten Regelung für das Jahr 2018 in § 2 der Verordnung.
Die Verordnung vom 1. August 2017 wurde in der Ausgabe einer regional erscheinenden Tageszeitung vom 12. August 2017 bekannt gemacht. Gemäß § 5 Satz 1 der Verordnung trat diese am Tag nach ihrer amtlichen Bekanntmachung in Kraft.
Nach Abtrennung des Verfahrens 22 NE 18.639 betreffend die Antragstellerin zu 2 verbleibt im vorliegenden Verfahren die Antragstellerin zu 1 (im Folgenden als Antragstellerin bezeichnet). Bei dieser Antragstellerin handelt es sich um eine bundesweit tätige Gewerkschaft mit rund 39.000 Mitgliedern im Bezirk Mittelfranken. Zum satzungsmäßigen Organisationsbereich der Antragstellerin gehört der Einzelhandel.
Am 24. Januar 2018 stellte die Antragstellerin in Bezug auf die Verordnung der Antragsgegnerin vom 1. August 2018 einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO. Weiter stellte sie am 29. Januar 2018 einen Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO (Verfahren 22 N 18.243).
Im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt die Antragstellerin,
§ 2 Abs. 1 der Verordnung der Antragsgegnerin über die zusätzliche Öffnung der Verkaufsstellen an Sonntagen in den Jahren 2017, 2018 und 2019 bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren außer Vollzug zu setzen, soweit damit Öffnungen am 8. April 2018 und am 4. November 2018 gestattet werden.
Zur Begründung ihres Antrags macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, die Verordnung sei offensichtlich rechtswidrig; die Voraussetzungen für eine Zulassung der Öffnung der Geschäfte in den jeweils geregelten Umfängen an den beiden Sonntagen im Jahr 2018 lägen nicht vor. Die Rechtswidrigkeit folge allein schon daraus, dass die Antragsgegnerin keine hinreichende Prognose bezüglich der prägenden Wirkung der Anlassveranstaltungen angestellt habe und damit das ihr eingeräumte Ermessen nicht genutzt habe. Soweit der Stadtrat der Antragsgegnerin über eine solche Verordnung zu entscheiden habe, müsse eine nachvollziehbare Überzeugungsbildung möglich sein, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Es fehle vorliegend schon in Ansätzen an einer Prognose der zu erwartenden Besucherzahl der anlassgebenden Veranstaltungen im Verhältnis zur prognostizierten Zahl der Besucher, die ausschließlich der Sonntagsöffnung wegen kommen würden. Die Sonntagsöffnungen stellten sich nach den gesamten Umständen nicht lediglich als Annex zu den Anlassveranstaltungen dar. Die Antragsgegnerin habe die Zahl der üblichen Kunden an verkaufsoffenen Sonntagen mit 3.000 angegeben. Wenn aber allein in das sogenannte Brücken-Center Ansbach an normalen Tagen im Schnitt 18.000 Besucher kommen würden, werde deutlich, dass die Zahlen der Antragsgegnerin ohne jeglichen Sachbezug aus der Luft gegriffen seien. Die Veranstaltung am 8. April 2018 wirke sich allenfalls auf die unmittelbare Umgebung des Veranstaltungsorts aus; in keinem Fall werde sie selbst über den Altstadtbereich hinaus ausstrahlen. Weder am Brücken-Center Ansbach, noch in der Umgebung der anderen dezentralen Einzelhandelsmärkte würde sich die Veranstaltung ohne die Sonntagsöffnung bemerkbar machen. Noch deutlicher sei dies im Hinblick auf die übrigen Gemeindeteile, die weiter weg von der Altstadt lägen und zu denen kein baulicher Zusammenhang bestehe. Überdies würde die Veranstaltung schätzungsweise eine Fläche von allenfalls 3.000 m² beanspruchen, während allein das Brücken-Center Ansbach über eine Verkaufsfläche von 49.000 m² verfügen würde. Dazu kämen die zahlreichen sonstigen Geschäfte im Gemeindegebiet.