Kosten- und Gebührenrecht

Erinnerung gegen Kostenfestsetzung

Aktenzeichen  M 12 M 15.2236

Datum:
14.10.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 94, § 151, § 162 Abs. 2 S. 3, § 165, § 173
ZPO ZPO § 251

 

Leitsatz

1. Reisekosten der Beteiligten, auch des Behördenvertreters, für die Teilnahme am Termin der mündlichen Verhandlung sind regelmäßig erstattungsfähig. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Behörde kann als Telekommunikationspauschale stets den Höchstsatz von 20 Euro fordern, da § 162 Abs. 2 S. 3 VwGO allein auf diesen Höchstsatz verweist, was eine fiktive Berechnung der Gebühren entbehrlich macht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
II.
Die Kostenerinnerung wird zurückgewiesen.
III.
Der Antragsteller hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. September 2014.
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2014 im Verfahren M 12 K 13.3144 wurde eine Klage des Antragstellers gegen den Antragsgegner abgewiesen und die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller als der unterliegenden Partei auferlegt. Mit Beschluss vom 16. April 2014 lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den vom Antragsteller am … März 2014 gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Die Kosten des Zulassungsverfahrens wurden ebenfalls dem Antragsteller auferlegt.
Daraufhin machte der Antragsgegner mit Schreiben vom … September 2014 Aufwendungen in Höhe von insgesamt 86,10 Euro geltend (Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungskosten in Höhe von insgesamt 40,00 Euro für die Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sowie Fahrtkosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2014 vor dem Verwaltungsgericht München) und beantragte hierfür die gerichtliche Kostenfestsetzung.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. September 2014 wurden die vom Antragsteller zu tragenden notwendigen Aufwendung des Antragsgegners antragsgemäß auf insgesamt 86,10 Euro festgesetzt und eine Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem Basissatz ab 23. September 2014 festgelegt. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 2. Oktober 2014 zugestellt.
Mit Schreiben vom … Oktober 2014, bei Gericht am 11. Oktober 2014 eingegangen, wies der Antragsteller die Kostenfestsetzung zurück. Zugleich beantragte der Antragsteller die Aussetzung des Verfahrens. Hierzu führte der Antragsteller aus, dass er sich aufgrund der Folgen einer sehr akuten zervikalen Spinalkanalstenose sowie mehrerer Bandscheibenvorfälle zwei Operationen unterziehen müsse. Es bestehe ein erhebliches Risiko der Lähmung verschiedener Körperfunktionen. Da er derzeit weder Unterlagen bearbeiten noch in der Sache tätig werden könne und auch nicht absehbar sei, wie lange die Reha dauern werde, beantrage er die Aussetzung des Verfahrens. Aus dem beiliegenden Attest einer Gemeinschaftspraxis für Orthopädie vom .. September 2014 geht hervor, dass es dem Antragsteller aus ärztlicher Sicht momentan nicht möglich sei, schwere körperliche Verrichtungen durchzuführen und insbesondere längere Strecken zu fahren.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Nach Auskunft des Antragsgegners handelt es sich bei den geltend gemachten Fahrtkosten um ein Zugticket 1. Klasse für eine Person für die Hin- und Rückfahrt von L. nach M.
Dem Antragssteller wurde Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zu äußern.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren M 12 K 13.3144 verwiesen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist zulässig, aber unbegründet.
Soweit der Antragsteller die Aussetzung des Verfahrens beantragt hat, kann dem nicht entsprochen werden, weil die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nicht vorliegen. Eine Aussetzung kommt gemäß § 94 VwGO nur in Betracht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Hier fehlt es an der Vorgreiflichkeit eines anderen (d. h. nicht des hier streitgegenständlichen) Verfahrens. Es kann offen bleiben, ob der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens als Antrag auf Ruhen des Verfahrens auszulegen ist, denn ein Ruhen des Verfahrens (§ 173 VwGO i. V. m. § 251 ZPO) kommt hier ebenfalls nicht in Betracht. Dieses würde nämlich voraussetzen, dass beide Parteien das Ruhen des Verfahrens beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist (§ 251 ZPO). Hieran fehlt es.
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist zulässig.
Die Erinnerung ist gemäß §§ 165, 151 Satz 1 VwGO statthaft. Sie wurde auch fristgemäß innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhoben (§ 147 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 151 Satz 3 VwGO).
Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Der Urkundsbeamte des Gerichts hat die erstattungsfähigen Kosten fehlerfrei festgesetzt.
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 2014 wurden dem Antragsteller im Verfahren M 12 K 13.3144 die Kosten des Verfahrens auferlegt. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. April 2014 wurden ihm ebenfalls die Kosten des Zulassungsverfahrens auferlegt.
Nach § 162 Abs. 1 VwGO zählen zu den erstattungsfähigen Kosten neben den Gerichtskosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss dabei aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten.
Reisekosten der Beteiligten, auch des Behördenvertreters, für die Teilnahme am Termin der mündlichen Verhandlung sind regelmäßig erstattungsfähig.
Die Höhe der zu erstattenden Parteiauslagen, insbesondere welches Beförderungsmittel und in welcher Höhe dessen Kosten als notwendig anzuerkennen sind, ist in der VwGO nicht geregelt. Unabhängig davon, ob sich die Reisekostenerstattung nach § 173 VwGO, § 91 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO i. V. m. § 5 JVEG (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1983 – 4 A 1/78 – juris Rn. 5; VG Gießen, B. v. 16.3.2009 – 10 O 188/09.GI – juris Rn. 13 f m. w. N.) oder nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 ff des Bayerischen Gesetzes über die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter (vgl. HessVGH, B. v. 25.1.1989 – F 4471/88 – juris Ls. 2; VG Gießen, B. v. 3.3.2009 – 6 O 74/09.GI – juris Rn. 2 m. w. N.; Neumann, Reisekosten von Behördenvertretern im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren, DÖV 2012, 510/517) richtet, hat der Antragsgegner im vorliegenden Fall nach beiden Vorschriften Anspruch auf Erstattung der DB-Fahrkarten 1. Klasse (Art. 5 BayRKG bzw. § 5 Abs. 1 JVEG). Bei den für die Beklagte an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Behördenvertretern handelt es sich um Angehörige der übrigen Besoldungsgruppen im Sinne des Art. 5 BayRKG.
Die Geltendmachung der Telekommunikationspauschale ergibt sich aus § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Danach können juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden anstelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nr. 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern. Dieser Pauschalsatz beträgt z. Zt. 20 v. H. der gesetzlichen Gebühren, jedoch höchstens 20 Euro. Die Behörde kann stets den Höchstsatz von 20 Euro fordern, da die vorgenannte gesetzliche Vorschrift allein auf diesen Höchstsatz verweist, was eine fiktive Berechnung der Gebühren entbehrlich macht (Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 162 Rn. 30). Die Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV RVG kann in gerichtlichen Verfahren für jeden Rechtsweg gefordert werden (LG Dresden, B. v. 9.1.2006 – 3 Qs 111/05).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren über die Kostenerinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 Satz 1 Gerichtskostengesetz – GKG – analog).

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