Aktenzeichen 42 T 196/16
Leitsatz
Bei der Ermittlung des Wertes der Insolvenzmasse nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG sind die Kosten der Betriebsfortführung in Abzug zu bringen. (Rn. 16 ff.)
Verfahrensgang
IN157/03 2016-09-14 Bes AGBAYREUTH AG Bayreuth
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Treuhänders gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 14.09.2016, Az. IN 157/03, wird die Schlusskostenrechnung vom 05.09.2014 (KR XIII) geändert wie folgt:
Es wird eine Gebühr Nr. 2310 KV zum GKG statt in Höhe von 3.578,00 Euro in Höhe von 2.003,00 Euro angesetzt.
Es wird eine Gebühr Nr. 2320 KV zum GKG statt in Höhe von 17.890,00 Euro in Höhe von 10.015,00 Euro angesetzt.
Im Übrigen bleibt der Kostenansatz unberührt, so dass sich ein neuer Gesamtbetrag in Höhe von 16.187,68 Euro ergibt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen, soweit sie sich dagegen wendet, dass bei der Wertermittlung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG die Kosten der Betriebsfortführung berücksichtigt wurden.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung einer Kostenerinnerung.
Hinsichtlich des Sachverhaltes wird zunächst auf Ziffer I der Gründe des Beschlusses des Landgerichts Bayreuth vom 01.06.2016 im Verfahren 42 T 73/16 Bezug genommen (vgl. Bl. 1205 f. d. A.).
Das Amtsgericht Bayreuth erstellte unter dem Datum vom 05.09.2014 am 01.03.2016 eine Schlusskostenrechnung in Höhe von 25.637,68 Euro (vgl. Bl. XII d. A.). Dabei legte die zuständige Rechtspflegerin ausgehend von Gesamteinnahmen in Höhe von 1.821.806,98 Euro und zu erwartenden Vorsteuererstattungen in Höhe von 35.354,73 Euro der Ermittlung der Gebühren nach Nr. 2310 und 2320 KV zum GKG einen Gesamtwert von 1.857.161,71 Euro zugrunde.
Gegen die Schlusskostenrechnung vom 01.03.2016 hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 10.03.2016 (vgl. Bl. 1027 ff. d. A.) Erinnerung eingelegt. Er wendet sich zum einen dagegen, dass hinsichtlich der Wertermittlung ausschließlich auf die Aktivwerte abgestellt wurde und die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten nicht in Abzug gebracht wurden. Zum anderen macht er geltend, dass die aus den entnommenen Vergütungsvorschüssen zu berechnende Vorsteuer bereits an die Masse zurückgeflossen sei und in der Masse bereits enthalten sei. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Schriftsatz vom 10.03.2016 verwiesen.
Das Amtsgericht Bayreuth hat der Erinnerung nach Zwischenverfügung vom 22.03.2016 (vgl. Bl. 1048 d. A.), Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 31.03.2016 (vgl. Bl. 1065 f. d. A.), weiterer Zwischenverfügung vom 04.04.2016 (vgl. Bl. 1147 d. A.), erneuter Stellungnahme des Beschwerdeführers (vgl. Bl. 1155 d. A.) und Stellungnahme der Bezirksrevisorin (vgl. Bl. 1172 f. d. A.) mit Beschluss vom 13.04.2016 (vgl. Bl. 1179 d. A.) teilweise abgeholfen.
Zuvor hatte das Amtsgericht am 04.04.2016 erneut eine Schlusskostenrechnung vom 05.09.2014 erstellt (vgl. Bl. XIII d. A.). Dabei legte die Rechtspflegerin ausgehend von Gesamteinnahmen in Höhe von 1.821.806,98 Euro und zu erwartenden Vorsteuererstattungen in Höhe von 34.427,34 Euro der Ermittlung der Gebühren nach Nr. 2310 und 2320 KV zum GKG einen Gesamtwert von 1.856.234,32 Euro zugrunde. Diese Werte entsprechen denen, auf welche sich die Teilabhilfeentscheidung vom 13.04.2016 bezieht.
Mit Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 01.06.2016 wurde die Festsetzung der Vergütung auf die Beschwerde der Schuldnerin geändert. Aus der geänderten Vergütungsfestsetzung ergibt sich ein nunmehr festgesetzter Umsatzsteuerbetrag in Höhe von insgesamt 25.739,37 Euro.
Der Beschwerdeführer hat zur teilweisen Nichtabhilfe mit Schriftsatz vom 23.06.2016 (vgl. Bl. 1244 ff. d. A.) Stellung genommen.
Das Amtsgericht Bayreuth hat die Erinnerung mit Beschluss vom 14.09.2016 (vgl. Bl. 1289 d. A.) zurückgewiesen, soweit ihr nicht mit Beschluss vom 13.04.2016 abgeholfen wurde.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29.09.2016 (vgl. Bl. 1292 ff. d. A.) Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 29.09.2016 verwiesen.