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragsbefugnis neben der Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung voraussetze, dass der jeweilige Antragsteller über eine gewisse Anzahl an Mitgliedern im betroffenen Gebiet verfüge und dort an Sonn- oder Feiertagen satzungsgemäße Aktivitäten entfalte. Hierzu habe die Antragstellerin keine Angaben gemacht. Die für den 8. April 2018 geplante Veranstaltung nehme einen bundesweiten Trend auf, moderne Speisenangebote in Eventform zu präsentieren. Am 21. Juni 2015 hätten fast 5.000 Menschen in der Zeit von 12:00 Uhr bis 20:00 Uhr eine ähnliche Veranstaltung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin besucht. Bei der gleichen Veranstaltung im Jahr 2017 seien nochmals deutlich mehr Besucher anwesend gewesen; nach Aussagen des Veranstalters seien ca. 7.500 Besucher auf dem Markt gewesen. Das Veranstaltungsareal sei bereits vor der Ladenöffnung um 13:00 Uhr voll gewesen, und auch nach Ladenschluss um 18:00 Uhr hätten sich mehrere tausend Besucher auf dem Veranstaltungsgelände aufgehalten. Diese Besucher seien ursächlich zur Veranstaltung und nicht nur aus der Stadt, sondern auch aus dem erweiterten Umland gekommen. Für die Veranstaltung im Jahr 2018 würden nach den Erfahrungen aus dem Vorjahr ca. 10.000 bis 12.000 Besucher erwartet. Die erzielten Frequenzen seien für die 42.000 Einwohner-Stadt beträchtlich und würden weit über das normale Alltagsmaß hinausgehen. An normalen Samstagen würden sich nach Aussagen von Citymarketing Ansbach e.V. ca. 3.000 Menschen in der Einkaufsstadt aufhalten. Nach den Erfahrungen aus dem Jahr 2017 würden weitere drei Plätze in das Veranstaltungskonzept einbezogen. Auch die Bestandsgastronomie der Stadt werde sich an diesem Konzept beteiligen, um den Marktcharakter zu verstärken. Die Antragsgegnerin sehe somit hinsichtlich der Veranstaltung am 8. April 2018 das Erfordernis der prägenden Wirkung der anlassgebenden Veranstaltung als erfüllt an. Sie halte auch die Ausdehnung der erlaubten Öffnungen für gerechtfertigt. Insbesondere sehe sie das Brücken-Center seit seiner Gründung als Teil der Altstadt an. Eine diesbezügliche Differenzierung sei sachlich nicht zu begründen. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Öffnung der Verkaufsstellen an den infrage gestellten Sonntagen nicht als Selbstzweck, sondern zur Versorgung der Besucher durchgeführt werden solle. Am 8. April 2018 sei aufgrund der erwarteten Besucherzahl das Angebot der Veranstaltung selbst zur umfassenden Versorgung der erwarteten Gäste nicht ausreichend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des vorliegenden Rechtsstreits und des Normenkontrollverfahrens 22 N 18.243 verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, jedoch nur begründet, soweit er die Sonntagsöffnung am 8. April 2018 betrifft.
1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO analog). Sie kann geltend machen, durch eine Anwendung des § 2 Abs. 1 der Verordnung der Antragsgegnerin vom 1. August 2017 in absehbarer Zeit mehr als nur geringfügig in ihren Rechten verletzt zu werden.
Der sich aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ergebende objektivrechtliche Schutzauftrag für den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maß auf solche Tage angewiesen sind (BVerfG, U.v. 1.12.2009 – 1 BvR 2857/07 u.a. – juris Rn. 144 und 149). Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen erleichtert das gemeinschaftliche, von der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit nach Art. 9 GG erfasste Tun im Rahmen von Vereinigungen und Gewerkschaften. § 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 LadSchlG konkretisiert diesen verfassungsrechtlichen Schutzauftrag.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 18. Mai 2016 – 22 N 15.1526 – Rn. 31 ausgeführt hat, ist nicht ausgeschlossen, dass sich jedenfalls auf mittlere Sicht Mitglieder der Antragstellerin wegen einer sich für sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen stellenden Notwendigkeit, an den von der zugelassenen Öffnung erfassten Sonntagen zu arbeiten, gehindert sehen, an Veranstaltungen der Antragstellerin teilzunehmen. Die Antragstellerin vertritt im Dienstleistungsbereich tätige Arbeitnehmer, die von der Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen betroffen sein können (vgl. zu diesem Kriterium BVerwG, U.v. 11.11.2015 – 8 CN 2/14 – juris Rn. 17 f.). Darüber hinaus ist die Antragstellerin im Stadtgebiet der Antragsgegnerin auch mit einem Ortsverein vertreten (vgl. Internetauftritt http://mittelfranken.verdi.de/ueber-uns/ov-ansbach).
