Kosten- und Gebührenrecht

Erinnerung gegen die Festsetzung von Rechtsanwaltskosten

Aktenzeichen  10 C 15.474, 10 C 15.477

Datum:
5.7.2016
Fundstelle:
JurBüro – 2017, 36
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 87a Abs. 1 Nr. 5, § 146 Abs. 1, Abs. 3, § 150, § 151, § 162 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 165

 

Leitsatz

1 Die Gebühren eines Rechtsanwalts sind stets erstattungsfähig (§ 162 Abs. 2 S. 1 VwGO). Dies gilt auch, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die selbst über Mitarbeiter mit der Befähigung zum Richteramt verfügt, sich durch einen Anwalt vertreten lässt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Kostenminderungsgrundsatz verbietet nicht die Beauftragung eines Anwalts, obwohl das Gericht der Gegenseite bereits mitgeteilt hat, die Sache werde voraussichtlich keinen Erfolg haben und deshalb die Rücknahme des Rechtsmittels anregt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Beauftragung ihres als Rechtsanwalt tätigen ersten Bürgermeisters durch eine Gemeinde ist nicht rechtsmissbräuchlich und steht der Erstattung seiner Anwaltskosten nicht entgegen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 M 13.626 2015-01-13 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Die Beschwerdeverfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Unter Abänderung von jeweils Nr. 2. und 3. der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 13. Januar 2015 werden die Erinnerungen zurückgewiesen.
III.
Die Antragsteller haben jeweils die Kosten ihres Erinnerungsverfahrens und ihres Beschwerdeverfahrens zu tragen.
IV.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren des Antragstellers zu 1. auf 252,87 Euro und für das der Antragstellerin zu 2. auf 722,32 Euro festgesetzt.
V.
Den Antragstellern wird für ihre Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin … beigeordnet.

Gründe

I. Der Antragsgegner wendet sich mit seinen Beschwerden gegen die Aufhebung zweier Kostenfestsetzungsbeschlüsse durch das Verwaltungsgericht Bayreuth, mit denen es auf die Erinnerungen der Antragsteller hin die Erstattungsfähigkeit der Gebühren eines vom Antragsgegner beauftragten Rechtsanwalts verneint hat.
Gegenüber den in gemeinsamer Wohnung lebenden Antragstellern sprach der Antragsgegner mit Bescheid vom 13. Dezember 2012 verschiedene Anordnungen zur Haltung von zwei Hunden (gegenüber der Antragstellerin zu 2.) bzw. einem Hund (gegenüber dem Antragsteller zu 1.) unter Anordnung des Sofortvollzugs aus. Die Antragstellerin zu 2. erhob hiergegen am 14. Januar 2013 Anfechtungsklage; beide Antragsteller stellten zugleich Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Der zuständige Berichterstatter beim Verwaltungsgericht wies die Antragsteller am 16. Januar 2013 darauf hin, dass nach erster Einschätzung der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden sein dürfte, und empfahl, eine Rücknahme der Rechtsmittel zu prüfen, bzw. bat um umgehende Begründung der Eilanträge; dieses Hinweisschreiben wurde zeitgleich dem Antragsgegner zugeleitet und um Äußerung nach Zuleitung einer Antragsbegründung gebeten. Am 15. Februar 2013 beauftragte der Antragsgegner seinen ersten Bürgermeister, einen niedergelassenen Rechtsanwalt, mit seiner Vertretung vor den Verwaltungsgerichten. Die Antragsteller nahmen ihre Rechtsmittel am 19. Februar bzw. 7. März 2013 zurück, so dass ihnen mit verfahrenseinstellenden Beschlüssen vom 20. Februar bzw. 8. März 2013 die Kosten der jeweiligen Verfahren auferlegt wurden.
Auf entsprechenden Antrag hin setzte der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 10. April 2013 die dem Antragsgegner von den Antragstellern zu erstattenden Aufwendungen – für den Antragsteller zu 1. auf 272,87 Euro, für die Antragstellerin zu 2. auf insgesamt 762,32 Euro – fest. Mit ihren hiergegen erhobenen Erinnerungen vom 29. April 2013 wandten sich die Antragsteller gegen Festsetzung der Gebühren für den Rechtsanwalt des Antragsgegners dem Grunde nach. Der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts half den Erinnerungen nicht ab, weil eine die Kostenerstattung ausschließende missbräuchliche Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts nicht vorliege.
