Aktenzeichen M 17 M 18.31317
VV-RVG Nr. 1002
Leitsatz
Ein außergerichtliches Schreiben an die zentrale Qualitätsprüfungsstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, das die Aufhebung des Asylbescheids zur Folge hat, stellt ein besonderes Bemühen um eine außergerichtliche Erledigung durch den Klägerbevollmächtigten dar und rechtfertigt die Festsetzung einer Erledigungsgebühr. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Erinnerungsführerin hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. März 2018 im Verfahren M 17 K 17. …, soweit darin eine 1,0 Erledigungsgebühr festgesetzt wurde.
Im Verfahren M 17 K 17. … haben die Kläger (Erinnerungsgegner) am 22. Mai 2017 Klage gegen den ablehnenden Asylbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 8. Mai 2017 erhoben.
Mit außergerichtlichem Schriftsatz vom 29. September 2017 wendete sich die Bevollmächtigte der Kläger an die zentrale Qualitätssicherung des Bundesamts in Nürnberg und bat unter Hinweis auf einen vergleichbaren Fall und zwei ärztliche Atteste um eine interne Kontrolle und Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids.
Mit Schriftsatz vom 24. November 2017 teilte das Bundesamt dem Gericht mit, dass der Bescheid vom 8. Mai 2017 insgesamt aufgehoben worden sei und die Kläger erneut zur persönlichen Anhörung geladen werden würden. Aus dem beigefügten Aufhebungsbescheid vom 24. November 2017 ergibt sich, dass das Bundesamt nach Sichtung der Asylakte zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Bescheid vom 8. Mai 2017 aufzuheben sei. Daraufhin wurde der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und mit Beschluss vom 7. Dezember 2017 das Verfahren eingestellt. Die Kosten wurden gemäß § 161 Abs. 2 VwGO der Beklagten (Erinnerungsführerin) auferlegt, da sich diese durch Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheids in die Rolle des Unterlegenen begeben habe.
Auf Kostenausgleichsantrag der Klägerbevollmächtigten erging nach Anhörung der Beteiligten am 8. März 2018 ein Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem eine 1,0 Erledigungsgebühr festgesetzt wurde.
Hiergegen beantragte die Antragstellerin am 15. März 2018 die Entscheidung des Gerichts. Es wurde beantragt,
die Erledigungsgebühr abzusetzen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Erledigungsgebühr sei wie die Einigungsgebühr letztlich eine Erfolgsgebühr. Da das normale Betreiben des Geschäfts durch Erhebung und Begründung der Klage bereits durch die Verfahrensgebühr bzw. durch die Terminsgebühr abgegolten werde, erfordere ein die Erledigungsgebühr auslösendes „Mitwirken an der Erledigung“ i.S.d. Nr. 1002 VV ein darüber hinausgehendes besonderes Tätigwerden des Rechtsanwalts, das auf ein Einlenken der Behörde ohne gerichtliche Sachentscheidung gerichtet sei und zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen habe. Keine Erledigungsgebühr sei deshalb regelmäßig verdient, wenn eine Behörde unter dem Druck schriftlicher und mündlicher Ausführungen im gerichtlichen Verfahren bzw. im Verhandlungs- oder Erörterungstermin einlenke. Denn die Erledigungsgebühr solle ein Ersatz für die in vielen Verfahren aus Rechtsgründen nicht mögliche Einigungsgebühr sein. Sie könne nur dann zugesprochen werden, wenn die Mitwirkung des Rechtsanwalts sich in einem Rahmen bewege, welcher der Tätigkeit eines Rechtsanwalts bei Vergleichsverhandlungen entspreche. Worin dieses Tätigwerden bestehe, sei unerheblich. Es könne beispielsweise in einem Einwirken auf die übergeordnete Verwaltungsbehörde bestehen. Verfahrenshandlungen, wie die Klageerhebung sowie bloße Rücknahme oder Erledigungserklärungen, würden sich bereits in den Tätigkeitsgebühren erschöpfen. Auch dass der Prozessbevollmächtigte sämtliche, für seine Mandanten sprechenden rechtlichen Argumente in möglichst überzeugender Weise vortrage, sei bereits durch die Verfahrens- bzw. Terminsgebühr abgegolten. Es müsse vielmehr eine darüber hinausgehende Mitwirkungshandlung vorliegen. Auch eine noch so ausführliche und überzeugende, die Behörde möglicherweise zu einer Abhilfe veranlassen der Begründung der Klage löse die Erledigungsgebühr nicht aus. Dies zugrunde gelegt sei ein besonderes anwaltliches Tätigwerden nicht festzustellen. Aktivitäten der Verfahrensbevollmächtigten, die über die normale Prozessführung hinausgegangen wären und als ausreichende Mitwirkungshandlung bei der Erledigung verstanden werden könnten, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei mit der Erledigungserklärung lediglich die prozessuale Konsequenz aus der Aufhebung des angefochtenen Bescheids gezogen worden. Somit habe die Beklagte die Kläger klaglos gestellt. Der erfolgreiche Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens durch Klaglosstellung der Klägerseite mit nachfolgenden übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten genüge für die Erlangung einer Erledigungsgebühr nicht.
