Aktenzeichen 3 C 16.1637
Leitsatz
1 Liegen keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung der Höhe von beantragten Unfallfürsorgeleistungen vor, ist der Regelstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 Euro zugrunde zu legen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Liegt einem weiteren Klageantrag weder ein anderer Streitgegenstand zugrunde und kommt ihm noch eine eigene selbständige wirtschaftliche Bedeutung zu, führt dieser zu keiner Streitwerterhöhung. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 12 K 15.1732 2016-02-18 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Februar 2016 hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert zutreffend gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Höhe von 5.000,- Euro festgesetzt.
Nachdem die Beklagte mit der dem Kläger mit Bescheid vom 10. Juni 2013 bekanntgegebenen Verfügung vom 19. April 2013 dessen Unfall vom 1. März 2013 ohne Feststellung eines bestimmten Körperschadens als Dienstunfall anerkannt hatte, erließ sie am 8. April 2015 einen weiteren Bescheid mit folgendem Tenor:
1. Die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeleistungen für den Kläger für den Dienstunfall vom 1. März 2013 werden lediglich bis 26. April 2013 gewährt. Für die darüber hinausgehende Zeit wird die Anerkennung als Dienstunfall insoweit zurückgenommen.
2. Die nach dem 26. April 2013 geleisteten Unfallfürsorgeleistungen werden daher dem Grunde nach zurückgefordert.
3. Die konkrete Höhe des Rückforderungsbetrags bleibt einem gesonderten Bescheid vorbehalten.
Dagegen erhob die Klagepartei mit Schriftsatz vom 29. April 2015 Klage mit dem Antrag:
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2015 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Unfall vom 1. März 2013 auch für die Zeit ab 27. April 2013 als Dienstunfall anzuerkennen.
III.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger antragsgemäß beamtenrechtliche Unfallfürsorgeleistungen für den Dienstunfall vom 1. März 2013 auch für die Zeit ab 27. April 2013 zu gewähren.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2016 erklärten die Beklagtenvertreter, Ziffer 2 und 3 sowie Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides vom 8. April 2015 „zu streichen“. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte daraufhin den Antrag aus seinem Schriftsatz vom 29. April 2015 in Nr. I. mit der Maßgabe, dass der Bescheid vom 8. April 2015 in der Gestalt aufgehoben wird, wie er sie in der mündlichen Verhandlung erfahren hat, sowie in Nr. III.
1. In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Maßgebend ist dabei der Wert, den die Sache bei objektiver Beurteilung für den Kläger hat, nicht die Bedeutung, die er ihr subjektiv beimisst (vgl. BT-Drs. 7/2016 S. 71). In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 39 Abs. 1 GKG; Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs 2013). Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet (§ 40 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000,- Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).
2. Gemessen daran ist die Streitwertfestsetzung durch das Erstgericht nicht zu beanstanden. Mangels genügender Anhaltspunkte für die Bestimmung der Höhe der beantragten Unfallfürsorgeleistungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht für den am 29. April 2015 (§ 40 GKG) gestellten Klageantrag auf Gewährung von beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeleistungen über den 26. April 2013 hinaus (vgl. Nr. I. und III. des Klageantrags in Form der Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO auf Verlängerung der befristeten Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen) den Regelstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,- Euro festgesetzt.
2.1 Der (formal) erhobene Antrag Nr. II, die Beklagte zu verpflichten, den Unfall vom 1. März 2013 auch für die Zeit ab 27. April 2013 als Dienstunfall anzuerkennen, führt zu keiner Streitwerterhöhung.
