IT- und Medienrecht

Zur Frage der Beitreibung rückständiger Kommunalabgaben

Aktenzeichen  M 10 E 15.5310

Datum:
8.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO AO § 47, 226 Abs. 3, 227, 228, 229, 231 Abs. 1 S. 1, 240, 254 Abs. 2 S. 1
GG GG Art. 106 Abs. 6
GKG GKG § 52 Abs. 1
GrStG GrStG § 1
RDGEG RDGEG §§ 3, 5
VwGO VwGO § 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 4 u. 7, 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5,  88, 92 Abs. 3, 123, 155 Abs. 1 S. 3, 161 Abs. 1, 2 S. 1
VwZVG VwZVG Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 2, 21, 22, 23
ZPO ZPO § 920 Abs. 2, 294

 

Leitsatz

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben.
II.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Der Streitwert wird auf 222,11 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Beitreibung rückständiger Kommunalabgaben.
Der Antragsteller ist im Grundbuch eingetragener Eigentümer des Anwesens …-straße 27 im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin (Flurstück … Gemarkung …). Das Anwesen ist an die von der Antragsgegnerin jeweils als öffentliche Einrichtung betriebene Wasserversorgungs- und Entwässerungsanlage angeschlossen.
Der Antragsteller stand gemäß Beschluss des Amtsgerichts … – Abteilung für Betreuungssachen – Az.: … – in der Zeit vom 31. Mai 2013 bis 5. August 2014 unter Betreuung.
Mit Bescheid vom 24. November 2010 setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller für den Abrechnungszeitraum 18. November 2009 bis 17. November 2010 „Benutzungsgebühren Wasser und Abwasser“ in Höhe von brutto insgesamt 230,49 Euro fest und stellte unter Berücksichtigung geleistete Abschlagszahlungen einen Betrag in Höhe von insgesamt 95,49 Euro zum 27. Dezember 2010 fällig. Der Bescheid wurde dem Antragsteller laut PZU am 26. November 2010 zugestellt. Am 20. Dezember 2010 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein, den die Antragsgegnerin dem Landratsamt … zur Entscheidung vorlegte.
Mit weiterem Bescheid vom 24. November 2011 setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller für den Abrechnungszeitraum 18. November 2010 bis 17. November 2011 Wasser und Kanalgebühren in Höhe von 240,50 Euro fest und stellte ihre Restforderung über 85,50 Euro zum 27. Dezember 2011 fällig …
Für den Abrechnungszeitraum 18. November 2011 bis 17. November 2012 wurden mit Bescheid vom 23. November 2012 „Benutzungsgebühren Wasser“ in Höhe von 313,18 Euro (brutto) sowie „Benutzungsgebühren Abwasser“ in Höhe von 791,48 Euro gegenüber dem Antragsteller festgesetzt; abzüglich geleisteter Abschläge stellte die Antragsgegnerin einen Abrechnungsbetrag von 861,66 Euro zum 26. Dezember 2012 fällig. Der Antragsteller legte am 18. Dezember 2012 Widerspruch gegen die Gebührenerhebung ein. Einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs lehnte die Kammer mit Beschluss vom 7. Februar 2013 – M 10 E 12.6450 – ab.
Darüber hinaus wurden gegenüber dem Antragsteller für den Abrechnungszeitraum 18. November 2012 bis 17. November 2013 mit Bescheid vom 25. November 2013 Wasser- und Kanalgebühren in Höhe von insgesamt 332,84 Euro festgesetzt; abzüglich geleisteter Abschläge wurde ein Betrag von 110,09 Euro zum 28. Dezember 2013 fällig gestellt. Der Bescheid wurde dem Betreuer des Antragstellers zugestellt, der Antragsteller erhielt einen Abdruck zur Kenntnis.
Mit Gebührenbescheid vom 25. November 2014 setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller für den Abrechnungszeitraum 18. November 2013 bis 17. November 2014 Wasser- und Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 459,48 Euro und stellte ihre Restforderung in Höhe von 116,48 Euro zum 28. Dezember 2014 fällig.
In demselben Bescheid setzte sie des Weiteren drei Vorauszahlungen/Abschlagszahlungen für den Abrechnungszeitraum 2014/2015 in Höhe von jeweils 87 Euro, fällig zum 15. Februar 2015, zum 15. Mai 2015 und zum 15. August 2015, fest.
Schließlich hatte die Antragsgegnerin bereits mit Grundsteuerbescheid vom 27. Januar 2004 gegenüber dem Antragsteller Grundsteuer B für das Anwesen …-straße 27 in … für das Jahr 2004 und die Folgejahre jeweils in Höhe von 282,91 Euro, zahlbar in vier gleichen Raten in Höhe von 70,73 Euro jeweils zum 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November des jeweiligen Steuerjahres, festgesetzt.
Auf die fälligen Abgabenforderungen leistet das Landratsamt … im Rahmen der Grundsicherung an die Antragsgegnerin Teilbeträge in Höhe von insgesamt 1.236,54 Euro. Der Antragsteller zahlte nach Aktenlage nicht.
Mit Schreiben vom 12. November 2015 – bezeichnet als Mahnung – forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen auf, den offenen Gesamtbetrag von insgesamt 1.776,89 Euro (offene Abgaben in Höhe von 1.433,89 Euro zuzüglich 28 Euro Mahngebühren und 315 Euro Säumniszuschlägen) binnen sieben Tagen zu zahlen.
Gegen das Mahnschreiben legte der Antragsteller mit Schreiben vom 24. November 2015 „Widerspruch“ bei der Antragsgegnerin ein mit der Begründung, die Grundverfügung für Wasser- und Kanalgebühren, Restbetragsforderung vom 27. Dezember 2012 in Höhe von 867,88 EUR sei ihm nicht bekannt. Zudem seien Säumniszuschläge nicht angefallen. Auch bestehe seinerseits ein Leistungsverweigerungsrecht.
Mit weiterem Schreiben vom 24. November 2015 beantragte der Antragsteller sinn-gemäß beim Verwaltungsgericht München,
die Vollstreckung wegen der im Schreiben vom 12. November 2015 angemahnten Beträge vorläufig einzustellen.
Zur Begründung trägt er vor, die Forderungen seien nicht substantiiert dargelegt und verjährt. So könne die Forderung in Höhe von 867,88 EUR für 2012 gar nicht bestehen. Im Übrigen seien für die Jahre 2010 bis 2014 andere Stellen zuständig, nämlich das Landratsamt bzw. das Jobcenter …. Zudem seien die Beträge auch nicht fällig, da dem Antragsteller ein Leistungsverweigerungsrecht zustehe, namentlich Forderungen aus Gesundheitsschäden, Vorauszahlungen für Gebühren für Verbesserungsmaßnahmen sowie Schadenersatz wegen Blockierens seiner Feuerwehrzufahrt durch einen Gemeinderat. Auch seien diese Forderungen durch eine Sicherungshypothek gesichert, so dass kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2015 wies der Antragsteller nochmals darauf hin, dass ihm ein Bescheid über 867,88 EUR für 2012 nicht vorliege. Die Mahnung stelle einen Verwaltungsakt dar, der Regelungscharakter ergebe sich aus der Nichtberücksichtigung seines Leistungsverweigerungsrechts; folglich sei vorläufiger Rechtschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 legte die Antragsgegnerin dem Gericht aus-zugsweise die Verwaltungsakten vor und führte aus, der in der Mahnung aufgeführte Betrag in Höhe von 867,88 EUR sei tatsächlich nicht korrekt, es handle sich um einen Übertragungsfehler; der richtige Betrag laute 861,88 EUR.
Ein insoweit „korrigiertes“ Mahnschreiben wurde dem Antragsteller unter dem 22. Dezember 2015 sowie dem Gericht in Abdruck zugeleitet.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2016 erklärte der Antragsteller die Hauptsache darauf-hin teilweise für erledigt.
Im Übrigen machte er geltend, dass es nicht möglich sei, die in den Mahnschreiben der Antragsgegnerin jeweils aufgeführten Forderungen den betroffenen Veranlagungszeiträumen zuzuordnen. Zeiträume würden verwechselt. Außerdem müssten die aufgeführten Beträge vom Sozialamt … im Rahmen der Grundsicherung übernommen werden. Damit seien die behaupteten Forderungen nicht fällig, auch liege Verjährung vor. Zudem verwies er nochmals auf die ihm zustehenden Gegenforderungen und Leistungsverweigerungsrechte. Schließlich bestehe auch ein Anspruch auf Erlass der Abgaben nach § 227 AO, da die gegenwärtige Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers durch die Antragsgegnerin zu vertreten sei.
Unter dem 24. Februar 2016 legte die Antragsgegnerin auf Anforderung des Gerichts die weiteren Behördenakten vor, darunter insbesondere eine Übersicht, wie sich die angemahnten Beträge unter Berücksichtigung der vom Landratsamt … geleisteten Zahlungen zusammensetzen.
Gleichzeitig stimmte sie der teilweisen Erledigterklärung des Antragstellers zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Antragsteller wendet sich gegen das Mahnschreiben der Antragsgegnerin vom 12. November 2015 in der Fassung vom 22. Dezember 2015.
1. Nach der Herabsetzung der angemahnten Rückstände um sechs Euro in dem „korrigierten“ Mahnschreiben vom 22. Dezember 2015 hat der Antragsteller mit Schreiben vom 4. Januar 2016 die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Unter dem 24. Februar 2016 hat die Antragsgegnerin der Erledigterklärung zugestimmt. Das Verfahren war daher insoweit in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der VwGO einzustellen.
2. Im Übrigen richtet sich das Rechtschutzersuchen des nicht rechtsanwaltlich vertretenen Antragstellers nach entsprechender Auslegung (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO) darauf, die Antragsgegnerin gerichtlich zu verpflichten, die mit den Mahnschreiben eingeleitete Vollstreckung aus den Kommunalabgabenbescheiden vorläufig einzustellen.
3. Der Antrag ist nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässig (a), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg (b).
a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft und damit nicht vorrangig gemäß § 123 Abs. 5 VwGO, denn bei dem streitgegenständlichen Mahnschreiben vom 12. November 2015 in der Fassung vom 22. Dezember 2015 handelt es sich nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt der Antragsgegnerin. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Mahnung keine Vollstreckungsmaßnahme, sie stellt lediglich eine Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung dar (vgl. die Nachweise bei Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand: Dezember 2015, Art. 23 VwZVG Ziff. III.3).
Auch die Aufnahme der Säumniszuschläge in die Mahnung der Antragsgegnerin stellt eine reine Vorbereitungshandlung für das Vollstreckungsverfahren dar, der keine eigenständige Regelungsqualität zukommt (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 13.9.99 – 23 ZB 99.2507 – juris Rn. 4). Ebenso wenig stellt der Ansatz einer Mahngebühr von 28 Euro einen Verwaltungsakt dar, sondern eine gebührenpflichtige Amtshandlung (BayVGH, B.v. 13.9.99 – 23 ZB 99.2507 – juris Rn. 5).
Vielmehr sind materiell-rechtliche Einwendungen des Vollstreckungsschuldners, die sich gegen den Bestand der zu vollstreckenden Forderung oder aber gegen deren Vollstreckbarkeit richten, nach Art. 21 VwZVG bei der Anordnungsbehörde durch Antrag auf Einstellung der Vollstreckung geltend zu machen, der im Falle seiner Ablehnung durch die Anordnungsbehörde mit der Verpflichtungsklage im Hauptsacheverfahren weiterverfolgt werden kann (vgl. BayVerfGH, E.v. 12.10.1999 – Vf. 5-VI-98 – BayVBl 2000, 369). Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Anordnungsbehörde bestimmt sich damit nach § 123 VwGO (vgl. auch OVG MV, B.v. 11.5.2009 – 2 M 49/09 – juris Rn. 10). Er kann auch schon vor Klageerhebung beantragt werden.
