Aktenzeichen S 49 KA 349/16
Leitsatz
Die Verletzung der Pflicht zur Fortbildung und zum Nachweis der Fortbildung stellt eine gröbliche Verletzung grundlegender vertragsärztlicher Pflichten dar, die zur Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung führen kann. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2).
Gründe
Die gegen den Bescheid des Beklagten erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, war aber als unbegründet abzuweisen. Der allein klagegegenständliche Bescheid des Beklagten erweist sich als rechtmäßig, der Kläger ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte hat dem Kläger die Zulassung wegen Verletzung der Fortbildungspflichten zu Recht entzogen. Es liegt eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten vor und die Entziehung der Zulassung war auch nicht unverhältnismäßig.
Die Zulassungsentziehung stützt sich auf § 95 Abs. 6 SGB V als Rechtsgrundlage. Danach ist die Zulassung unter anderem dann zu entziehen, wenn ein Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.
Der Kläger hat vorliegend seine Fortbildungspflichten gemäß § 95d SGB V verletzt. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift eine Pflicht der Vertragsärzte zur fachlichen Fortbildung vorgesehen und in Abs. 2 geregelt, wie die Erfüllung dieser Pflicht nachzuweisen ist. Dieser Nachweis ist in erster Linie durch Fortbildungszertifikate der Kammern zu führen, in Ausnahmefällen kann die Übereinstimmung der Fortbildung mit den gesetzlichen Anforderungen durch sonstige Nachweise erbracht werden, die Einzelheiten sind von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu regeln. Gemäß § 95d Abs. 3 ist der Nachweis alle fünf Jahre zu erbringen. Wie vom Beklagten in seinem Bescheid und der Beigeladenen zu 1) in ihrem zweiten Antrag ausführlich dargelegt, endete für den Kläger die Frist zum Nachweis der Erfüllung seiner Fortbildungsverpflichtung für den ersten Fortbildungszeitraum vom 01.07.2004 bis 30.06.2009 am 31.12.2011. Unstreitig hatte der Kläger bis zu diesem Zeitraum keine Nachweise über Fortbildungen erbracht. Auch die Klägerseite hat bereits im Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass sich der Kläger erstmals im August 2015 an die zuständige Bayerische Landesärztekammer wandte und sich um einen Nachweis bemühte. Auch um die Anerkennung sonstiger Nachweise, die im Verwaltungsverfahren und auch im Gerichtsverfahren vorgelegt wurden, hat der Kläger sich unstreitig bis zum Ablauf der Nachweisfrist nicht gekümmert. Abgesehen davon, dass der Kläger auch im August 2015, wie vom Beklagten ausgeführt, für den ersten Fortbildungszeitraum nur 111 und nicht die erforderlichen 250 Punkte nachgewiesen hat, geht der diesbezügliche Vortrag der Klägerseite auch insofern ins Leere, als nach gefestigter Rechtsprechung eine nachträgliche Erfüllung der Fortbildungspflicht bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Zulassungsentziehung gegeben sind, keine Berücksichtigung finden kann (vgl. BSG vom 28.10.2015, B 6 KA 36/15 mwN; ausführlich dazu auch Bayerisches LSG vom 19.03.2014, L 12 KA 72/13). Das Vorliegen einer Pflichtverletzung setzt auch ein Verschulden des Klägers nicht voraus. Schon aus diesem Grund ist der Vortrag der Klägerseite, durch missverständliche oder fehlende Hinweise der Beigeladenen zu 1) wäre sich der Kläger der strengen Fristen nicht bewusst gewesen, unbeachtlich.
Der Verstoß des Klägers gegen seine Fortbildungspflicht war auch gröblich im Sinne des § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V. Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine Pflichtverletzung dann gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung der Zulassung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist wiederum auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, so dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann (BSG vom 11.02.2015, B6 KA 37/14 B). Das BSG führt in der zitierten Entscheidung weiter aus, der Verstoß gegen § 95d SGB V betreffe grundlegende vertragsärztliche Pflichten. Vorliegend hat sich der Kläger, auch nach eigenem Vortrag, erstmals 2015, also beinahe vier Jahre nach Ablauf des Nachweiszeitraums um die Anerkennung von Fortbildungen bemüht. Dies trotz einer Vielzahl von Schreiben, Hinweisen und Fristsetzungen durch die Beigeladene zu 1) sowie durchgehende Honorarkürzungen seit über fünf Jahren. Ebenfalls nach eigenem Vortrag der Klägerseite hat der Kläger erstmals Ende 2014 auf die Anschreiben der Beigeladenen zu 1) überhaupt reagiert. Vorher hatte der Kläger über 11 Jahre keine Bereitschaft gezeigt, seiner Fortbildungspflicht nachzukommen. Der Beklagte hat dies zutreffend als Hinweis auf eine vorsätzliche Missachtung vertragsärztlicher Pflichten gewertet, die eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen des Vertragsarztsystems ausschließt.