Das Verwaltungsgericht änderte mit Beschlüssen vom 13. Januar 2015 die angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse dahingehend ab, dass die von den Antragstellern zu erstattenden Kosten auf 20 Euro (Antragsteller zu 1.) bzw. 40 Euro (Antragstellerin 2.) festgesetzt wurden. Die Rechtsanwaltskosten des Antragsgegners seien für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung – in Abweichung vom Grundsatz des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO – nicht erforderlich gewesen und erschienen letztlich als rechtsmissbräuchlich, weil sie nach den Gesamtumständen dem Zweck dienten, der Kanzlei des ersten Bürgermeisters Gebühren zukommen zu lassen. Nach dem Verfahrensstand, der auch durch den gerichtlichen Hinweis vom 16. Januar 2013 auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Rechtsmittel gekennzeichnet gewesen sei, sei eine anwaltliche Vertretung des Antragsgegners nicht erforderlich gewesen, sondern habe gegen die den Beteiligten obliegende Kostenminderungspflicht verstoßen. Außerdem sei der Antragsgegner vom Verwaltungsgericht um Zuleitung einer Antragsbegründung erst nach Vorlage einer (hier nicht erfolgten) Antrags- bzw. Klagebegründung gebeten worden.
Gegen die ihrem Bevollmächtigten am 24. Januar 2015 zugestellten Beschlüsse ließ der Antragsgegner am 6. Februar 2015 Beschwerde einlegen. Die Gebühren eines Rechtsanwalts seien stets erstattungsfähig; kein Rechtssatz verbiete einer Kommune, einem Rechtsanwalt, der zugleich ihr erster Bürgermeister sei, ein Mandat zu übertragen. Das Hinweisschreiben des Verwaltungsgerichts vom 16. Januar 2013 habe die Erfolgsaussichten der Rechtsmittel der Antragsteller lediglich als „fraglich“ erscheinend bezeichnet; kein Bevollmächtigter dürfe sich in dieser Situation darauf verlassen, das Gericht werde schon richtig entscheiden, so dass durch diese lediglich vorläufige Äußerung der Sach- und Rechtsvortrag durch eine rechtskundige Person nicht überflüssig geworden sei. Außerdem sei dem Antragsteller in einem Parallelverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden. In dieser Situation bestehe keine Kostenminderungspflicht, nur um eine spätere Erstattungspflicht der Antragsteller zu vermeiden. Im Übrigen stehe es einer Kommune frei, welchen Rechtsanwalt sie beauftrage. Auch wenn sicherlich eine andere Kanzlei hätte beauftragt werden können, deren Aufwendungen dann zweifellos erstattungsfähig gewesen wären, könne nichts Anderes im vorliegenden Fall gelten. Die Beauftragung der Kanzlei des ersten Bürgermeisters durch den zweiten Bürgermeister entspreche der Geschäftsordnung des Antragsgegners; Dritte könnten sich auch nicht auf Mängel der Bevollmächtigung im Innenverhältnis berufen, um ihrer Kostenerstattungspflicht zu entgehen. Schließlich werde um Berichtigung des offensichtlich fehlerhaft festgesetzten Datums für den Beginn der Verzinsung, die ab 9. Februar – und nicht 9. April – 2013 zu laufen beginne, gebeten.
Die Antragsteller verteidigen die angefochtenen Beschlüsse und weisen darauf hin, dass nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 der Geschäftsordnung des Antragsgegners bei Streitigkeiten mit einem Streitwert von voraussichtlich nicht mehr als 2500 Euro der erste Bürgermeister zur Abgabe von Prozesserklärungen befugt sei; damit habe der zweite Bürgermeister durch die Beauftragung eines Bevollmächtigten eine Aufgabe des ersten Bürgermeisters wahrgenommen, ohne dass dieser verhindert gewesen sei. Im Übrigen sei offenkundig gewesen, dass die Rechtsmittel zurückgenommen würden; die Rücknahmen seien dem Verwaltungsgericht am gleichen Tage wie die Anzeige der anwaltschaftlichen Vertretung des Antragsgegners zugegangen. Die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller habe zuvor telefonischen Kontakt mit dem ersten Bürgermeister aufgenommen, um eine gütliche Einigung zu erzielen; dieser habe sich jedoch nicht zugänglich gezeigt und auch nicht darauf hingewiesen, dass er im Falle einer gerichtlichen Klärung als anwaltschaftlicher Vertreter der Gemeinde aufzutreten beabsichtige, woraus sich das ansonsten nicht bestehende Kostenrisiko ergeben habe. In sonstigen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten werde der Antragsgegner durch andere Kanzleien vertreten. Es erscheine rechtsmissbräuchlich, über das Ehrenamt des Bürgermeisters Honoraransprüche als Rechtsanwalt zu erlangen zumal viele Wähler gerade seine Qualifikation als Rechtsanwalt veranlasst hätten, den Bevollmächtigten als ehrenamtlichen Bürgermeister zu wählen. Würden aber die eigentlich ehrenamtlich zu erledigenden Tätigkeiten gegen Entgelt verrichtet, widerspräche das dem Grundsatz von Treu und Glauben, auch gegenüber dem Wähler.
