Aktenzeichen B 5 K 15.307
GG GG Art. 12, Art. 33 Abs. 5
Leitsatz
Aufwendungen, die Frauen mit erblich bedingtem erhöhten familiären Brust- und Eierstockkrebsrisiko durch die Teilnahme am Früherkennungsprogramm für Risikofeststellung und interdisziplinäre Beratung, Gendiagnostik und Früherkennung entstehen, können nur dann als beihilfefähig anerkannt werden, wenn diese Leistungen von einem von der Deutschen Krebshilfe zugelassenen Zentrum erbracht worden sind. (redaktioneller Leitsatz)
Einen Grundrechtseingriff in Art. 12 GG wegen der Beschränkung auf ein von der Deutschen Krebshilfe zugelassenes Zentrum kann die Klägerin selbst nicht rügen. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit für nicht durch ein von der Deutschen Krebshilfe zugelassenes Zentrum erbrachte Leistungen verstößt nicht gegen die Fürsorgepflicht, wenn der Dienstherr zur Sicherstellung des Qualitätsstandards eine solche Festlegung vornimmt. (redaktioneller Leitsatz)
Die Genanalyse wäre im Übrigen für gesunde Ratsuchende wie der Klägerin nur bis zu einem Betrag von 360 Euro erstattungsfähig, da bei ihr kein Indexfall vorliegt. (redaktioneller Leitsatz)
Der Ausschuss der Beihilfefähigkeit für die Inanspruchnahme von Früherkennungsmaßnahmen verletzt weder die Fürsorgepflicht noch das Alimentationsprinzip, da auch die gesetzliche Krankenversicherung derartige Leistungen nicht übernimmt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfeleistungen für die Aufwendungen zur genetischen Beratung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Beihilferechtliche Streitigkeiten sind grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe begehrt wird, zu beurteilen (vgl. BVerwG, U. v. 2.4.2014 – 5 C 40/12 – NVwZ-RR 2014, 609 – juris Rn. 9; BVerwG, U. v. 8.11.2012 – 5 C 4/12 – juris Rn. 12). Maßgebend für die Beihilfefähigkeit der in Streit stehenden Aufwendung ist, wenn man darauf abstellt, dass die Aufwendungen mit der Blutentnahme für die humangenetische Beratung (am 15. Juli 2014) entstanden sind, die Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) i. d. F.d.Bek. vom 2. Januar 2007 (GVBl 2007 S. 15). Die Kosten für eine Gendiagnose als Vorsorgemaßnahme werden hierbei von § 41 Abs. 1 Nr. 3 BayBhV nicht erfasst. Nach den Verwaltungsvorschriften zur Bayerischen Beihilfeverordnung (VV-BayBhV) in der Fassung der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 26. Juli 2007 (Az.: 25 – P 1820 – 1075 – 26 929/07) können aber Aufwendungen, die Frauen mit erblich bedingten erhöhten familiären Brust- und Eierstockkrebsrisiko durch die Teilnahme am Früherkennungsprogramm für Risikofeststellung und interdisziplinäre Beratung, Gendiagnostik und Früherkennung entstehen, als beihilfefähig anerkannt werden. Dies gilt nach dem eindeutigen Wortlaut aber nur bei Leistungserbringung durch von der Deutschen Krebshilfe zugelassene Zentren nach Ziff. 2.4 VV-BayBhV zu § 41 Abs. 1.
Selbiges gilt, wenn man für das Entstehen der Aufwendung auf die tatsächlich durchgeführte Nukleinsäurenisolierung am 13.11.2014 abstellt, nach § 41 Abs. 2 BayBhV i. d. F.d.Bek. der Änderungsverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl S. 352). Da die Klägerin die Leistung nicht von einem von der Deutschen Krebshilfe zugelassenen Zentrum hat erbringen lassen, sind die ihr entstandenen Aufwendungen nicht beihilfefähig.
Zwar haben die Verwaltungsvorschriften zur Bayerischen Beihilfeverordnung keine Außenwirkung. Neben dem Anspruch auf Beihilfe ergibt sich aber aus den Beihilfevorschriften ein Rechtsanspruch auf gleichmäßige Ermessensausübung. Die Behörde würde durch bewusstes oder unbewusstes Abweichen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, wenn kein sachlicher Grund (atypischer Fall) für die Abweichung vorliegen würde und die Verwaltungspraxis rechtmäßig ist (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Länder und Kommunen, Band 2, Stand 1.11.2015, AV, § 1 Rn. 7). Da hier für einen atypischen Fall nichts vorgetragen und dies auch sonst nicht ersichtlich ist, ist die Beihilfebehörde im Rahmen ihres Ermessens an die vorgenannten Vorschriften gebunden. Auf die medizinische Notwendigkeit (die wissenschaftliche Anerkennung der Methode, die Akkreditierung und Zertifizierung des Kompetenzzentrums Dr. … und die Angemessenheit der Höhe nach (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV) kommt es daher nicht an.