2. Die Antragstellerin kann verlangen, dass die verfahrensgegenständliche Verordnung, soweit sie ein Offenhalten von Verkaufsstellen am 8. April 2018 gestattet, außer Vollzug gesetzt wird, da dies im Sinn von § 47 Abs. 6 VwGO „aus anderen wichtigen Gründen“ dringend geboten ist.
Auch unter Berücksichtigung des strengen Maßstabs, der bei Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO anzuwenden ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 8.4.2013 – 22 NE 13.659 – juris Rn. 27 m.w.N.) ist die Außervollzugsetzung einer Verordnung dann grundsätzlich dringend geboten, wenn die betreffende Regelung offensichtlich keinen Bestand haben kann und sich diese Beurteilung auf eine nicht zweifelhafte und nicht weiter aufklärungsbedürftige Tatsachengrundlage bezieht sowie auf eine eindeutige verfassungsgerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung stützen kann (BayVGH, B.v. 24.5.2017 – 22 NE 17.526 – juris Rn. 14 m.w.N.). Des Weiteren ist eine Folgenabwägung vorzunehmen.
a) Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Freigabe der Öffnung der Verkaufsstellen am 8. April 2018 im gesamten Stadtgebiet der Antragsgegnerin anlässlich des Street Food Festivals liegen offensichtlich nicht vor.
aa) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG dürfen abweichend von der Vorschrift des § 3 LadSchlG Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Über die Freigabe der betreffenden Tage entscheidet die jeweilige Gemeinde (§ 14 Abs. 1 Satz 2 LadSchlG i.V.m. § 11 Delegationsverordnung – DelV). Bei der Freigabe kann die Offenhaltung auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 1 LadSchlG).
Zum Tatbestandsmerkmal „aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen“ in § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG hat das Bundesverwaltungsgericht schon in seinem Urteil vom 11. November 2015 (8 CN 2/14 – juris Rn. 24 und 25) ausgeführt, dass „die öffentliche Wirkung der traditionell auch an Sonn- und Feiertagen stattfindenden Märkte, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehen muss. Die Ladenöffnung entfaltet dann eine geringe prägende Wirkung, wenn sie nach den gesamten Umständen als Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheint. Das kann in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibt. Je größer die Ausstrahlungswirkung des Marktes wegen seines Umfangs oder seiner besonderen Attraktivität ist, desto weiter reicht der räumliche Bereich, in dem die Verkaufsstellenöffnung noch in Verbindung zum Marktgeschehen gebracht wird. […] Darüber hinaus bleibt die werktägliche Prägung der Ladenöffnung nur dann im Hintergrund, wenn nach der anzustellenden Prognose der Besucherstrom, den der Markt für sich genommen auslöste, die Zahl der Besucher überstiege, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Zur Abschätzung der jeweiligen Besucherströme kann beispielsweise auf Befragungen zurückgegriffen werden. […]“
bb) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich, dass das Street Food Festival am 8. April 2018 als anlassgebende Veranstaltung eine Freigabe der Öffnung der Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht rechtfertigen kann.
