Kosten- und Gebührenrecht

Erfolgloser Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Umsetzung eines angefochtenen Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft

Aktenzeichen  8 C 574/17 WEG

Datum:
14.3.2017
Fundstelle:
LSK – 2017, 111671
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Rosenheim
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 935, § 937 Abs. 2, § 940
WEG WEG § 21 Abs. 4, § 22 Abs. 1, § 23 Abs. 4 S. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Ein überwiegendes Interesse bzw. dringendes Bedürfnis eines Eigentümers am Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Umsetzung eines angefochtenen Eigentümerbeschlusses besteht nur, wenn der ihm drohende Schaden erheblich größer ist als der der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Nichtausführung entstehende Schaden.    (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das ist – unter Berücksichtigung der Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass ein Beschluss vom Verwalter zu vollziehen ist, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt wurde – nur in Ausnahmefällen anzunehmen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das erforderliche überwiegende Interesse eines Eigentümers an der Nichtumsetzung des Beschlusses lässt sich regelmäßig nicht mit wirtschaftlichen Erwägungen begründen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
4. Sollte der Beschluss im Hauptsacheverfahren der Anfechtung rechtskräftig für ungültig erklärt werden, hat der Antragsteller einen Anspruch aus § 21 Abs. 4 WEG darauf, dass die Situation hergestellt wird, die ohne Ausführung des aufgehobenen Beschlusses bestehen würde, sofern er durch die jetzige Lage einen Nachteil hat; ihm stehen ggfs. Folgenbeseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche zur Seite. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf € 4.000 festgesetzt.