b) An der Verfassungsgemäßheit der Vorschriften hat das Gericht keinen Zweifel. Auch in anderen Bundesländern und für Bundesbeamte findet sich eine der Bayerischen Beihilfeverordnung entsprechende Vorschrift (z. B. § 43 Beihilfeverordnung Rheinland Pfalz oder § 41 Bundesbeihilfeverordnung). In folgenden Gerichtsentscheidungen wurde ebenfalls ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen abgelehnt, da kein Zentrum der Deutschen Krebshilfe aufgesucht wurde (VG Stuttgart, U. v. 16.09.2011 – 12 K 2249/11 – juris und VG München, U. v. 11.09.2013 – M 17 K 13.523 – juris). Ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG würde nur dann vorliegen, wenn die Regelung eine berufsregelnde Tendenz hätte. Dies wäre dann der Fall, wenn die Regelung die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern würde und in engem Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stünde. Die berufliche Tätigkeit müsste durch die Regelung nennenswert behindert werden (Jarass/Pieroth, GG, 10. Auflage 2009, Art. 12 Rn. 12). Eine solche nennenswerte Behinderung ist nicht erkennbar, zumal nur die streitgegenständliche Vorsorgeuntersuchung nicht aber sonstige Untersuchungen, Genanalysen und humangenetische Beratungen zur Abklärung eines Krankheitsbildes erfasst sind. Hinzu kommt, dass nur das Kompetenzzentrum Dr. …, nicht aber die Klägerin einen Grundrechtseingriff in Art. 12 GG rügen könnte.
c) Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit ist mit der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherren vereinbar. Hinsichtlich der Beihilferegelungen im einzelnen steht dem Normgeber bzw. dem Dienstherren in Bund und Ländern ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung, innerhalb dessen er die Voraussetzungen, den Umfang sowie die Art und Weise dieser speziellen Fürsorge bestimmen kann. Von Verfassung wegen fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheit-, Geburts- und Todesfällen entstandenen Aufwendung und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfange (BVerwG, U. v. 29.6.1995 – 2 C 15/94 – NJW 1996, 801 f.). Der streitgegenständlichen Beihilferegelung liegt ein Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 21. Februar 2007 zugrunde. Demnach wurde ein Früherkennungsprogramm in von der Deutschen Krebshilfe zugelassenen Zentren entwickelt. Es liegt innerhalb des Gestaltungsspielraums des Dienstherren, wenn er zur Sicherstellung dieses Qualitätsstandards eine solche Festlegung vornimmt.
d) Hinzu kommt, dass bei der Klägerin gar kein Indexfall vorliegt, der mit einer Pauschale von 5.900 EUR in einem zugelassenen Zentrum erstattungsfähig wäre. Ein Indexfall liegt nur bei der erkrankten Person vor (§ 41 Abs. 2 Satz 4 BayBhV bzw. Ziff. 2.2 VV-BayBhV zu § 41 Abs. 1). Als prädikativer Test kann er der gesunden Ratsuchenden nach § 41 Abs. 2 Satz 5 BayBhV bzw. Ziff. 2.3 VV-BayBhV zu § 41 Abs. 1 nur zugerechnet werden, wenn aus der Gentestung keine Therapieoptionen mehr für die bereits erkrankte Patientin abgeleitet werden können, oder die erkrankte Person eine Beratung ablehnt, jedoch der Genanalyse ihres Blutes zustimmt. Die Genanalyse für gesunde Ratsuchende – also hinsichtlich der mutierten Gensequenz – ist nur bis zu einem Betrag von 360 EUR erstattungsfähig (§ 41 Abs. 2 Satz 2 BayBhV bzw. Ziff. 2 VV-BayBhV zu § 41 Abs. 1). Diese Differenzierungen in der Betreuung im Früherkennungsprogramm: zum einen Risikofeststellung und interdisziplinäre Beratung (Umfang 900 EUR pro Familie) und zum anderen Genanalyse (5.900 EUR für einen Indexfall und 360 EUR für die Untersuchung der mutierten Gensequenz bei einer gesunden Ratsuchenden) zeigen auch, dass gerade der aus der Fürsorgepflicht entwickelte Grundsatz der Gleichbehandlung der Beamten für einen einheitlichen Standard und Prüfungsmaßstab beim Ersatz der Aufwendungen spricht. Der Schwerpunkt in der Untersuchung der Klägerin lag ausweislich der Rechnung gerade nicht auf der Risikofeststellung und der interdisziplinären Beratung, sondern auf der Genanalyse auf die ein Betrag von 5.094,11 EUR fiel.
e) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 7. November 2002 (2 BvR 1053/98 – BVerfGE 106, 225 f.) den Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Krankenhauswahlleistungen verfassungsrechtlich gebilligt und eine Verletzung der Fürsorgepflicht oder des Alimentationsprinzips verneint. Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gebietet es nicht, einem Beamten als Krankenhausversorgung mehr zu gewährleisten als das, was den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung als medizinisch gebotene Behandlung garantiert wird. Überträgt man diese Grundsätze auf die Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen, so ist es auch hier mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht verfassungsrechtlich vereinbar, wenn die Leistung nicht übernommen wird. Denn auch die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt eine derartige Leistung nicht. Dies ergibt sich aus der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krebserkrankungen i. d. F.d.Bek. vom 18. Juni 2009 (Bundesanzeiger 2009, Nr. 148a), zuletzt geändert am 15. Oktober 2015, (Bundesanzeiger AT 18.1.2016 B2), i. V. m. § 25 Abs. 2 und 3 SGB V. Unerheblich ist es daher auch, dass die Klägerin die Kosten von ihrer privaten Krankenkasse ersetzt bekommen hat.
f) Da keine Verletzung der Fürsorgepflicht vorliegt, liegt auch kein unzulässiger Eingriff in das Recht der Klägerin aus Art. 2 Abs.1 GG auf freie Arztwahl vor.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach die Klägerin als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung – ZPO -. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.750,61 EUR festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.