Zwar erscheint es grundsätzlich denkbar, dass diese Veranstaltung im Altstadtbereich der Antragsgegnerin gegenüber einer Ladenöffnung eine prägende Wirkung entfalten könnte. Dies vorausgesetzt könnte der für eine Sonntagsöffnung freigegebene Bereich eventuell auch anschließende Zu- und Abgangswege zum Bahnhof und zu öffentlichen Parkhäusern und Parkplätzen erfassen, falls auf diesen Wegen die prägende Wirkung noch feststellbar sein sollte. Das Street Food Festival am 8. April 2017 soll nach Aussagen der Antragsgegnerin, die ursprünglich wohl vom Veranstalter stammen, etwa 7.500 Besucher angezogen haben. Nach Angaben der Antragsgegnerin soll sich die Veranstaltung am 8. April 2018 nicht wie im Vorjahr auf den Martin-Luther-Platzes beschränken, sondern darüber hinaus den Johann-Sebastian-Bach Platz, den Platz am Herrieder Tor und den Fermo Platz einbeziehen. Es erscheint nicht von Vornherein als ausgeschlossen, dass nachvollziehbare Angaben gegebenenfalls die Prognose stützen könnten, dass im unmittelbaren Altstadtbereich die Zahl der Veranstaltungsbesucher auch ohne Sonntagsöffnung die Zahl derjenigen Besucher überstiege, die allein wegen der Sonntagsöffnung der Verkaufsstellen kämen.
Allerdings genügt die u.a. in der Stadtratssitzung vom 25. Juli 2017 (vgl. Protokoll, Bl. 40 bis 42 in Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 7.2.2018) geäußerte Behauptung, an „normalen“ Einkaufstagen seien ca. 3.000 Besucher „in der Stadt“, nicht den Anforderungen an eine nachvollziehbare Prognose. Es ist nicht erkennbar, auf welchen tatsächlichen Grundlagen diese Einschätzung beruht, die offensichtlich vom Verein Citymarketing Ansbach e.V. stammt (vgl. E-Mail vom 25.7.2017, Bl. 26 in der vorgenannten Anlage). Offensichtlich wurde sie von der Antragsgegnerin nicht näher hinterfragt. Auch ist nicht ersichtlich, auf welchen Stadtbereich sich diese Besucherzahl bezieht.
Weiter hat der Geschäftsführer des Vereins gegenüber der Stadtverwaltung erklärt, er schätze die Anzahl der Besucher, die wegen des Street Food Markts in die Stadt kämen, um den Faktor 3 höher als die Zahl der „Ziel-Besucher“ für den „reinen“ verkaufsoffenen Sonntag (vgl. E-Mail vom 25.7.2017, Bl. 21 in der genannten Anlage). Es ist bislang nicht erkennbar, auf welchen tatsächlichen, nachprüfbaren Anhaltspunkten diese Behauptung beruhen könnte (z.B. auf dokumentierten Ergebnissen durchgeführter Zählungen) und auf welchen räumlichen Bereich sich diese Angaben beziehen sollen. Ferner sind die Angaben der Antragstellerin zur räumlichen Ausdehnung der Veranstaltung am 8. April 2018 derzeit nicht schlüssig. So ist auf der Homepage des Veranstalters (http://www.walhallastreetfoodfestivals.de/events/2-streetfood-markt-ansbach-verkaufsoffener-sonntag/) als Veranstaltungsort angegeben: „Ansbach, Stadt Mitte/Innenstadt Martin-Luther Platz Ansbach“. Auch der Homepage des Vereins Citymarketing Ansbach e.V. (http://citymarketing-ansbach.de/veranstaltungen/ streetfood-festival/) ist nur zu entnehmen, dass der Street Food Markt am 8. April 2018 auf dem Martin-Luther Platz stattfindet. Gleiches gilt für die von der Antragsgegnerin vorgetragene Erwartung, am 8. April 2018 würden nach den Erfahrungen aus 2017 ca. 10.000 bis 12.000 Besucher erwartet; es ist unklar, worauf sich diese Prognose im Einzelnen stützt. Es ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Niederschrift über die Stadtratssitzung vom 25. Juli 2017, dass diese erwarteten höheren Besucherzahlen in der Sitzung geäußert worden wären und damit der Prognose der Antragsgegnerin zugrunde gelegen hätten.
Hinzu kommt, dass die in § 2 Abs. 1 der Verordnung vom 1. August 2017 für den 8. April 2018 zugelassene Sonntagsöffnung nicht in rechtmäßiger Weise auf das gesamte Stadtgebiet erstreckt werden konnte.