Diesem Antrag kann neben den Anträgen Nr. I und III schon deshalb keine eigenständige Bedeutung beigemessen werden, da ihm kein anderer Streitgegenstand zugrunde liegt. Der Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der durch den zur Begründung vorgetragenen tatsächlichen Lebenssachverhalt (Klagegrund) näher bestimmt wird (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 31). Der geltend gemachte prozessuale Anspruch richtet sich einheitlich auf die Verpflichtung zur Verlängerung der Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen. Soweit in Ziffer 1 Satz 2 des Bescheides vom 8. April 2015, auf den der Klageantrag zu II. Bezug nimmt, die Anerkennung als Dienstunfall über den 26. April 2013 hinaus zurückgenommen wurde, kommt dieser Regelung keine über die Befristung der Unfallfürsorgeleistungen bis zum 26. April 2013 hinausgehende und eigenständige Bedeutung zu. Dies folgt bereits aus der systematischen Stellung des Satzes 2 nach Satz 1 in Ziffer 1 sowie der Begründung des Bescheides vom 8. April 2015, wonach die Rücknahme der Anerkennung des Unfalls als Dienstunfall allein darauf abzielt, die Gewährung der Unfallfürsorgeleistungen bis zum 26. April 2013 zu begrenzen. Zudem können zwar Unfallfürsorgeleistungen, nicht jedoch die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfalls befristet werden. Dies war auch durch die Beklagte nicht bezweckt, da die grundsätzliche Anerkennung des Unfalls vom 1. März 2013 als Dienstunfall durch die Beklagte nicht infrage gestellt werden sollte.
Ungeachtet dessen, kommt dem in der mündlichen Verhandlung (konkludent) zurückgenommene Antrag Nr. II auch keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zu, so dass die Addition eines weiteren Streitwerts nach § 39 Abs. 1 GKG nicht in Betracht kommt (zum sog. „Additionsverbot wegen wirtschaftlicher Identität“ vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1988 – 7 C 93.86 – NVwZ-RR 1989, 581/582 – juris Rn. 12 zu § 173 VwGO i.V.m. § 5 ZPO; B.v. 22.9.1981 – 1 C 23.81 – DÖV 1982, 410 – juris Rn. 2 zu § 13 GKG a.F.; BayVGH, B.v. 16.5.2012 – 14 C 12.270 – juris Rn. 10; Thiel in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, § 39 Rn. 14; Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, 4. Aufl. 2019, § 39 Rn. 2; Schindler in BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, 24. Aufl. Stand: 1.12.2018, § 39 Rn. 16).
Der Antrag Nr. II zielt wie der Antrag Nr. III. nicht nur inhaltlich, sondern auch wirtschaftlich auf die Gewährung von beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeleistungen über den 26. April 2013 hinaus ab. Ein darüberhinausgehendes wirtschaftliches Interesse ist nicht ersichtlich, da unter Unfallfürsorgeleistungen sämtliche unter Art. 45 Abs. 2 BayBeamtVG aufgeführten Leistungen fallen, so dass von einer ideellen Identität auszugehen ist.
2.2 Soweit der Klägerbevollmächtigte geltend macht, dass die Anfechtung (Nr. I des Klageantrags) der (wohl nur angekündigten und) lediglich dem Grunde nach erfolgten Rückforderung der nach dem 26. April 2013 geleisteten Unfallfürsorgeleistungen (Ziffer 2 des Bescheides vom 8. April 2015) zu einer Streitwerterhöhung führen würde, kann dem nicht gefolgt werden.
Es kann dahinstehen, ob es sich hierbei um einen eigenständigen Streitgegenstand handelt, da dem Antrag ebenfalls keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Hier geht es um die Befristung eines Leistungsbescheids (Bewilligung beamtenrechtlicher Unfallfürsorgeleistungen über den 26. April 2013 hinaus) und die Rückzahlung der darauf gezahlten Beträge. Da das wirtschaftliche Interesse an der Verpflichtung auf Verlängerung eines befristeten Leistungsbescheids darin besteht, eine Zahlungspflicht zu begründen bzw. bei bereits erfolgter Zahlung die Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen durch den Zahlungsempfänger zu schaffen, um einen Erstattungsanspruch zu verhindern, liegt regelmäßig in der Anfechtung des Rückzahlungsbegehrens kein über das wirtschaftliche Interesse der Verpflichtung auf Verlängerung eines befristeten Leistungsbescheids hinausgehendes Interesse und insofern wirtschaftliche Identität vor (vgl. dazu OVG NW, B.v. 21.10.2014 – 14 E 938/14 – juris Rn. 10). Dementsprechend können die Werte der einzelnen Klageanträge nicht nach § 39 Abs. 1 GKG zusammengerechnet werden, denn sie sind sämtlich auf dasselbe wirtschaftliche Ziel gerichtet
3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG).