Kosten- und Gebührenrecht

Beschränkung der PKH auf Mehrvertretungsgebühr bei Vertretung mehrerer Streitgenossen durch einen Rechtsanwalt, von denen nur einer bedürftig ist

Aktenzeichen  2 W 2109/17

Datum:
5.4.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40961
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
RVG § 7
VV RVG Nr. 1008

 

Leitsatz

1. Beauftragen mehrere Streitgenossen denselben Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Rechtsstreit, ist aber nur einer von ihnen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, dann beschränkt sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Mehrvertretungsbegühr. (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 O 9153/16 2017-10-26 LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.10.2017, Az. 10 O 9153/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Verantwortlichkeit der Beklagten für die Zeichnung einer Kapitalanlage in Form einer treuhänderischen Kommanditbeteiligung an einer Leasinggesellschaft durch den Kläger. Beide Beklagten werden von derselben Prozessbevollmächtigten vertreten. Im Rahmen der Duplik vom 06.04.2017 (Bl. 97 d. A.) beantragte die Beklagte zu 2) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und reichte eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen ein.
Mit Endurteil vom 27.10.2017 (Bl. 183 ff. d. A.) verurteilte das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner weitgehend entsprechend dem klägerischen Antrag und setzte den Streitwert auf 6.678 € fest. Dagegen wandten sich die Beklagten mit ihrer Berufung vom 21.11.2017 (Bl. 211 f. d. A.), über die noch nicht entschieden ist.
Mit Beschluss vom 26.10.2017 (Bl. 89 ff. d. PKH-Hefts) bewilligte das Landgericht der Beklagten zu 2) mit Wirkung ab Antragstellung Prozesskostenhilfe – hinsichtlich der Anwaltsgebühr beschränkt auf die Mehrkosten nach § 7 RVG in Verbindung mit Nr. 1008 VV-RVG – und ordnete ihr die Kanzlei K… bei. Im Übrigen lehnte es den Antrag der Beklagten zu 2) ab.
Dagegen wandte sich die Beklagte zu 2) mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 20.11.2017, die am 22.11.2017 eingegangen ist (Bl. 216 ff. d. A.). Sie verlangt, dass ihr „umfassend Prozesskostenhilfe für die erste Instanz, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung“ gewährt wird.
Am 05.12.2017 entschied das Landgericht, der Beschwerde nicht abzuhelfen (Bl. 226 f. d. A.)
II.
1. Die zulässige, insbesondere gemäß § 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO statthafte und innerhalb der Frist des § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) hat in der Sache keinen Erfolg. Ihr Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist in Bezug auf die Anwaltsgebühren auf die Mehrkosten nach § 7 RVG in Verbindung mit Nr. 1008 VV-RVG, mithin auf die Erhöhungsgebühr beschränkt (BGH, Beschluss vom 01.03.1993 – II ZR 179/91; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.07.2007 – 13 W 56/06; Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 114 Rn. 7; Wache in: Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl., § 114 Rn. 39; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 114 Rn. 11; Bork in: Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 114 Rn. 8; Pukall in: Saenger, ZPO, 5. Aufl., Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 114 Rn. 18; a. A. aber u. a.: OLG München, Beschluss vom 24.04.1996 – 11 W 2958/95; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.05.2000 – 3 W 39/00; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.08.2012 – 15 W 81/11; Fischer in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 114 Rn. 3; Rönnebeck, NJW 1994, 2273).
Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Entscheidung des Landgerichts vom 05.12.2017, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen, Bezug. Soweit die Beklagte zu 2) eine von der Entscheidung des BGH vom 01.03.1992 – II ZR 179/91 – abweichende Auffassung vertritt, teil der Senat diese nicht. Ergänzend ist das Folgende auszuführen:
Es mag sein, dass der nicht bedürftige Streitgenosse gemäß § 426 BGB einen Rückgriffsanspruch gegen den bedürftigen hat, vor dem ihn die auf die Erhöhungsgebühr beschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht schützt. Unabhängig von der Frage der Durchsetzbarkeit behindert dieser Rückgriffsanspruch aber nicht den Zugang des bedürftigen Streitgenossen zu Gericht. Denn seine anwaltliche Vertretung ist infolge der auf die Erhöhungsgebühr beschränkten Übernahme der Rechtsanwaltskosten durch die Staatskasse sichergestellt. Der verfassungsgebotene Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 -, juris Rn. 27), ist somit gewahrt. Die regelmäßige Folge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, nicht mit den Kosten des eigenen Anwalts belastet wird, wird durch den Sinn des Prozesskostenhilferechts beschränkt. Denn diesem widerspräche es, wenn die vermögende Partei aus Steuermitteln finanziell dadurch entlastet würde, dass ihr Prozessbevollmächtigter zugleich eine bedürftige Partei vertritt. Die aus dem Rückgriffsanspruch resultierende Mehrbelastung des Prozesskostenhilfeberechtigten ist dabei im Hinblick darauf hinzunehmen, dass die Prozesskostenhilfe den Bedürftigen auch nicht vor Kostenerstattungsansprüchen des obsiegenden Gegners schützt (Geimer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 7).
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Diese ergibt sich in Bezug auf die Gerichtsgebühr aus dem Gesetz (Kratz in: BeckOK, ZPO, 27. Aufl., § 127 Rn. 59; Wache in: Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl., § 127 Rn. 38; Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 127 Rn. 53). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nach § 127 Abs. 4 ZPO ausgeschlossen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Zwar liegt bereits eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts vor. Angesichts der zahlreichen Abweichungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung allerdings eine erneute Befassung des Rechtsbeschwerdegerichts.

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