Nicht konstitutiv für das Vorliegen des Entziehungsgrundes der gröblichen Verletzung einer vertragsärztlichen Pflicht ist ein Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 95d Abs. 3 S. 6 SGB V, insofern sind auch etwaige Tipp- oder Schreibfehler im ersten Antrag der Beigeladenen zu 1) ohne Bedeutung.
Die streitige Zulassungsentziehung aufgrund des Vorliegens einer gröblichen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten erweist sich auch als verhältnismäßig. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger bis zum November 2014, also weit nach Ablauf des Fortbildungszeitraums, zu keinem Zeitpunkt auch nur erkennen lassen, dass er gewillt ist, seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Fortbildung nachzukommen beziehungsweise dies nachzuweisen. Da ihn auch das mildere Sanktionsmittel der Honorarkürzungen über einen erheblichen Zeitraum nicht dazu veranlasst hat, überhaupt mit der Beigeladenen zu 1) Kontakt aufzunehmen, ist die Zulassungsentziehung ulitma ratio. Wie bereits der Zulassungsausschuss, dessen Prüfung der Beklagte sich zu Eigen gemacht hat, ausführte, kann sich der Kläger vorliegend auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Für die Kammer ist weder ersichtlich noch nachvollziehbar, auf welche Tatsachen sich ein etwaiger, von Klägerseite vorgetragener Vertrauensschutz stützen sollte. Dem Kläger wurde insbesondere bereits mit Schreiben vom 31.10.2011 und 16.05.2012 angedroht, dass die Beigeladene zu 1) einen Antrag auf Zulassungsentzug stellen werde und Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Eine Reaktion des Klägers darauf ist nicht bekannt. Wie sich aus einer Email des Klägers selbst vom November 2014 und damit weit nach Ablauf des Fortbildungszeitraums, auf den die Beigeladene zu 1) aus Sicht des Klägers nicht reagiert hat, Vertrauensschutz ergeben soll, erschließt sich der Kammer nicht. Auch die Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) erst im Jahr 2015 einen Antrag auf Zulassungsentziehung gestellt hat, führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung. § 95d Abs. 3 S.6 SGB V sieht zwar vor, dass die Kassenärztliche Vereinigung nach Ablauf des Nachweiszeitraums „unverzüglich“ einen Antrag auf Zulassungsentziehung stellen solle. Die Tatsache, dass diese eigentlich zu Lasten des Klägers gehende Vorgabe nicht umgesetzt wurde, kann aber nicht im Umkehrschluss einen Vertrauensschutz des Klägers generieren. Dies auch im Hinblick darauf, dass der Antrag der Beigeladenen zu 1), wie bereits ausgeführt, keine zwingende Voraussetzung für die vorliegende Zulassungsentziehung ist. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergibt, gibt es auch keine „Verjährungsfrist“, die die Zulassungsgremien daran hindern würde, länger zurückliegende gröbliche Pflichtverletzungen zur Begründung einer Zulassungsentziehung heranzuziehen (BSG vom 02.04.2014, B 6 KA 58/13 B). Auch wenn das BSG in og. Entscheidung davon ausgeht, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebiete, Pflichtverletzungen, die länger als die übliche Bewährungszeit von fünf Jahren zurückliegen, nur noch dann zur Grundlage einer Zulassungsentziehung zu machen, wenn sie besonders gravierend sind oder wenn sie aus anderen Gründen fortwirken, lag vorliegend das pflichtwidrige Verhalten des Klägers zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten im Jahr 2016 nicht länger als fünf Jahre zurück. Auch war für den Beklagten eine Einstellungs- oder Verhaltensänderung des Klägers nicht ersichtlich, vielmehr hatte der Kläger auch für den zweiten Fortbildungszeitraum bis dato nicht genügend Punkte nachgewiesen. Eine Prognose für rechtmäßiges Verhalten des Klägers zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten hätte jeder Grundlage entbehrt. Aus dem Vortrag der Klägerseite selbst ergibt sich, dass der Kläger erst nach Stellung des Antrags auf Zulassungsentziehung tätig wurde. Insofern liegt auch keine der vom BSG in einem Beschluss (B6 KA 37/14 B) erwähnten Fallgestaltung vergleichbare Sachlage vor, dass der vorgegebene Nachweis um Stunden verfehlt wird. Schließlich könne auch die von Klägerseite vorgetragenen Verdienste des Klägers eine vom vorgegebenen Regelfall abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen.
Die Entscheidung über die Kosten basiert auf §§ 197a Abs. 1 S. 1 2. HS SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.