b) Der so verstandene Antrag ist nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Dabei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist darüber hinaus grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Im zu entscheidenden Fall hat der Antragsteller keinerlei Umstände glaubhaft gemacht hat, die ein Unterlassen bzw. die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch die Antragsgegnerin gemäß Art. 21, 22 VwZVG rechtfertigen könnten. Weder hat er insoweit durchgreifende Einwendungen gegen den Bestand der zu vollstreckenden Forderung oder aber gegen deren Vollstreckbarkeit geltend gemacht. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass Einwendungen, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, nach Art. 21 Satz 2 VwZVG nur zulässig sind, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können.
aa) Die Vollstreckungsvoraussetzungen hinsichtlich der geforderten Abgaben liegen vor.
Bei den in dem streitgegenständlichen Mahnschreiben vom 12. November 2015 in der Fassung vom 22. Dezember 2015 angemahnten Forderungen handelt es sich um Kommunalabgaben, namentlich um Gebühren nach Art. 8 KAG für die Benutzung der gemeindlichen Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlage sowie um Grundsteuer, deren Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist (vgl. Art. 106 Abs. 6 GG, § 1 GrStG, Art. 18 KAG). Die Vollstreckung kommunaler Abgaben und ihrer Nebenleistungen einschließlich Säumniszuschlägen erfolgt in Bayern nach dem Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG), Art. 18 Abs. 1 VwZVG, soweit nicht Art. 13 Abs. 1 Nr. 6 KAG ergänzend auf Sonderregelungen der Abgabenordnung verweist.
Nach Art. 19 i. V. m. Art. 23 Abs. 1, 2 VwZVG kann ein Verwaltungsakt, mit dem eine öffentlich-rechtliche Geldleistung gefordert wird (Leistungsbescheid) vollstreckt werden, wenn er dem Leistungspflichtigen zugestellt ist, die Forderung fällig ist und der Leistungspflichtige von der Anordnungsbehörde oder von der für sie zuständigen Kasse oder Zahlstelle nach Eintritt der Fälligkeit durch verschlossenen Brief, durch Nachnahme oder durch ortsübliche öffentliche Bekanntmachung ergebnislos aufgefordert worden ist, innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens einer Woche zu leisten (Mahnung).
Die Gebührenbescheide der Antragsgegnerin vom 24. November 2010, vom 24. November 2011, vom 23. November 2012, vom 25. November 2013 und vom 25. November 2014 wurden dem Antragsteller bzw. seinem Betreuer nach Maßgabe von Art. 17, Art. 7 Abs. 1 KAG jeweils zugestellt bzw. zugesandt. Gleiches gilt für den Grundsteuerbescheid vom 27. Januar 2004 (vgl. Art. 23 Abs. 2 KAG).
Einwendungen gegen die Festsetzung der Abgaben an sich hat der Antragsteller weder dem Grunde noch der Höhe nach geltend gemacht. Im Übrigen wären sie auch nach Art. 21 Satz 2 VwZVG unzulässig.
Die insoweit noch offenen Forderungen waren auch fällig im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG. Soweit der Antragsteller gegen die Abgabenbescheide Widerspruch eingelegt hat, entfaltet dieser jeweils keine aufschiebende Wirkung (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Antragsteller hat keine Zahlungen geleistet.
Das Mahnschreiben der Antragsgegnerin vom 12. November 2015 in der Fassung vom 22. Dezember 2015 ist schließlich nicht zu beanstanden, insbesondere enthält es die Aufforderung zur Zahlung binnen sieben Tagen (vgl. Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG).
bb) Die Forderungen sind nicht infolge des Eintritts der Zahlungsverjährung erloschen i. S. d. Art. 22 Nr. 3 VwZVG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG, § 47 AO.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i. V. m. § 228 AO unterliegen Ansprüche aus dem Abgabeschuldverhältnis der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist. Gemäß § 229 AO beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist.
