Aktenzeichen 10 C 17.988
GKG § 40, § 52 Abs. 1, § 66 Abs. 6 S. 1, § 68 Abs. 1 S. 1, S. 3, S. 5, Abs. 3
GlüStV § 3
Leitsatz
1. Zur Bestimmung des Streitwerts in einem die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet betreffenden Verfahren.
2. Bei Untersagungsverfügungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet ist bei Fehlen konkreter und nachvollziehbarer Angaben zum erzielten oder erwarteten Jahresgewinn von einem Hauptsachestreitwert von 50.000 Euro auszugehen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 15 K 17.00075 2017-04-03 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. April 2017 wird der Streitwert für das Klageverfahren AN 15 K 17.00075 auf 50.000 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bevollmächtigten der Klägerin wenden sich mit ihrer aus eigenem Recht eingelegten Beschwerde dagegen, dass das Verwaltungsgericht den Streitwert für den durch rechtswirksamen gerichtlichen Vergleich nach § 106 Satz 2 VwGO beendeten Rechtsstreit bezüglich einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 20.000 Euro festgesetzt hat. Gegenstand des erledigten Klageverfahrens war im Hauptantrag das Begehren der Klägerin auf Feststellung, dass die Untersagungsverfügung des Beklagten, öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV über das Internet in Bayern zu veranstalten oder zu vermitteln, ihr gegenüber keine Rechtswirkungen entfaltet, hilfsweise die Aufhebung dieses Bescheids. Nach Auffassung der Klägerbevollmächtigten wäre der Streitwert mit Blick auf das erhebliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin der vorläufigen Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht entsprechend zumindest auf 300.000,- Euro, angesichts der langen Dauer des gerichtlichen Verfahrens (von ca. 7 Jahren) richtigerweise jedoch auf insgesamt 2.100.000 Euro (7 × 300.000 Euro) festzusetzen gewesen.
II.
Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässige Streitwertbeschwerde, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, hat lediglich nach Maßgabe des Beschlusstenors Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert zu niedrig angesetzt.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bei der Ausübung dieses Ermessens orientiert sich der Senat in gefestigter Spruchpraxis grundsätzlich an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (i.d.F. vom 18. Juli 2013). Diese sehen in Nr. 54.2.1 vor, dass in Verfahren, die – wie hier (auch wenn der Hauptantrag ein Feststellungsbegehren nach § 43 VwGO enthält) – die Untersagung eines ausgeübten Gewerbes zum Gegenstand haben, der Streitwert in Höhe des Jahresbetrags des erzielten oder erwarteten Gewinns zu bemessen, mindestens aber von einem Betrag von 15.000 Euro auszugehen ist.
Mit der Beschwerde werden zwar Angaben zu den Gewinnerwartungen der Glücksspielbranche allgemein und den erzielten Umsätzen im Bereich der Sportwetten in Deutschland und Bayern gemacht, womit auch die erheblichen Gewinnerwartungen der Klägerin begründet werden. Der mit den untersagten Tätigkeiten verbundene oder erwartete jährliche Gewinn der Klägerin wird aber weder konkret dargetan, noch ist der mit der Beschwerde geltend gemachte Jahresbetrag in Höhe von 300.000 Euro aus diesen Angaben tatsächlich nachzuvollziehen oder zu bestimmen. In einem solchen Fall ist es schon aus Gründen der Praktikabilität geboten, pauschalierend vorzugehen (vgl. OVG Saarl, B.v. 16.5.2017 – 1 E 368/17 – juris Rn. 28 f. m.w. Rspr-nachweisen) und der Wert des durch den Vergleich erledigten Klageanspruchs entsprechend (pauschal) festzusetzen.
In der Rechtsprechung wird (wohl) überwiegend bei öffentliche Glücksspielangebote im Internet betreffenden Untersagungsverfügungen in Anlehnung an den Streitwertkatalog im Regelfall ein Hauptsachestreitwert von 15.000 Euro angenommen (vgl. OVG Saarl a.a.O. Rn. 30 f. m.w.N.). Dagegen geht der Senat mit Blick auf die gegenüber rein betriebsstättenbezogenen Untersagungsverfügungen grundsätzlich höheren Gewinnerwartungen bei der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet nach gefestigter Spruchpraxis bei entsprechenden Streitverfahren von einem Hauptsachestreitwert von 50.000 Euro aus (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 10 CE 15.764 – juris Rn. 12, B.v. 25.4.2016 – 10 BV 16.799 – juris Rn. 23, B.v. 2.12.2016 – 10 BV 16.962 – juris Rn. 38 jeweils m.w.N.). Der Senat sieht sich weder mit Blick auf die angeführte Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte noch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens veranlasst, von dieser Praxis abzuweichen; insbesondere hält er es aus den dargelegten Gründen nicht für geboten, bei nicht sicher bestimmbarem Jahresgewinn stets den Mindestwert nach Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs in Höhe von 15.000 Euro zugrunde zu legen.
Soweit die Klägerbevollmächtigten die Auffassung vertreten, der nach § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs festzusetzende Streitwert bemesse sich auch nach der Anzahl der Jahre, die das Streitverfahren bei Gericht anhängig war, wird verkannt, dass die Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens kein streitwerterhöhender Umstand ist und auch nicht sein kann, was sich schon aus der für den Zeitpunkt der Wertberechnung maßgebenden Bestimmung des § 40 GKG ergibt. Die Empfehlungen des Streitwertkatalogs sollen im Übrigen gerade im Interesse der Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Gleichbehandlung zu einer möglichst einheitlichen Wertfestsetzung der Gerichte beitragen. Die letztlich nicht vorhersehbare Verfahrensdauer kann auch aus diesem Grund keinen Einfluss auf die Streitwertfestsetzung haben.
Einer Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da das Beschwerdeverfahren gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gebührenfrei ist und Kosten gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet werden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).