Kosten- und Gebührenrecht

Erfordernis der Fristsetzung bei Ablehnung eines unvollständigen Prozesskostenhilfeantrags

Aktenzeichen  M 6 S 15.5804

Datum:
24.3.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80, § 92 Abs. 3, § 161 Abs. 2, § 166
ZPO ZPO § 114 S. 1, § 117 Abs. 4

 

Leitsatz

Fehlt es an einem vollständigen Prozesskostenhilfeantrag, kann das Gesuch ohne Hinweis und Fristsetzung zur Behebung des Mangels bei anwaltlicher Vertretung des Antragstellers sowie dann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller eine Nachreichung angekündigt hatte und diese ausbleibt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt A., A., A., für das Verfahren M 6 S 15.5804 wird abgelehnt.
III.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Der Streitwert wird auf EUR 94,39 festgesetzt.

Gründe

I.
Mit Festsetzungsbescheid vom … Oktober 2015 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum vom … Januar 2013 bis zum … November 2014 gegenüber dem Antragsteller einen ausstehenden Rundfunkbeitrag für eine Wohnung in Höhe von a. EUR inkl. b. EUR Säumniszuschlag fest.
Der hiergegen am … Oktober 2015 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom … November 2015 zurückgewiesen.
Der Antragsteller erhob am … Dezember 2015 Klage gegen den Festsetzungsbescheid vom … Oktober 2015 sowie den Widerspruchsbescheid vom … November 2015 (M 6 K 15.5802) und beantragte,
nach § 59 BGB Aussetzung der Vollziehung sowie Antrag auf Eilrechtsschutz.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom … Januar 2016,
den Antrag abzulehnen.
Hierbei wurde mitgeteilt, dass – ohne Anerkennung jeder Rechtspflicht – eine Zwangsvollstreckung derzeit nicht betrieben wird und bis zu einem Urteil im Hauptsacheverfahren auch nicht eingeleitet werden wird. Zudem werde das Beitragskonto einstweilen mahn- und sollausgesetzt. Einer Erledigungserklärung bzgl. des Eilantrags werde vorab zugestimmt und beantragt, dem Antragsteller die Kosten des Eilverfahrens aufzuerlegen.
Mit Schreiben vom … Februar 2016, eingegangen am selben Tag, bestellte sich Herr Rechtsanwalt Drexler für den Antragsteller und beantragte,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterfertigten Rechtsanwaltes A., A., A., zu bewilligen.
Gleichzeitig erklärte er im Namen des Antragstellers das vorliegende Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO für erledigt. Die Erklärung des Antragstellers über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse bezüglich des Prozesskostenhilfeantrags werde alsbald nachgereicht.
Eine Nachreichung des Formblattes mit der Erklärung des Antragstellers über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse erfolgte bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
II.
Die vorliegende Entscheidung einschließlich derjenigen über den Antrag auf Prozesskostenhilfe wird gemäß § 87a VwGO durch die Berichterstatterin getroffen (§ 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO; vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 87a Rn. 7).
1. Die Antragspartei hat am … Februar die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Gegenpartei hat am … Januar vorab der Erledigung zugestimmt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Einer Partei ist auf ihren Antrag hin Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung -ZPO-). Unter den Voraussetzungen des § 121 ZPO kann auch ein Rechtsanwalt beigeordnet werden.
Zwar ist im vorliegenden Fall das Hauptsacheverfahren nach der Beantragung, aber noch vor der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet worden, so dass die Bewilligung einer Prozesskostenhilfe grundsätzlich ausscheidet, da diese voraussetzt, dass die fragliche Rechtsverfolgung noch „beabsichtigt“ ist. Aus Billigkeitsgründen wird aber eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe dann für zulässig erachtet, wenn sich während des Verfahrens ohne Zutun des Klägers oder Antragstellers die Hauptsache erledigt und die Beteiligten daraufhin übereinstimmende Erledigungserklärungen abgeben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 166 Rn. 14). Dies trifft im vorliegenden Verfahren zu.
Die Prozesskostenhilfe kann jedoch bereits aus formellen Gründen nicht gewährt werden. Gemäß § 117 Abs. 4 ZPO sind die für den Antrag eingeführten amtlichen Vordrucke zu verwenden. Verwendet der Antragsteller diesen Vordruck nicht und lässt sich deshalb kein vollständiges Bild über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewinnen, so ist der Antrag abzulehnen (vgl. BayVGH, B. v. 25.11.1987 – 7 C 87.03235 – BayVBl 1988, 245). Eine Fristsetzung zur Behebung des Mangels war im vorliegenden Fall entbehrlich. Ein Hinweis erübrigt sich bei der Ankündigung der Nachreichung, selbst wenn diese dann ausbleibt, sowie bei Fehlen auch nur eines einzigen Belegs für den Antrag auf Prozesskostenhilfe, wenn der Antragsteller anwaltlich vertreten ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Auflage 2015, § 117 Rn. 35). Beide Konstellationen treffen hier zu. Da der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolglos ist, war dem Antragsteller auch nicht gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO sein zur Vertretung bereiter Bevollmächtigter beizuordnen.
3. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall die Kosten der Antragspartei aufzuerlegen, da der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ohne beidseitige Erledigungserklärungen erfolglos geblieben wäre. Der Antragsteller hat vor Einreichung des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen Aussetzungsantrag bei der Behörde nach § 80 Abs. 4 VwGO gestellt. Dieser wäre jedoch gemäß § 80 Abs. 6 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zwingend erforderlich gewesen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. der Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14).

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