Aktenzeichen M 5 M 17.49591
VV-RVG Nr. 3104
Leitsatz
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG fällt nicht an, wenn der betreffende Beteiligte in einem durch Gerichtsbescheid beendeten Klageverfahren in vollem Umfang obsiegt hat und deshalb einen Antrag auf mündliche Verhandlung in zulässiger Weise nicht stellen kann. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. November 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 17. August 2017 (M 5 K 16.36317) wurde der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Dezember 2016 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Mit Schriftsatz vom 5. September 2017 beantragte die Klagepartei die Festsetzung ihrer erstattungsfähigen Kosten mit einer Gesamtsumme von 925,22 EUR. U.a. wurde auch eine 1,3-fache Terminsgebühr aus einem Gegenstandswert von 5.000,- EUR beantragt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. November 2017 setzte die Urkundsbeamtin die der Klagepartei von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen auf 492,54 EUR fest. Die Voraussetzungen für die Festsetzung der beantragten Terminsgebühr lägen nicht vor.
Mit Schriftsatz vom 13. November 2017, eingegangen bei Gericht am 14. November 2017, hat die Klagepartei gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss die Entscheidung des Gerichts beantragt. In zahlreichen neueren Entscheidungen werde auch in den Fällen, in denen mangels Beschwer keine mündliche Verhandlung durch die Klagepartei beantragt werden könne, da sie im Gerichtsbescheid vollständig obsiegt habe, die Erstattungsfähigkeit einer Terminsgebühr bejaht.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht ab und legte ihn dem Gericht zur Entscheidung vor.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2017 entgegen und hielt diesen für unbegründet.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren wie auch im Verfahren M 5 K 16.36317 verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gemäß §§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Insbesondere ist er fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe erhoben worden, §§ 165 Satz 1, 151 Satz 3, 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Funktionell zuständig zur Entscheidung ist der Einzelrichter, da auch die zugrunde liegende Kostenlastentscheidung (hier mit Gerichtsbescheid vom 17. August 2017 im Verfahren M 5 K 16.36317 durch den Einzelrichter erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2016 – 4 C 16.755 – juris sowie B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – BayVBl 2004, 505/506 sowie juris).
2. Der Antrag auf Entscheidung des Gerichts („Erinnerung“) ist nicht begründet.
Die Urkundsbeamtin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. November 2017 zu Recht eine fiktive Terminsgebühr (Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG) nicht als eine dem Kläger erwachsene notwendige und zu erstattende Aufwendung festgesetzt.
Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 der Anlage 1 VV RVG ist nicht entstanden.
Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden. Ein Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist nicht erfolgt, so dass eine Terminsgebühr nicht nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG angefallen ist.
Eine Terminsgebühr ist auch nicht nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG entstanden. Nach dieser Vorschrift fällt eine Terminsgebühr auch dann an, wenn nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Zwar ist hier durch Gerichtsbescheid entschieden worden. Da der Kläger aber obsiegt hat, konnte er mangels Beschwer in zulässiger Weise keine mündliche Verhandlung beantragen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 84 Rn. 37; Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 84 Rn. 21). Aus dem Wortlaut „beantragt werden kann“ folgt, dass der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch zulässig sein muss. Wäre nämlich das Wort „kann“ hier im rein faktischen Sinne (und nicht im Sinne eines rechtlichen Dürfens) zu verstehen, könnte ausnahmslos in allen Fällen, in denen durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, mündliche Verhandlung beantragt werden. Denn niemand ist gehindert, auch einen unzulässigen Antrag zu stellen. Bei einem solchen Verständnis der Norm wäre aber der letzte Halbsatz von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG ersichtlich überflüssig (vgl. insgesamt hierzu: VG München, B.v. 4.12.2017 – M 19 M 17.49440 – juris Rn. 12; VG München, B.v. 14.12.2017 – M 25 M 17.50108 – juris Rn. 8 f.; VG Berlin, B.v. 7.9.2017 – 14 KE 29.17 – juris; VG Wiesbaden, B.v. 28.8.2017 – 3 O 359/17.WI.A – juris; VG Schleswig, B.v. 13.11.2015 – 12 A 30/15 – juris; a.A. VG Hamburg, B.v. 9.11.2017 – 1 KO 8346/17 – juris Rn. 12 ff. – ausführlich und m.w.N.). Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG fällt daher nicht an, wenn der betreffende Beteiligte – wie im vorliegenden Fall der Antragsteller – in dem durch Gerichtsbescheid beendeten Klageverfahren in vollem Umfang obsiegt hat und daher mangels erforderlicher Beschwer von vornherein einen Antrag auf mündliche Verhandlung in zulässiger Weise nicht stellen kann. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/11471 [neu], S. 275) stützt diese Auffassung. Denn dort ist davon die Rede, dass das Entstehen der Terminsgebühr auf die Fälle beschränkt werden soll, in denen eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann, wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel gegeben ist (so auch: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Auflage 2017, VV 3104 Rn. 85).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).