Dies gilt bereits im Hinblick auf die Einbeziehung des sogenannten Brücken-Centers Ansbach mit einer Zahl von durchschnittlich 18.000 Besuchern pro Tag. Dieser Angabe des Antragstellers, die sich wohl auf vom Betreiber des Einkaufscenters veröffentlichte Zahlen bezieht (vgl. Daten auf https://www.dvimmobilien.de/projekte/shopping-center/bruecken-center-ansbach/), hat die Antragsgegnerin nicht widersprochen. Sie hat die Erstreckung der Sonntagsöffnung auf dieses Einkaufscenter lediglich damit begründet, dass dieses seit seiner Gründung als Teil der Altstadt angesehen werde und eine diesbezügliche Differenzierung sachlich nicht zu begründen sei. Dabei verkennt sie, dass der Tatbestand des § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG die Freigabe einer Sonntagsöffnung nur soweit zulässt, wie die prägende Wirkung der anlassgebenden Veranstaltung reicht. Es ist von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ansatzweise erkennbar, inwieweit dem Street Food Festival eine prägende Wirkung im Bereich des außerhalb der Altstadt liegenden Einkaufscenters zukommen könnte. Angesichts der durchschnittlichen Besucherzahl im Einkaufszentrum von 18.000 gilt dies selbst dann, falls tatsächlich nachvollziehbar eine Besucherzahl des Street Food Festivals in der Größenordnung von 10.000 bis 12.000 angenommen werden könnte. Falls im Übrigen Gäste des Street Food Festivals die Tiefgarage des Einkaufscenters nutzen sollten, scheidet dies als Anknüpfungspunkt für eine prägende Wirkung bereits deshalb aus, weil solche Passanten nicht eindeutig Gästen dieser Veranstaltung einerseits und Besuchern des Einkaufscenters andererseits zuzuordnen sind (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 22 N 17.527 – Rn. 76).
Unabhängig davon spricht die Zahl der insgesamt rund 200 Geschäfte alleine im Bereich der Altstadt und des Brücken-Centers, die im Jahr 2017 an der Sonntagsöffnung anlässlich des Street Food Markts beteiligt waren, im Verhältnis zu den rund 30 Ständen des Street Food Festivals (vgl. Angaben in den von der Antragstellerin vorgelegten Anlagen A8 und A9) gegen eine prägende Wirkung der anlassgebenden Veranstaltung bezogen auf das gesamte Stadtgebiet.
Auch ist von der Antragsgegnerin nicht begründet worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich, inwieweit das Street Food Festival prägende Wirkung in Bezug auf Verkaufsstellen besitzen könnte, die sich in größerer Entfernung zum Altstadtkern befinden. Dies betrifft z.B. größere Einkaufsmärkte im Bereich des Industriegebiets von Eyb und einen großen Elektromarkt im Bereich der Rothenburger Straße. Dass diese Märkte in der Nähe größerer Ausfallstraßen (Staats Straße 2223, Bundesstraßen B 13 und B 14) liegen, welche möglicherweise auch von Veranstaltungsbesuchern genutzt werden, führt zu keiner Prägung der Bereiche entlang dieser Straßen durch die anlassgebende Veranstaltung. Diese dem weiträumigen Verkehr (vgl. § 1 Abs. 1 FStrG) bzw. dem Durchgangsverkehr (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayStrWG) dienenden Straßen werden nicht maßgeblich durch eine Zufahrtsfunktion zur Veranstaltung charakterisiert.
b) Im Rahmen der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO sind die Folgen abzuwägen, die einerseits eintreten würden, wenn eine solche gerichtliche Entscheidung unterbliebe und der Normenkontrollantrag Erfolg hätte, und die andererseits bei Erlass der einstweiligen Anordnung dann zu erwarten wären, wenn sich der Normenkontrollantrag als unbegründet erweisen sollte (vgl. BayVGH, B.v. 8.4.2013 – 22 NE 13.659 – juris Rn. 28; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 47 Rn. 395/396). Die offensichtliche Ungültigkeit der zugrundeliegenden Regelung in § 2 Abs. 1 der Verordnung vom 1. August 2017 in Bezug auf die für den 8. April 2018 zugelassene Sonntagsöffnung ist hier mit erheblichem Gewicht zu berücksichtigen. Im Falle eines Verzichts auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung würde an diesem Tag die verfassungsrechtlich geschützte Zweckbestimmung des Sonntags als Zeit der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung im gesamten Stadtgebiet der Antragsgegnerin konkret beeinträchtigt, ohne dass dies durch § 14 LadSchlG gedeckt wäre. Bereiche wie das Brücken-Center Ansbach und in größerer Entfernung zum Ort des Street Food Festivals gelegene Einkaufsmärkte und andere Verkaufsstellen wären weitgehend allein durch werktägliche Geschäftigkeit geprägt. Durch die Sonntagsöffnung am 8. April 2018 würden insoweit vollendete Tatsachen geschaffen, die durch das Normenkontrollverfahren nicht rückgängig zu machen sind. Die genannten Schutzgüter würden zudem auch in der Gesamtwirkung erheblich beeinträchtigt, wenn auf der Grundlage offensichtlich nichtiger Verordnungen Sonntagsöffnungen stets solange stattfinden könnten, wie keine rechtskräftigen Normenkontrollentscheidungen ergangen sind. Demgegenüber sind die Interessen der Antragsgegnerin und der Verkaufsstelleninhaber an einer Sonntagsöffnung, die offensichtlich nicht von der zugrundeliegenden Ermächtigungsnorm gedeckt ist, rechtlich nicht schutzwürdig; sie rechtfertigen nicht den Verzicht auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Normenkontrollantrag der Antragstellerin in Bezug auf die Zulassung der Sonntagsöffnung am 8. April 2018 im gesamten Stadtgebiet doch als unbegründet erweisen könnte.
Die nicht näher begründete Behauptung der Antragsgegnerin, die stadtweite Sonntagsöffnung ohne Einschränkung auf bestimmte Handelszweige sei zur umfassenden Versorgung der Veranstaltungsbesucher erforderlich, ist nicht nachvollziehbar. Sollte gemeint sein, dass den Besuchern über das Angebotsspektrum der Veranstaltung hinaus Einkaufsmöglichkeiten bei einem möglichst breit gefächerten Warensortiment eröffnet werden sollen, handelt es sich (nur) um das allgemeine Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potentieller Kunden, das wie das Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber eine Sonntagsöffnung gerade nicht rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2017 – 8 CN 1/16 – juris Rn. 16). Ohne dass dies von der Antragsgegnerin konkret geltend gemacht worden wäre ist zwar davon auszugehen, dass der Antragsgegnerin und teilnehmenden Gewerbetreibenden bereits Kosten v.a. für Werbemaßnahmen für die vermeintliche Sonntagsöffnung am 8. April 2018 entstanden sein dürften. Diese Investitionen – wie auch vergleichbare Interessen Dritter – vermögen hier kein überwiegendes Interesse an der Durchführung der Sonntagsöffnung zu begründen, auch vor dem Hintergrund der seit längerem bekannten Rechtsprechung der Obergerichte und der grundrechtlichen Betroffenheit der Antragstellerin.
3. Soweit die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO in Bezug auf die Zulassung der Öffnung am 4. November 2018 begehrt, ist ihr Antrag derzeit unbegründet.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist insoweit bereits deshalb nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten, weil davon auszugehen ist, dass rechtzeitig vor dem Tag der Sonntagsöffnung eine Entscheidung in der Hauptsache ergehen kann. Es kann daher dahin stehen, ob eine auf das gesamte Stadtgebiet erstreckte Sonntagsöffnung auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG auch in Bezug auf diese Veranstaltung offensichtlich nicht zulässig ist. Auch bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Klärung, ob die Freigabe der Sonntagsöffnung in § 2 Abs. 1 der Verordnung für den 4. November 2018 überhaupt mit hinreichender Bestimmtheit einer konkreten anlassgebenden Veranstaltung zugeordnet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO kein Rechtsmittel eröffnet.