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Akten des Verwaltungsgerichts sowie des Verwaltungsgerichtshofs.
II. Der zur Entscheidung berufene Senat (1.) verbindet die Beschwerden wegen der Identität der Beteiligten und der rechtlichen Problematik zur gemeinsamen Entscheidung (§ 150 i. V. m. § 122 Abs. 1 analog, § 93 Satz 1 VwGO). Die Beschwerden sind zulässig (2.) und haben in der Sache Erfolg (3.). Unabhängig hiervon war den Antragsteller für die Beschwerdeverfahren die begehrte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu gewähren (4.).
1. Gegenstand der Beschwerden sind die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 13. Januar 2015, mit denen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 10. April 2013 zulasten des Beschwerdeführers insoweit abgeändert wurden, als entgegen der Festsetzung durch den Urkundsbeamten die Kosten für die Vertretung durch den Prozessbevollmächtigten als nicht notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angesehen wurden.
Die Entscheidung über die Beschwerde obliegt hier nicht dem Berichterstatter, sondern dem Senat (BayVGH, B. v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – juris). Grundlage der Kostenfestsetzung hinsichtlich der einem Beteiligten zu erstattenden Kosten ist § 164 VwGO. Danach setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten in einem „Nachverfahren zum Hauptverfahren“ fest, welches nur die Festsetzung der im Verhältnis der Beteiligten zueinander zu erstattenden Kosten betrifft, nicht dagegen die Kostenerstattung zwischen einem Beteiligten und dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt oder die Gerichtskosten (Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 164 Rn. 1 – 7). Die Festsetzung der zu erstattenden Kosten können die Beteiligten nach § 165 Satz 1 VwGO anfechten. Die Vorschrift sieht als Rechtsbehelf gegen den nach § 164 VwGO erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten die Erinnerung gemäß § 151 VwGO vor. § 165 VwGO gilt dabei nicht für die Anfechtung des Ansatzes der Gerichtskosten und die Festsetzung des Streitwerts (vgl. § 68 GKG; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 165 Rn. 1).
Das Gericht erster Instanz entscheidet über die Erinnerung in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde. Vorliegend war funktionell somit der Berichterstatter erster Instanz zuständig (vgl. § 87a Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Abs. 3 VwGO), nachdem die Verfahren durch Rücknahme der beiden Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie der Klage beendet worden waren (§ 87a Abs. 1 Nr. 2 VwGO).
Gegen die Entscheidung des Gerichts über eine Erinnerung ist unter den Voraussetzungen der §§ 146 ff. VwGO die Beschwerde gegeben; eine Übertragung auf ein Mitglied des Senats ist nicht vorgesehen (vgl. BayVGH, B. v. 19.1.2007 a. a. O.). § 66 GKG findet auf dieses Verfahren keine Anwendung, so dass insbesondere § 66 Abs. 6 GKG nicht greift, denn die Regelung betrifft nur Erinnerungen gegen den Kostenansatz, nicht solche gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss. Auch § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG findet keine Anwendung, weil diese Regelung nur Ansprüche des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts betrifft. Auch eine unmittelbare Anwendung von § 33 Abs. 8 RVG scheidet aus, da § 33 RVG nur Fälle betrifft, in denen das Gericht den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig festsetzt, weil sich die Gebühr nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richtet; dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Der für die Gerichtsgebühren maßgebliche, gerichtlich festgesetzte (Streit-)wert ist hier auch für die jeweiligen Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend (§ 32 Abs. 1 RVG).
2. Die Beschwerden sind zulässig.
Sie sind insbesondere nach § 146 Abs. 1 VwGO statthaft und wurden auch innerhalb der Frist von zwei Wochen nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben. Der in § 146 Abs. 3 VwGO bei Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen festgesetzte Beschwerdewert von mindestens 200,- Euro wird in jedem der beiden Verfahren überschritten.