Gründe

Wegen des Sachverhaltes wird auf die Antragsschrift vom 13.03.2017 und 14.3.2017 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO ist es, dass zur Abwendung einer Gefährdung der Gläubigerinteressen eine vorläufige Sicherung im Eilverfahren notwendig ist, wobei die schutzwürdigen Interessen beider Seiten im Rahmen des gerichtlichen Beurteilungsspielraums gegeneinander abzuwägen sind (LG München I, Urteil vom 17.7.20108, Az. 36 S 9508/08 mit Hinweis auf Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 940, Rdnr. 4; i.Ü. Zöller 31. Aufl. § 935 Rn. 7). Dabei ist ein entsprechendes dringendes Bedürfnis für den Erlass einer Eilanordnung dann gegeben, wenn der dem Antragsteller bei einer Durchführung des Beschlusses drohende Schaden erheblich größer ist als der der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Nichtausführung entstehende Schaden (LG München I, Urteil vom 17.7.20108, Az. 36 S 9508/08). Der Antragsteller stützt seinen Antrag insbesondere auf sein bestrittenes Vorbringen, wonach der Beschluss wegen der Einstufung als baulicher Veränderung und fehlender Einstimmigkeit nicht ordnungsgemäß beschlossen worden sei, aufgrund der Reparaturwürdigkeit die Instandsetzung nicht gerechtfertigt sei, im Ergebnis führt diesbezüglich die Argumentation dahin, daß gegen das Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen werde; der Antragsteller trägt eine drohende Kostenbelastung seiner selbst mit € 4.000 vor.
Dies allein genügt jedoch nicht, um ein überwiegendes Interesse bzw. dringendes Bedürfnis des Antragstellers an dem Erlass einer entsprechenden Eilanordnung zu begründen. Bei dem Verfahren der einstweiligen Verfügung handelt es sich um ein summarisches Verfahren; die endgültige Klärung, ob der Beschluss für ungültig zu erklären sein wird, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben und kann im eV-Verfahren nicht quasi vorweggenommen werden (LG München I, Urteil vom 17.7.20108, Az. 36 S 9508/08). Den Schwerpunkt der Prüfung im hiesigen Verfahren muss daher eine Abwägung der widerstreitenden Interessen bilden. Dabei ist auch und gerade die Grundentscheidung des Gesetzgebers, welche durch die Neufassung des WEG nicht angetastet wurde, zu berücksichtigen, wonach ein Beschluss gültig ist, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt wurde. Dies hat weiter zur Konsequenz, dass der Verwalter, da der Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung zukommt, gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG gehalten ist, auch angefochtene Beschlüsse zu vollziehen (Jennissen, WEG, § 27, Rdnr. 11); entgegenstehende Umstände, welche abwägungsrelevant sein können und unter Umständen aber auch die ebenfalls abwägungsrelevante Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen den Verwalter veranlassen, sind nicht bekannt. Eine Auffassung, wonach angefochtene Beschlüsse nur durchzuführen sind, wenn diese dringlich sind bzw. ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, findet im Gesetz keine Stütze (LG München I, Urteil vom 17.7.20108, Az. 36 S 9508/08).
Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an einer Nichtdurchführung der Sanierung ist nicht in einem Maße substantiiert dargetan, daß die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen würde, im Übrigen führt auch die seitens des Gerichts erwogene Belastung der gesamten WEG mit Auseinandersetzungen über die Kostentragungen und etwaige Schadenersatzansprüche bei einem etwaigen Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht zu einer Abwägung zu Gunsten des Antragstellers. Dies gilt insbesondere, da letztlich auch bei Vollzug einer im Nachhinein als ungültig eingestuften Entscheidung dem Antragsteller keine belastenden Kostenfolgen verbleiben dürften, wie es auch die Antragsgegenrpartei im Ergebnis zutreffend vortragen läßt (s. ergänzend hierzu unten letzter Absatz). Die maßgeblichen Beanstandungen des Antragstellers betreffen rein wirtschaftliche Erwägungen; dass die Sanierung darüber hinaus einen irreparablen bzw. unverhältnismäßigen Schaden an dem Gemeinschaftseigentum verursachen würde, wurde nicht ausreichend nachvollziehbar dargetan und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich. Rein bautechnisch, und dies ist letztlich maßgebend, ist ein optisch gleichwertiger und zumindest verbesserter technischer Standard jederzeit wieder herstellbar. Auch dem Antragsteller zugute zu haltende Denkmalschutzbelange sind weder vorgetragen noch sonst offensichtlich als Abwägungsbelang. Die Antragsgegner haben vorgetragen, wonach bei einer Nichtauswechslung die Gefahr von Feuchtigkeitseintritt bestünde, die Arbeiten vor Eintritt der Regenperiode augeführt werden sollten. Damit ist der Vollzug des Beschlusses nicht in einem Maße willkürlich, daß die Abwägung zu Gunsten des Antragstellers beeinflußt würde. Lediglich in Ausnahmefällen dürfte nach der gesetzgeberischen Wertung die Umsetzung eines Beschlusses und damit die Umsetzung der Willensbildung der WEG-Miteigentümer, welche stets auch inzident die Folgenbetrachtung beinhaltet, alleine an der Betrachtung der wirtschaftlichen Folgen scheitern. So ist davon auszugehen, daß rein wirtschaftliche Belange, die annähernd stets im Raum stehen und im Regelfall von erheblichem Umfang sein dürften, nur in Ausnahmefällen dazu führen sollen, daß die getroffene Willensbildung nicht umgesetzt wird. Im Übrigen ist es der Eigentümerversammlung im Rahmen der Beschlußfassungen und der Entscheidung zuzubilligen, die Abwägung zu treffen, inwiefern weitere streitige Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund der möglichen Ungültigkeit der Beschlüsse in Kauf genommen werden. So mißlich die Situation dann sein kann, so ist letztlich die Auseinandersetzung über Beschlüsse und deren (Vorab-)Vollzug systemimmanent und eine Folge der von den Beteiligten gesetzten Prioritäten. Demnach kann von einem überwiegenden Interesse des Antragstellers an einer Nichtausführung des Fensteraustausches gerade nicht ausgegangen werden; vielmehr überwiegen bei der hier vorliegenden Konstellation jedenfalls die Interessen der Gemeinschaft an der Umsetzung der wirtschaftlichen Entscheidung, ob die Fenster ersetzt oder ausgebessert werden und inwiefern Kostenrisiken im Falle des nunmehr gegenständlichen Vollzugs drohen.
Der Antragsteller ist hierdurch auch nicht rechtlos gestellt. Sollte der Beschluss tatsächlich im Hauptsacheverfahren rechtskräftig für ungültig erklärt werden, hat der Antragsteller einen Anspruch aus § 21 Abs. 4 WEG darauf, dass die Situation hergestellt wird, die ohne Ausführung des aufgehobenen Beschlusses bestehen würde, sofern er durch die jetzige Lage einen Nachteil hat (Jennissen, a.a.O., vor §§ 23 bis 25, Rdnr. 29 ff.); ihm stehen daher bei Erfolg der Hauptsache entsprechende Folgenbeseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche zur Seite, deren konkrete Voraussetzungen gegebenenfalls in einem gesonderten Verfahren zu prüfen sein werden (LG München I, Urteil vom 17.7.20108, Az. 36 S 9508/08).

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