Aktenzeichen 8 U 3643/17
Leitsatz
1 Die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger, das ihnen nach § 85 Abs. ZPO zuzurechnen ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Klägervertreter hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass er durch eine ordnungsgemäße Organisation der Ausgangskontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Verzögerung des Eingangs einer Rechtsmittelschrift, die auf eine falsche Adressierung zurückzuführen ist, hat der Prozessbevollmächtigte grundsätzlich selbst zu vertreten. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4 Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger ist es zudem als eigenes Verschulden anzulasten, dass er es versäumt hat, die ursprünglich fehlerhaft an das Landgericht München II adressierte und von ihm unterschriebene Berufungsschrift zu vernichten und damit zu vermeiden, dass diese mit seiner Unterschrift versehene Berufungsschrift in den Verkehr gebracht wird. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
1 O 2379/12 (2) 2017-09-28 TeU LGMUENCHENII LG München II
Tenor
I. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung der Kläger gegen das Teilurteil des Landgerichts München II vom 28.09.2017, Az.: 1 O 2379/12, wird als unzulässig verworfen.
III. Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten, die dem Beklagten durch die Berufung der Kläger entstanden sind.
IV. Der Streitwert für die Berufung der Kläger wird auf € 20.000,00 festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kläger fordern von dem Beklagten, ihrem Nachbarn, den Rückschnitt von Ästen und Zweigen, die auf ihr Grundstück ragen, sowie den Rückschnitt bzw. die Beseitigung einer Thujenhecke wegen Beeinträchtigung ihres Gehund Fahrtrechts.
Mit Teilurteil vom 28.09.2017 (Az.: 1 O 2379/12) hat das Landgericht München II der Klage hinsichtlich des begehrten Rückschnitts der Äste und Zweige teilweise stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Das Teilurteil des Landgerichts München II wurde dem Klägervertreter am 09.10.2017 zugestellt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.11.2017 (Bl. 336/337 d.A.) legten die Kläger gegen das Urteil Berufung ein. Die Berufung war im Briefkopf an das Landgericht München II adressiert und ging dort per Fax am 09.11.2017 und im Original am 13.11.2017 ein. Mit Verfügung vom 13.11.2017 wurde die Berufungsschrift samt Akten dem Oberlandesgericht München zugeleitet. Dort ging die Berufungsschrift mit Akten am 14.11.2017 ein (Bl. 336/337 d. A.).
Mit an das Oberlandesgericht München adressiertem anwaltlichem Schriftsatz vom 14.11 .2017 (Bl. 338/340 d.A.) beantragten die Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legten erneut Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts München II ein. Der Klägervertreter führte aus, dass die langjährige, gut geschulte und ansonsten äußerst zuverlässige Mitarbeiterin des Klägervertreters versehentlich einen vorherigen irrtümlich an das Landgericht München II adressierten Schriftsatz an das Landgericht gefaxt habe und entgegen der Weisung des Klägervertreters nicht den für das OLG München vorbereiteten Schriftsatz an das OLG München.
II.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO ist zulässig, aber unbegründet. Der Antrag war daher zurückzuweisen, § 238 ZPO.
Die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger, das ihnen nach § 85 Abs. ZPO zuzurechnen ist.
Der Klägervertreter hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass er durch eine ordnungsgemäße Organisation der Ausgangskontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (BGH NJW-RR 2017, 1139, beckonline). Der Klägervertreter trägt nicht vor, dass er entsprechende organisatorische Anweisungen in seiner Kanzlei getroffen hat. Er macht vielmehr geltend, dass die langjährige, gut geschulte und ansonsten äußerst zuverlässige Mitarbeiterin des Klägervertreters versehentlich einen irrtümlich an das Landgericht München II adressierten Schriftsatz an das Landgericht gefaxt habe und nicht den für das OLG München vorbereiteten Schriftsatz an das OLG München.
Auch insoweit ist höchstrichterlich entschieden, dass eine Verzögerung des Eingangs einer Rechtsmittelschrift, die auf eine falsche Adressierung zurückzuführen ist, der Prozessbevollmächtigte grundsätzlich selbst zu vertreten hat (vgl. BGH NJW-RR 1987, 319). Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger ist es zudem als eigenes Verschulden anzulasten, dass er es versäumt hat, die ursprünglich an das Landgericht München II adressierte und von ihm unterschriebene Berufungsschrift zu vernichten und damit zu vermeiden, dass diese mit seiner Unterschrift versehene Berufungsschrift in den Verkehr gebracht wird. Damit ist der Klägervertreter seiner Verpflichtung, für eine sorgsame Ausgangskontrolle zu sorgen und alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, nicht nachgekommen. Der Klägervertreter hätte die mit seiner Unterschrift versehene Berufungsschrift, die versehentlich an das Landgericht München II adressiert war, aus dem Verkehr ziehen müssen oder zumindest auf dem Schriftstück eindeutig erkennbar machen müssen, dass es sich bei diesem Schriftsatz um einen überholten, nicht mehr existenten, da fehlerhaften Entwurf handelt. Der Klägervertreter hat jedoch derartiges nicht vorgetragen.
2. Die Berufung der Kläger ist wegen Versäumnis der Berufungsfrist als unzulässig zu verwerfen, §§ 522 Abs. 1, 517 ZPO. Das erstinstanzliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 09.10.2017 zugestellt. Die Berufungsfrist endete damit gemäß §§ 517, 222 Abs. 1. 2 ZPO in Verbindung mit § 188 Abs. 2 BGB am 09.11.2017 um 24 Uhr.
Gemäß § 519 Abs. 1 ZPO wird die Berufung durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. Die Berufungsschrift ist vorliegend nach Weiterleitung durch das Landgericht München II am 14.11.2017 und damit verspätet beim zuständigen Oberlandesgericht München eingegangen. Die Verzögerung des Eingangs ist darauf zurückzuführen, dass die Berufungsschrift entgegen § 519 Abs. 1 ZPO nicht an das Oberlandesgericht München, sondern an das Landgericht München II adressiert und versendet worden war. Vom vorbefassten Landgericht konnte auf Grund der einem Verfahren nachwirkenden Fürsorgepflicht (vgl. BVerfG NJW 2005, 2137) auch nicht erwartet werden, die Berufungsschrift noch innerhalb der Berufungsfrist an das zuständige Oberlandesgericht weiter zu leiten, da die Schrift erst am letzten Tag der Berufungsfrist beim Landgericht München II eingegangen ist.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 ZPO; §§ 47,48 GKG, § 3 ZPO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten bleibt der Endentscheidung in diesem Verfahren vorbehalten.