Aktenzeichen 22 C 18.687
VwGO § 67 Abs. 1, § 146 Abs. 2, § 173 S. 1
Leitsatz
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts als „Notanwalt“ (§ 78b Abs. 1 ZPO) kommt im erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, weil dort kein Vertretungserfordernis besteht. Die Beiordnung eines Anwaltes ist nur im Rahmen der Prozesskostenhilfe möglich. (Rn. 9 und 11) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 8 K 17.425 2018-02-05 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 5. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
1. Der Kläger hat beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg wegen behördlicher Anordnungen nach dem Schornsteinfeger-Handwerksgesetz Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist. In der am 26. April 2017 eingegangenen undatierten Klageschrift erwähnte er, dass er keinen Anwalt bekomme und man ihm auch keinen beiordne, weshalb ihm der direkte Zugang [gemeint ist wohl: Zugang zum Gericht] zu gewähren sei. Auf Bitte des Klägers um weitere Hinweise (Schreiben vom 2.5.2017) teilte ihm das Verwaltungsgericht mit, gemäß § 67 Abs. 1 VwGO könne er den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht ohne Rechtsanwalt führen (Schreiben vom 5.5.2017). Die Annahme dieses Schreibens (wie auch weiterer Mitteilungen) hat der Kläger – möglicherweise nach Öffnen des Umschlags – verweigert; das Postunternehmen sandte die Schreiben ans Verwaltungsgericht zurück. Der Briefumschlag trägt den handschriftlichen Vermerk „Annahme verweigert wegen Verbannung auf die schwarze Liste“. Eine E-Mail des Klägers vom 15. Dezember 2017 ans Verwaltungsgericht enthält u.a. den „Antrag auf Beiordnung eines Opferanwaltes“. Das Verwaltungsgericht teilte daraufhin dem Kläger mit, es werte diesen Antrag als Antrag auf Prozesskostenhilfe. Für deren Bewilligung sei eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich, der Kläger möge daher das beigefügte Formblatt ausfüllen und zurücksenden (Schreiben vom 18.12.2017). Auch dieses Schreiben kam – ebenso wie vorherige Mitteilungen – mit demselben genannten Vermerk über das Postunternehmen ans Verwaltungsgericht zurück. Auf eine dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde durch Einwurf in den Wohnungsbriefkasten am 4. Januar 2018 zugesandte Erinnerung des Verwaltungsgerichts, spätestens bis zum 22. Januar 2018 die angeforderte Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorzulegen, andernfalls der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt werde, antwortete der Kläger nicht.
Mit Beschluss vom 5. Februar 2018 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe ab, weil der Kläger die erforderliche Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht abgegeben habe.
2. Gegen diesen Beschluss hat sich der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgericht mittels E-Mail vom 18. März 2018 und mit (gleichlautendem) unterschriebenem Text gewandt. Er macht u.a. geltend, er habe die Beiordnung eines „Anwaltes/Notanwaltes“ beantragt, weil er wegen seiner „Verbannung auf die schwarze Liste“ keinen Anwalt erhalten habe. Diesen Antrag habe das Verwaltungsgericht mutwillig in einen Antrag auf Prozesskostenhilfe umgedeutet. Er lege Beschwerde ein, weil er einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung widersprochen habe. Er verlange die Beiordnung eines Fachanwalts.
Das Verwaltungsgericht hat das Schreiben des Klägers als Beschwerde gegen den Beschluss vom 5. Februar 2018 gewertet und dieser Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.
II.
Das Verwaltungsgericht hat das Schreiben des Klägers vom 18. März 2018 zu Recht als Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss vom 5. Februar 2018 verstanden. Über diese Beschwerde kann der Verwaltungsgerichtshof ohne Anhörung des Beklagten entscheiden, da die Beschwerde bereits nicht statthaft ist und auch im Übrigen keinen Erfolg haben könnte. Dies ergibt sich aus Folgendem:
1. Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe seinen Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts rechtsfehlerhaft und sogar mutwillig in einen Prozesskostenhilfeantrag umgedeutet. Dies trifft nicht zu.
1.1. Zum Einen waren die Äußerungen des Klägers gegenüber dem Verwaltungsgericht, in denen er eher beiläufig die Beiordnung eines Rechtsanwalts thematisierte, nicht eindeutig als Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts unabhängig von der Gewährung von Prozesskostenhilfe zu erkennen. Auf mehrere hilfreiche Hinweise des Verwaltungsgerichts (u.a. die Mitteilung, man verstehe sein Schreiben als Antrag auf Prozesskostenhilfe und er möge die hierzu notwendige formularmäßige Erklärung einreichen) reagierte der Kläger entweder gar nicht oder nur so, dass das Verwaltungsgericht hieraus gleichfalls keine andere Einschätzung gewinnen konnte.
1.2. Zum andern war die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Äußerungen des Klägers nicht mutwillig, sondern im Gegenteil sachgerecht und im Interesse des Klägers (§ 88 VwGO entsprechend). Denn die Beiordnung eines Rechtsanwalts als „Notanwalt“ (diesen Begriff verwendet der Kläger in seiner Beschwerde) gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO kommt im erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, weil dort kein Vertretungserfordernis („Anwaltszwang“) besteht (vgl. § 67 Abs. 1 und 4 VwGO), eine Vertretung daher nicht „geboten“ ist im Sinn von § 78b Abs. 1 ZPO. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts wäre daher vorliegend nur im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung von Prozesskostenhilfe möglich (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO, insb. § 121 Abs. 2 ZPO; vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 78b Rn. 2; Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 78b Rn. 1 bis 3; jeweils m.w.N.).
2. Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 2 VwGO nicht statthaft. Nach dieser Vorschrift kann ein Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe versagt hat, dann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht lediglich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint hat. Das ist hier der Fall. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers abgelehnt mit der (alleinigen) Begründung, der Kläger habe trotz entsprechender Aufforderung keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und „betreffende Angaben“ nicht glaubhaft gemacht. Zur weiteren Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, nämlich die hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtschutzgesuchs (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), hat sich das Verwaltungsgericht nicht geäußert.
3. Abgesehen davon, dass die Beschwerde nicht statthaft ist, ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch in der Sache nicht zu beanstanden. Soweit die Schreiben des Klägers verständlich sind, meint er möglicherweise, ihm könne – auch außerhalb der Fälle eines „Anwaltszwangs“ (§ 67 Abs. 4 VwGO bzw. § 78 ZPO) – unter bestimmten Voraussetzungen, aber losgelöst von einem Prozesskostenhilfeverfahren, ein Rechtsanwalt beigeordnet werden. Dies trifft nicht zu. Die – außerhalb des Anwendungsbereichs von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO – einzig nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO in Betracht kommende Beiordnung eines Rechtsanwalts kann nicht losgelöst von der Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgen, sie setzt also einen dem Grunde nach erfolgreichen Prozesskostenhilfeantrag voraus. Denn § 121 ZPO regelt die Voraussetzungen und das Verfahren der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe; demgemäß wird nach dieser Vorschrift – sogar im Anwaltsprozess – der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt (nur dann) beigeordnet, wenn und soweit der Partei Prozesskostenhilfe bewilligt wird (vgl. Münchener Kommentar, a.a.O., § 121 Rn. 2). In allen in § 121 ZPO geregelten Fällen kann somit ein Rechtsanwalt nur dann beigeordnet werden, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt ist oder gleichzeitig bewilligt wird. Bei mangelnder Erfolgsaussicht, erwiesener Mutwilligkeit oder fehlender (bzw. hier: nicht dargelegter) Bedürftigkeit kommt dagegen eine Beiordnung nach § 121 ZPO ebenso wenig in Frage wie für das Prozesskostenhilfeverfahren selbst (Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 121 Rn. 2).
Die Bedürftigkeit, die – wie oben ausgeführt – neben der hinreichenden Erfolgsaussicht selbständige Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), muss unter Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen beurteilt werden (§ 115 ZPO). Die für diese Beurteilung nötigen Angaben muss der Antragsteller zwingend seinem Antrag beifügen oder nachreichen und sie außerdem auf einem besonderen dafür vorgesehenen Formular machen (§ 117 Abs. 2 bis 4 ZPO). Dies hat der Kläger trotz mehrerer Hinweise des Verwaltungsgerichts nicht getan. Die Ablehnung seines Prozesskostenhilfegesuchs wegen der fehlenden Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen war deshalb unausweichlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren 1. Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren brauchte nicht festgesetzt zu werden, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).