3. Die Beschwerden sind auch begründet. Unter Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht beschränkt ist (vgl. OVG Hamburg, B. v. 30.05.2006 – 3 So 38/06 – juris Rn. 1) ergibt sich, dass auch die Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners erstattungsfähig sind; die Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind daher vom Verwaltungsgericht zu Unrecht abgeändert worden.
Nach § 162 Abs. 1 VwGO gehören außer den Gerichtskosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu den erstattungsfähigen Kosten. In Ergänzung hierzu bestimmt § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, dass die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind. Dies gilt auch für die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, der eine juristische Person des öffentlichen Rechts vertritt, die über Mitarbeiter mit der Befähigung zum Richteramt verfügen, so dass auch in derartigen Fällen grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich war (OVG Berlin-Bbg, B. v 1.2.2006 – OVG 1 K 72.05 – NVwZ 2006, 713; NdsOVG, B. v. 24.9.2001 – 8 OA 2480/01 – juris Rn. 3 für die anwaltschaftliche Vertretung einer Einrichtung der Rechtsanwaltsversorgung vor dem Verwaltungsgericht; BayVGH, B. v. 30.11.1977 – 83 I 77 – BayVBl 1978, 92; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 162 Rn. 57 m. w. N.). Eine Ausnahme wird nur dann anerkannt, wenn die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen Beklagten, der sich durch eigene Juristen vertreten lassen kann, gegen Treu und Glauben verstößt, weil sie offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen (VGH BW, B. v. 28.2.1991 – NC 9 S 98/90 – juris; NdsOVG, B. v. 24.9.2001, a. a. O.; Neumann in Sodan/Ziekow, a. a. O., § 162 Rn. 57). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
Die Beauftragung des Bevollmächtigten erfolgte noch vor dem Zeitpunkt, in dem dem Antragsgegner die Rücknahme der Rechtsmittel bekannt geworden war. Zum Zeitpunkt der Beauftragung konnte der Antragsgegner jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgehen, dass die Rechtsmittel erfolglos bleiben würden; die Äußerung des Berichterstatters unmittelbar nach Eingang von Klage und Eilanträgen beim Verwaltungsgericht über die Erfolgsaussichten und seine Bitte, eine Rücknahme der Rechtsmittel zu prüfen, war jedenfalls nicht geeignet, die Einschaltung eines Rechtsanwalts als einen Verstoß gegen den aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Kostenminderungsgrundsatz ansehen zu können. Auch die Aufforderung des Verwaltungsgerichts, eine Klage- bzw. Antragserwiderung erst nach Erhalt der (noch ausstehenden) Begründungsschrift einzureichen, lässt nicht den Schluss zu, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Beauftragung eines Rechtsanwalts erfolgen hätte sollen; dem Verwaltungsgericht hätte es im Übrigen frei gestanden, eine entsprechende ausdrückliche Anregung im Erstzustellungsschreiben auszusprechen. Als Ausnahme vom Grundsatz des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO hätte eine Beauftragung eines Rechtsanwalts etwa erst dann gegen das Gebot sparsamer Prozessführung verstoßen und wäre damit rechtsmissbräuchlich gewesen, wenn das Gericht z. B. die Verwerfung eines Rechtsmittels bereits angekündigt hätte und daher nicht mehr zu besorgen gewesen wäre, ohne eigene anwaltliche Vertretung Rechtsnachteile zu erleiden (zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO: BGH, B. v. 26.1.2006 – III ZB 63/05 – juris Rn. 20).