Im Rahmen der Anhörung durch die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts München führte die Klägerbevollmächtigte unter Vorlage des Schreibens vom 29. September 2017 aus, dass sie bei der Abteilung für Qualitätssicherung des Bundesamts das behördeninterne Wiederaufgreifen der Streitsache außergerichtlich angeregt habe und dies der Grund für die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides gewesen sei. Es handele sich um ein behördeninternes Verfahren, welches weit über die schriftlichen oder mündlichen Ausführungen im gerichtlichen Verfahren hinausgehe. Bei der Qualitätssicherungsstelle handle es sich nicht um die Prozessabteilung des Bundesamts. Beim Bundesamt sei eine erneute Anhörung der Kläger durchgeführt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Über den Antrag auf Entscheidung des Gerichts entscheidet gemäß §§ 164, 165 i.V.m. § 151 VwGO im vorliegenden Fall die Berichterstatterin, weil das Kostenfestsetzungsverfahren ein von der Kostenlastentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren darstellt, sodass in der Besetzung zu entscheiden ist, in welcher die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH vom 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – juris).
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Erinnerung ist nicht begründet, da die gerügte Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV-RVG zu Recht festgesetzt wurde.
Nach Nr. 1002 VV-RVG entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Erforderlich ist danach, dass der Rechtsanwalt bei der Erledigung der Rechtssache mitgewirkt haben muss. Dabei muss die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung in einer besonderen Tätigkeit des Rechtsanwalts liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV-RVG) abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgeht und auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtet ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2014 – 8 C 13.1496 – juris Rn. 4). Die Mitwirkung des Rechtsanwalts muss ferner kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein. Ergeben sich aus dem Sachverhalt Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Aufhebungs- oder Abänderungsentscheidung der Behörde nicht ursächlich war, so ist die erforderliche Kausalität zu verneinen (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2014, a.a.O. m.w.N.).
Der innere Grund für die zur Geschäftsgebühr oder Verfahrensgebühr hinzutretende Erledigungsgebühr liegt darin, dass ein Rechtsanwalt, der besondere Mühe darauf verwandt hat, die aus einem Verwaltungsakt folgende Belastung von seinem Mandanten abzuwenden, ohne es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen zu lassen, im Erfolgsfalle dem Mandanten in besonderer Weise genützt hat, weil er ihm die mit einem Prozess verbundene Unsicherheit sowie den Zeit- und Kostenaufwand erspart (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2016 – 4 C 16.755 – juris Rn. 12).
Dies zugrunde gelegt wurde die Erledigungsgebühr vorliegend zu Recht festgesetzt. Durch ihr außergerichtliches Schreiben an die zentrale Qualitätsprüfungsstelle des Bundesamts ist die Bevollmächtigte der Kläger in einem Maße tätig geworden, das ein besonderes Bemühen um eine außergerichtliche Erledigung gegeben ist. Dieses außergerichtliche Einwirken auf die Qualitätssicherungsstelle des Bundesamts ist insbesondere nicht mit einer (weiteren) Klagebegründung innerhalb des gerichtlichen Verfahrens vergleichbar. Die Klägerbevollmächtigte hat damit nach Überzeugung des Gerichts zudem einen nicht unerheblichen Beitrag zur erneuten behördeninternen Überprüfung und Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids bzw. dem erledigenden Ereignis geleistet.
Die Erinnerung gegen die erfolgte Kostenfestsetzung bleibt somit ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Gerichtsgebühr wird, da das Verfahren nach § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gerichtskostenfrei ist, im erstinstanzlichen Erinnerungsverfahren nicht erhoben, so dass eine Streitwertfestsetzung entbehrlich ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG erfasst nicht nur das Hauptsacheverfahren, sondern auch alle gerichtlichen Entscheidungen in selbständigen und unselbständigen Nebenverfahren in Zusammenhang mit dem Asylgerichtsverfahren (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 19.6.2018 – 10 OA 176/18 – juris; VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris).