Kosten- und Gebührenrecht

Erinnerungsverfahren – Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 80 Abs. 7 VwGO gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit

Aktenzeichen  AN 9 M 16.50100

Datum:
19.5.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 5
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 161, § 165

 

Leitsatz

Ist der Rechtsanwalt bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig geworden, kann er für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut Gebühren verlangen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein am … 1986 geborener syrischer Staatsangehöriger, reiste am 20. Februar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte Asylantrag, nachdem er bereits zuvor in Bulgarien ein Asylverfahren durchgeführt und dort die Zuerkennung internationalen Schutzes erhalten hatte.
Mit Bescheid vom 30. Juli 2014 stellte die Antragsgegnerin fest, dass dem Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an. Hiergegen ließ der Antragsteller am 7. August 2014 Klage erheben (AN 9 K 14.50100) und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen (AN 9 S. 14.50099).
Mit Beschluss vom 25. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab, da sich der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweise.
Am 24. September 2014 stellte der Antragsteller einen Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO unter Verweis auf die zwischenzeitlich eingetretene Suizidgefährdung des Antragstellers.
Mit Beschluss vom 7. Oktober 2014 ordnete das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Juli 2014 an (AN 9 S. 14.50162).
Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 22. Oktober 2014 wurde Festsetzung der Kosten in Höhe von 334,75 EUR (1,3 Verfahrensgebühr §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV sowie Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV) beantragt.
Den Kostenfestsetzungsantrag hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach mit Beschluss vom 4. August 2015 abgelehnt. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, die geltend gemachten Gebühren und Auslagen seien nicht erstattungsfähig. Gemäß § 15 Abs. 2 RVG könne der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Im gebührenrechtlichen Sinne sei dieselbe Angelegenheit gemäß § 16 Nr. 5 RVG das Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO) und jedes Verfahren über dessen Änderung oder Aufhebung (§ 80 Abs. 7 VwGO). Von der Kostengrundentscheidung des Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO seien nur solche Kosten umfasst, die erstmals im Abänderungsverfahren entstanden seien. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn seitens des Gerichts die ursprüngliche Kostengrundentscheidung ausdrücklich aufgehoben würde. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall. Ebenso verhalte es sich mit der beantragten Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen. Auch dabei handele es sich nicht um erstmals im Abänderungsverfahren entstandene Kosten.
Gegen den am 6. August 2015 dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 10. August 2015, eingegangen am 11. August 2015, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, es sei zwischen dem Vertragsverhältnis zwischen dem Anwalt und dem Mandanten, das durch das RVG reguliert werde, und dem Erstattungsverhältnis zwischen obsiegender und unterliegender Partei (§ 91 ZPO) zu unterscheiden. Der Antragsteller habe zwei selbständige Eilverfahren geführt. § 16 Nr. 5 RVG regele lediglich im Verhältnis des Anwalts gegenüber dem Mandanten, dass innerhalb der beiden Anordnungsverfahren die Gebüh ren insgesamt nur einmal gefordert werden dürften. Für das Erstattungsverhältnis gegenüber der unterliegenden Partei sei es unerheblich, ob die Gebühren bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden seien, oder nachfolgend im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO. Wäre der Antragsteller erst im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO anwaltlich vertreten gewesen, dann bestünden keine Zweifel an der Erstattungspflicht der Gebühren. Hätte die Antragsgegnerin der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht genügt und den geänderten Sachverhalt selbst festgestellt, so wäre ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erforderlich gewesen; dementsprechend sei die Kostenentscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zu Lasten der Antragsgegnerin erfolgt. Im Erstattungsverhältnis zur Gegenseite müsse es unschädlich sein, dass der Anwalt bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig gewesen sei. Der Gesetzgeber habe die Begrenzung des Gebührenvolumens nach § 16 Nr. 5 RVG im Interesse des Mandanten vorgenommen. Eine Begünstigung des erstattungspflichtigen Gegners sei damit nicht beabsichtig gewesen.
Der Antragsteller beantragt durch seine Prozessbevollmächtigte, gerichtliche Entscheidung hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 4. August 2015, soweit die Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr sowie der Telekommunikationspauschale (Nr. 3100, Nr. 7002 VV-RVG) abgelehnt wurde.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 20. August 2015, den Antrag abzulehnen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach hat der Erinnerung gemäß Vorlageschreiben vom 4. April 2016 nicht abgeholfen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den Verfahren AN 9 K 14.50100, AN 9 S. 14.50099, AN 9 S. 14.50162 sowie die dazugehörige Kostenakte verwiesen.
II.