Sind aber hier nach den vorstehenden Ausführungen die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen, ist kein Grund ersichtlich, diese Notwendigkeit (ausnahmsweise) deshalb zu verneinen, weil der erste Bürgermeister und der bevollmächtigte Rechtsanwalt des Antragsgegners personengleich sind, während die Kosten eines jeden anderen Rechtsanwalts zu erstatten wären. Aus Sicht der kostenbelasteten Partei macht es schon aus wirtschaftlicher Sicht keinen Unterschied, welchem Rechtsanwalt gegenüber er zur Zahlung der Gebühren und Auslagen verpflichtet ist. Die Motivation, aus der heraus der Antragsgegner seinen Bürgermeister und nicht einen dritten Rechtsanwalt beauftragt hat, und ob es dabei tatsächlich darum ging, ihm „nur Gebühren zukommen zu lassen“, ist im vorliegenden Zusammenhang völlig ohne Bedeutung, solange der Zweck der Rechtsverteidigung in nicht rechtsmissbräuchlicher Weise verfolgt wird. Gleiches gilt für den politischen und nicht rechtlichen Vorwurf der „Wählertäuschung“; selbst wenn ein Rechtsanwalt im Wahlkampf damit geworben haben sollte, als juristisch ausgebildeter Bewerber seine Gemeinde besonders „gut“ vertreten zu können, schließt dies nicht seine spätere Bevollmächtigung als Rechtsanwalt durch die Gemeinde, zu deren Bürgermeister er gewählt wurde, aus. Im Übrigen hat auch ein Rechtsanwalt, der einen Berufskollegen mit seiner Vertretung beauftragt, grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der ihm dadurch entstehenden Kosten einschließlich der Gebühren, die er dem beauftragten Rechtsanwalt schuldet (Kopp/Schenke, a. a. O., § 162 Rn. 9)
Zu keinem anderen Ergebnis führt auch der von der Bevollmächtigten der Antragsteller geschilderte telefonische Kontakt zwischen ihr und dem ersten Bürgermeister des Antragsgegners, in dessen Rahmen er nicht auf seine bevorstehende Beauftragung und das damit einhergehende erhöhte Kostenrisiko für die Antragsteller hingewiesen habe. In einem derartigen Vorgehen vermag der Senat kein die Kostenerstattung ausschließendes treuwidriges Verhalten zu erblicken, auch wenn eine Offenlegung der geplanten Beauftragung – wie von den Antragstellern im Nachhinein gefordert – möglicherweise zu einer schnelleren und kostengünstigeren Rücknahme der Rechtsmittel geführt hätte. Es besteht nämlich keine prozessuale Verpflichtung, einem Prozessgegner die bevorstehende Beauftragung eines Rechtsanwalts mitzuteilen, um ihm auf diese Weise die Erhöhung des Kostenrisikos vor Augen zu führen.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass im Kostenfestsetzungsverfahren im Rahmen der §§ 164, 165 VwGO grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob die Bevollmächtigung des Prozessvertreters desjenigen Beteiligten, der die Festsetzung der zu erstattenden Kosten beantragt, wirksam erfolgt ist oder nicht (OVG Hamburg, B. v. 30.5.2006 – 3 So 38/06 – juris); vielmehr ist allein über die Erstattungsfähigkeit und die Höhe der zu erstattenden Kosten zu entscheiden (BayVGH, B. v. 9.3.2006 – 1 C 05.3053 – juris Rn. 11). Einer näheren Betrachtung der von den Antragstellern angeführten Bestimmung in der Geschäftsordnung des Antragsgegners bedarf es daher nicht.
Für die vom Antragsgegner beantragte Abänderung des Zeitpunkts, ab dem der nach den Kostenfestsetzungsbeschlüssen (vgl. jeweils III.) zu erstattende Betrag zu verzinsen ist (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO), vom 9. April auf den 9. Februar 2013, sind schon keine schlüssigen Gründe dargelegt; denn das Verwaltungsgericht hat über die Verteilung der Kostenlast in seinen Einstellungsbeschlüssen vom 20. Februar und 8. März 2013 und damit erst nach dem 9. Februar 2013 entschieden. Damit bedarf es keinen Eingehens auf die Frage, ob der Zeitpunkt des Beginns der Verzinsung überhaupt Streitgegenstand der vorliegenden Beschwerdeverfahren sein kann, nachdem er vom Antragsgegner nicht im Wege der Erinnerung beanstandet worden war.
4. Den Antragstellern war für ihre Beschwerdeverfahren jeweils Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu gewähren (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO).
Die Antragsteller haben nachgewiesen, dass sie aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Aufbringung der Kosten der Prozessführung nicht in der Lage sind. Die Bewilligung war dabei unabhängig von den Erfolgsaussichten (der Beschwerdeverfahren) auszusprechen; im Rahmen der vom Prozessgegner angestrengten Rechtsmittelverfahren ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung der Antragsteller hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Für die Beschwerdeverfahren können als außergerichtliche Kosten zulasten der Antragsteller Rechtsanwaltsgebühren nach Nr. 3500 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz anfallen (Neumann in Sodan/Ziekow, a. a. O., § 165 Rn. 36).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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