Aktenzeichen 11 AS 17.1615
Leitsatz
1 Ergibt sich die Erledigung eines Verfahrens lediglich daraus, dass der Antragsteller ein weiteres medizinisches Fahreignungsgutachten vorgelegt und auf eine Verlängerung der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Gruppe 2 verzichtet hatte, entspricht es der Billigkeit, ihm die Kosten aufzuerlegen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ist kein Rechtsmittelverfahren; vielmehr wird über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine sofortige Vollziehung aktuell neu entschieden. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 6 S 16.4526 2017-01-19 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Das Abänderungsverfahren wird eingestellt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert für das Abänderungsverfahren wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wandte sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, C, CE, L, M, S und T.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2017 (11 CS 17.312) hatte der Senat einen Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 19. Januar 2017 (M 6 S. 16.4526) abgeändert, soweit hiermit die aufschiebende Wirkung der Klage (M 6 K 16.4525) wiederhergestellt bzw. angeordnet worden war, und den Eilantrag insgesamt abgelehnt. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Januar 2017 ließ der Senat mit Beschluss vom 5. Mai 2017 die Berufung zu (11 ZB 17.370), die die Beteiligten mittlerweile übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Nachdem der Antragsteller bei der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamtes München ein weiteres medizinisches Fahreignungsgutachten vorgelegt und auf eine Verlängerung der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Gruppe 2 verzichtet hatte, beantragte er am 17. August 2017 beim Verwaltungsgerichtshof gemäß § 80 Abs. 7 VwGO die Aufhebung des ablehnenden Eilbeschlusses vom 3. Mai 2017.
Mit Bescheid vom 13. September 2017 widerrief die Fahrerlaubnisbehörde den angefochtenen Entziehungsbescheid hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen A1, B, BE, L, M S und T mit Wirkung für die Zukunft und stellte dem Antragsteller einen entsprechenden neuen Führerschein aus. Daraufhin erklärte dieser mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 den Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO für erledigt und beantragte, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen, der der Erledigungserklärung mit Schreiben vom 15. Oktober 2017 vorab zugestimmt hatte.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten beendet und in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens entscheidet der Berichterstatter (§ 87a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 VwGO) gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands, d.h. der Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 161 Rn. 16 f.; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 161 Rn. 75 ff., 83 m.w.N.). In der Regel entspricht es billigem Ermessen, gemäß dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, B.v. 24.6.2008 – 3 C 5/07 – juris Rn. 2). Dabei befreit der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit das Gericht jedoch davon, anhand eingehender Erwägungen abschließend über den Streitstoff zu entscheiden (BVerwG, a.a.O.), Beweise zu erheben oder schwierige Rechtsfragen zu klären (Kopp/Schenke, a.a.O. Rn. 15; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 15 m.w.N.; vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2010 – 20 BV 10.2130 – juris Rn. u. B.v. 11.11.2016 – 15 B 16.1239 – juris Rn. 2). Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit das erledigende Ereignis auf den Willensentschluss eines Beteiligten zurückzuführen ist; es wird dann in der Regel billig sein, ihm die Kostenlast zu überbürden (vgl. Schmidt, a.a.O. § 161 Rn. 18; Kopp/ Schenke, a.a.O. § 161 Rn. 17; BVerwG, B.v. 24.6.2008 – 3 C 5/07 – juris Rn. 3).
Demgemäß entspricht es hier billigem Ermessen, die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen, auch wenn ihn der Antragsgegner durch den Teilwiderruf des Entziehungsbescheides teilweise klaglos gestellt hat. Denn dies beruhte nicht auf einer Änderung der Rechtsauffassung des Antragsgegners, sondern einer der Sphäre des Antragstellers zuzurechnenden Änderung der Sachlage, die durch Beibringung eines notwendigen weiteren Fahreignungsgutachtens und seinen Verzicht auf eine Verlängerung der Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Gruppe 2 entstanden ist. Im Ausgangsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (11 CS 17.312) war der Antragsteller noch unterlegen, weil aufgrund bestehender Folgeschäden seiner Diabeteserkrankung und eines bekannt gewordenen Erstgutachtens einer anerkannten Begutachtungsstelle erhebliche Zweifel an seiner Fahreignung gerechtfertigt waren (vgl. Beschluss des Senats vom 3. Mai 2017).
Der Eilbeschluss vom 3. Mai 2017 ist infolge der Erledigung nicht entsprechend § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz Hs. 1 ZPO wirkungslos geworden, denn das Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ist kein Rechtsmittelverfahren; vielmehr wird über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine sofortige Vollziehung aktuell neu entschieden (Schmidt in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 105). Allerdings entfaltet er gemäß § 80b Abs. 1 VwGO keine Wirkung mehr, da auch das Berufungsverfahren (11 B 17.870) durch übereinstimmende Hauptsacheerledigungserklärungen unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 2 VwGO) beendet worden ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, §§ 47, 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.2 bis 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen und folgt der Festsetzung im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO (11 CS 17.312), gegen die die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 93 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog, § 152 Abs. 1, § 158 Abs. 2 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).