Über den Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Erinnerungsverfahren nach §§ 165, 151 VwGO entscheidet das Gericht in derselben Besetzung wie im Erkenntnisverfahren, mithin vorliegend durch die Einzelrichterin (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO-Komm., Stand 10/2015, § 165 Rn. 9).
Die nach § 165 i.V.m. § 151 Satz 1 VwGO statthafte und fristgemäße Kostenerinnerung ist zwar zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. August 2015 der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach erweist sich als rechtmäßig.
Gemäß § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Nach § 16 Nr. 5 RVG sind u.a. das Verfahren über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage (§ 80 Abs. 5 VwGO) sowie jedes nachfolgende Abänderungsverfahren (§ 80 Abs. 7 VwGO) gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit. Die Regelung beruht auf dem Grundgedanken, dass zwischen dem Abänderungsverfahren und dem vorausgegangenen Verfahren regelmäßig ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, der die Zusammenfassung der Verfahren zu einer gebührenrechtlichen Einheit rechtfertigt. Das Gesetz geht typisierend davon aus, dass der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts im Wesentlichen bereits im Ausgangsverfahren entstanden und damit durch die bereits dort angefallene Gebühr abgegolten ist.
Hinsichtlich der Frage der Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, der sowohl im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO im selben Rechtszug tätig war, folgt das Gericht der (obergerichtlichen) Rechtsprechung, wonach die Gebühren für den jeweiligen Rechtszug bereits im Ausgangsverfahren entstanden sind und somit im Abänderungsverfahren nicht nochmals als erstattungsfähig anzusehen sind (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13; VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris Rn. 16; VG Bayreuth, B.v. 30.11.2015 – B 5 M 15.30571; VG Regensburg, B.v. 9.10.2015 – RN 2 M 15.50593 – juris Rn. 12; VG Minden, B.v. 3.7.2015 – 6 L 862/14.A – juris).
Ist somit der Rechtsanwalt bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig geworden, kann er für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut Gebühren verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Verfahren über den gleichen Gegenstand gesondert geführt wurden oder ob dem Abänderungsantrag eine stattgebende oder ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorausgegangen ist (vgl. BVerwG, B.v. 23.7.2003 -7 KSt 6/03 – juris Rn. 3 zur Rechtslage nach BRAGO). Der Beschluss im Abänderungsverfahren vom 7. Oktober 2014 beinhaltet keine Aufhebung des Beschlusses vom 25. August 2014, sondern ändert diesen lediglich im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab.
Es besteht auch kein Wahlrecht des Rechtsanwalts, die nur einmal zu fordernde Gebühr erst in einem nachfolgenden Abänderungsverfahren zu verlangen (vgl. VG Regensburg, B.v. 9.10.2015 – RN 2 M 15.50593 – juris Rn. 13; VG Regensburg, B.v. 23.4.2009 – RO 7 M 08.2020 – juris; VG Ansbach, B.v. 14.8.2013 – AN 6 M 12.30309; VG Ansbach, AN 9 M 12.30668 – juris). Eine Gebühr für ein Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entsteht nach § 16 Nr. 5 RVG nicht erneut, weil der mit der Gebühr abzugeltende Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts in aller Regel im Wesentlichen bereits im zwingend vorausgegangenen Ausgangsverfahren angefallen und deshalb mit der dort entstandenen Gebühr als insgesamt abgegolten gilt. Eine Verlagerung oder Aufteilung der insgesamt nur einmal zu verlangenden Gebühr in das nachfolgende Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist weder nach den gesetzlichen Bestimmungen noch der Sache nach gerechtfertigt. Anderenfalls würde die im Ausgangsverfahren ergangene Kostengrundentscheidung insofern unterlaufen, als die in diesem Verfahren angefallenen Kosten letztlich auf die – im Ausgangsverfahren obsiegende – Antragsgegnerin abgewälzt werden könnten (vgl. VG Bayreuth, B.v. 30.11.2015, a.a.O.). Ein Wahlrecht, das den Beteiligten berechtigten würde, aus möglicherweise divergierenden Kostenentscheidung diejenige auszuwählen, die ihr günstig erscheint, ist mit der gesetzlichen Intention von § 16 Nr. 5 RVG, wonach der für das nachfolgende Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO anfallende Arbeitsaufwand mit abgegolten sein soll, nicht zu vereinbaren.
Der Vortrag der Bevollmächtigten des Antragstellers, zwischen dem Mandatsverhältnis und dem Erstattungsverhältnis sei zu differenzieren, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn eine im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unterlegene Partei kann sich einem Kostenerstattungsanspruch der Gegenpartei nicht mit der Begründung entziehen, in einem nachfolgenden Abände rungsverfahren obsiegt zu haben. Für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten einer Partei kommt es nicht maßgeblich darauf an, zu wessen Gunsten oder Lasten ein (finales) Abänderungsverfahren erfolgt. Soweit – wie vorliegend – im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO lediglich eine Abänderung des Beschlusses im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolgt, trifft die Kostenentscheidung keine Regelung zur Erstattungsfähigkeit von bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Aus diesen Gründen ist die Kostenerinnerung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
gez.

– …

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen

Europarecht

Schadensersatz, Ermessensentscheidung, Aussetzungsantrag, Kommission, Aussetzung, Fahrzeug, Vorabentscheidungsverfahren, Zeitpunkt, Beschwerde, Verfahren, Schriftsatz, Rechtssache, EuGH, Anspruch, Aussetzung des Rechtsstreits, erneute Entscheidung
Mehr lesen