Das Amtsgericht Bayreuth hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt (vgl. Bl. 1295 d. A.).
II.
1. Die nach § 66 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
a) Berücksichtigung von Kosten der Betriebsfortführung Der Beschwerdeführer macht zu Recht geltend, dass in der Kostenrechnung des Amtsgerichts Bayreuth bei den Gebühren nach Nr. 2310 und 2320 KV zum GKG in Bezug auf den Wert der Insolvenzmasse ausschließlich auf die Aktivwerte abgestellt wurde und die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten nicht in Abzug gebracht wurden.
Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG werden die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben.
Ob im Fall einer Betriebsfortführung in die Ermittlung des Wertes der Insolvenzmasse nur der Überschuss oder sämtliche Einnahmen ohne Berücksichtigung der Ausgaben einfließen, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten (für sämtliche Einnahmen einerseits OLG München, ZinsO 2012, 1822; OLG Düsseldorf, NZI 2010, 861; so auch Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 4. Aufl. 2016, § 15 Rn. 10; für den Überschuss andererseits OLG Hamm, ZIP 2013, 470; OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2012 I-15 W 198/12, BeckRS 2013, 14547; OLG Düsseldorf ZIP 2012, 1089; OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.04.2014 – 8 W 149/14, BeckRS 2014, 09794; OLG Koblenz, ZIP 2014, 385; OLG Dresden, NZI 2014, 76; so auch Grub, NZI 2012, 949; Schoppmeyer, ZIP 2013, 811; Meyer, GKG, FamGKG, 14. Aufl. 2014, § 58 Rn. 4; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 68. Lfg. 09.2016, § 13 Rn. 250; offen gelassen in BGH, Urteil vom 05.03.2015 – IX ZR 164/14, Rn. 25, juris; vgl. zum Streitstand auch Keller, in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 128 Rn. 29).
Das Beschwerdegericht schließt sich der Rechtsauffassung an, wonach für die Ermittlung des Wertes der Insolvenzmasse nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht allein auf die Aktivwerte abzustellen ist, sondern die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten in Abzug zu bringen sind.
Schon der Wortlaut des § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG spricht dafür, nicht allein die Aktivwerte anzusetzen, sondern auch während der Betriebsfortführung entstandene Kosten zu berücksichtigen (vgl. Grub, NZI 2012, 949 f.: der Wortlaut sei „eindeutig“). Anders als § 35 InsO, der den Begriff der Insolvenzmasse definiert und damit klärt, welches Vermögen vom Insolvenzverfahren erfasst ist, bestimmt § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG, dass für die entstehenden Gerichtsgebühren der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens maßgeblich sein soll. Die Vorschriften verfolgen damit unterschiedliche Regelungszwecke (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.04.2014 – 8 W 149/14, BeckRS 2013, 09794). Zutreffend wird der Wert der Insolvenzmasse im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG somit als wirtschaftlicher Wert verstanden (vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 1089).
Nach der Gesetztessystematik ist der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens sowohl für die Verwaltervergütung (§ 63 Abs. 1 Satz 2 InsO) als auch für die Berechnung der Gerichtsgebühren nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG maßgeblich. Demnach ist es sachgerecht, den Wert der Insolvenzmasse für die Gebührenberechnung ebenso zu bestimmen wie für die Verwaltervergütung.
Auch eine historische Auslegung der Vorschrift ergibt, dass bei der Ermittlung des Wertes die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten abzuziehen sind (vgl. Schoppmeyer, ZIP 2013, 811, 814). Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur InsO vom 15. April 1992 (BT-Drucks. 12/2443, S. 130) und zum EGInsO vom 24. November 1992 (BT-Drucks. 12/3803, S. 72) ist zu entnehmen, dass für das einheitliche Insolvenzverfahren der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens maßgeblich sein soll – für die Erhebung der Gerichtskosten ebenso wie für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.04.2014 – 8 W 149/14, BeckRS 2013, 09794). Dieser gewollte Gleichlauf ist zu erreichen, wenn auch der Berechnung der Gerichtsgebühren der Überschuss der Betriebsfortführung und nicht nur die Einnahmen zugrunde gelegt werden.
Insoweit bedarf es keiner analogen Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 b) InsVV, der dies für die Verwaltervergütung ausdrücklich festlegt. Denn die Verordnung kann den Begriff des Wertes der Insolvenzmasse ohnehin nur ausgestalten, nicht aber in seiner grundsätzlichen Festlegung verändern (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18.01.2013 – I-25 W 262/12, BeckRS 2013, 03929; Grub, NZI 2012, 949, 952). Die Argumentation des OLG München (vgl. ZinsO 2012, 1822) in Bezug auf die unterschiedliche Rechtsqualitiät geht daher fehl.