Die Forderung aus dem hier „frühesten“ Gebührenbescheid vom 24. November 2010 wurde am 27. Dezember 2010 fällig. Zahlungsverjährung wäre mit Ablauf des Jahres 2015 eingetreten, die Mahnung vom 12. November 2015 in der Fassung vom 22. Dezember 2015 hat die Verjährungsfrist damit noch rechtzeitig gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i. V. m. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen.
cc) Die Forderungen sind auch nicht nachträglich durch Aufrechnung erloschen i. S. d. Art. 22 Nr. 3 VwZVG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG, § 47 AO.
Ungeachtet der Tatsache, dass der Antragsteller seine geltend gemachten Gegenforderungen weder dem Grunde noch der Höhe nach präzisiert hat, können die Abgabepflichtigen gegen Ansprüche aus dem Abgabeverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i. V. m. § 226 Abs. 3 AO). Solche sind hier nicht gegeben.
dd) Auch der Einwand des Antragstellers, er habe einen Anspruch auf Erlass der Abgaben nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i. V. m. § 227 AO, weil die Umstände seiner festgestellten Erwerbsunfähigkeit von der Antragsgegnerin zu vertreten seien, greift nicht durch.
Zwar kann die Vollstreckung im Einzelfall unbillig und daher gemäß Art. 22 Nr. 4 VwZVG einzustellen sein, wenn die Voraussetzungen für einen solchen Erlass offensichtlich vorliegen (Giehl/Adolph/Käß a. a. O. Art. 22 VwZVG Ziff. 4). Ein solcher offensichtlicher Anspruch ist hier aber unter keinen Gesichtspunkten erkennbar; auch wäre der Erlassantrag zunächst bei der Antraggegnerin unter substantiierter Darlegung der Erlassgründe (sachliche/persönliche Unbilligkeit der Forderungen) zu stellen.
ee) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist auch die Forderung der Säumniszuschläge in Höhe von 315 Euro in der Mahnung rechtlich zulässig.
Der Säumniszuschlag entsteht kraft Gesetzes, wenn der Säumnistatbestand verwirklicht ist (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und b KAG i. V. m. § 218 Abs. 1 2. Halbsatz und § 240 AO). Eines Leistungsgebotes wegen der Säumniszuschläge bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Abgabe (hier Benutzungsgebühren und Grundsteuer) beigetrieben werden (Art. 13 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KAG i. V. m. § 254 Abs. 2 Satz 1 AO). Dass die Säumniszuschläge der Höhe nach unzutreffend ermittelt sein könnten, wurde hier nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
ff) Schließlich ist auch die in dem Mahnschreiben angesetzte Mahngebühr von 28 Euro angesetzt nicht zu beanstanden.
Bei der Mahnung handelt es sich um eine kostenpflichtige Amtshandlung im Sinne von § 1 der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Verwaltungskosten für Amtshandlungen im eigenen Wirkungskreis – Kostensatzung – vom 17. Dezember 2009, die sie auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 1, 2 KG entsprechend der Mustersatzung des Bayer. Staatsministerium des Innern erlassen hat. Kostenschuldner ist der Antragsteller als Veranlasser, Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG.
Die Höhe der angesetzten Mahngebühr bemisst sich nach § 2 der Kostensatzung i. V. m. TarifNr. 03.031 des Kommunalen Kostenverzeichnisses (KommKVz) „Anmahnung rückständiger Beträge“; dort ist ein Gebührenrahmen von 5 bis 150 Euro vorgesehen. Dass die Antragsgegnerin diesen Rahmen mit der Forderung von 28 Euro Mahngebühren in unrechtmäßiger oder unverhältnismäßiger Weise genutzt hätte, ist auch in Anbetracht der Höhe der angemahnten Wasser- und Kanalgebühren- sowie Grundsteuerrückstände nicht ersichtlich.
c) Nach alledem war der Antrag im Übrigen abzulehnen.
4. Die einheitliche Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO i. V. m. § 161 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziff. 1.5 und 1.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (1/8 der angemahnten Forderung).

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