Auch nach Sinn und Zweck der Regelung in § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG ist ein Abzug der mit der Betriebsfortführung entstandenen Kosten geboten. Denn die Vorschrift bezweckt nicht eine möglichst hohe Teilhabe des Staates an der Fortführung insolventer Unternehmen im Sinne einer Umsatzbeteiligung, sondern eine Berechnung der Gebühren nach dem wirtschaftlichen Wert, welcher nach Durchführung des Insolvenzverfahrens am Ende vorhanden ist (vgl. Grub, NZI 2012, 949, 951).
Damit sind von dem Aktivwert von 1.821.806,98 Euro die Betriebsausgaben in Höhe von 1.019.921,13 Euro abzuziehen, so dass sich daraus ein entsprechend geringerer Wert der Insolvenzmasse in Höhe von 801.885,85 Euro bei der Beendigung des Verfahrens ergibt (vgl. Bl. 378 f., 405 und 557 d. A.).
Insoweit ist die sofortige Beschwerde daher begründet.
b) Vorsteuererstattungsbeträge aa) Mit der Beschwerde wird darüber hinaus die Erhöhung der Berechnungsgrundlage nach § 58 Abs. 1 Satz 1GKG wegen der zu erwartenden Umsatzsteuererstattung aus der festgesetzten Verwaltervergütung angegriffen.
Für die Verwaltervergütung selbst ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass sicher zu erwartende Umsatzsteuererstattungen die Bemessungsgrundlage erhöhen (vgl. BGH NZI 2008, 97).
Ebenso wie bei der Verwaltervergütung sind aber auch für die Berechnung der Gerichtsgebühren nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG nach der Schlussrechnungslegung bis zur endgültigen Verfahrensaufhebung erfolgende Massezuflüsse zum Gegenstandswert der Gebühren hinzuzurechnen (vgl. Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 4. Aufl. 2016, § 15 Rn. 9 mit Verweis auf § 3 Rn. 55 ff.).
bb) Hinsichtlich des zu berücksichtigenden Vorsteuererstattungsbetrages ergibt sich eine Änderung des Kostenansatzes im vorliegenden Fall aber bereits daraus, dass aufgrund der Beschwerde der Schuldnerin die Festsetzung der Vergütung des Verwalters abgeändert wurde. Abweichend von der angefochtenen Kostenrechnung ist nicht mehr von einem maximalem Vorsteuererstattungsbetrag in Höhe von 35.354,73 Euro, bzw. aufgrund der Teilabhilfe in Höhe von 34.427,34 Euro auszugehen. Vielmehr ist aufgrund der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 01.06.2016 (vgl. Bl. 1204 ff. d. A.) von einem maximalen Vorsteuererstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 25.739,37 Euro auszugehen.
Damit ergibt sich als Berechnungsgrundlage für die Wertgebühren ein Betrag in Höhe von 801.885,85 Euro + 25.739,37 Euro = 827.625,22 Euro.
cc) Ob der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Abzug wegen der Vorsteuererstattungen auf die entnommenen Vorschüsse, welche nach seinem Vortrag bereits in Höhe von 14.040,00 Euro der Masse zugeflossen seien, gerechtfertigt ist, kann dahinstehen.
Insoweit hält das Beschwerdegericht den Vortrag des Beschwerdeführers zwar für ausreichend, um von einem entsprechenden Erstattungsbetrag auszugehen, allerdings kommt es im Ergebnis nicht darauf an, weil die Gebühren nach Nr. 2310 und 2320 KV zum GKG für eine Insolvenzmasse mit einem Betrag über 800.000,00 Euro bis 850.000,00 in gleicher Höhe anfallen, vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.
Damit sind die Gebühren nach Nr. 2310 und 2320 KV zum GKG in jedem Fall aus einem Wert in Höhe von 800.000,00 Euro bis 850.000,00 Euro zu ermitteln.
c) Ermittlung der Gerichtskosten
Demnach ergibt sich folgende geänderte Gerichtskostenrechnung:
Es ist eine Gebühr nach Nr. 2310 KV zum GKG a.F. aus einem Wert über 800.000,00 Euro bis 850.000,00 in Höhe von 2.003,00 Euro anzusetzen.
Hinzu kommt die weitere Gebühr nach Nr. 2320 KV zum GKG a.F. aus einem Wert über 800.000,00 Euro bis 850.000,00 in Höhe von 10.015,00 Euro.
Die Summe der Gerichtskosten, die im Übrigen nicht angegriffen wurden, ergibt danach 16.187,68 Euro.
2. Die weitere Beschwerde war gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG hinsichtlich der Frage, ob bei der Wertermittlung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten zu berücksichtigen sind, zuzulassen, nachdem es sich um eine Rechtsfrage handelt, die in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten und von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde nicht vor.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist nach § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nach § 66 Abs. 8 Satz 2 GKG nicht statt.