Aktenzeichen S 51 AS 2390/16 ER
SGG SGG § 86b
Leitsatz
Die Behörde hat einen Ermessensspielraum, ob sie einen Verwaltungsakt an den Beteiligten oder an dessen Bevollmächtigten bekannt gibt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, sich im Verwaltungsverfahren ausschließlich an seinen Bevollmächtigten zu wenden.
Der 1974 geborene Antragsteller und seine Ehefrau beziehen laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Zwischen den Beteiligten sind und waren zahlreiche Rechtsstreite, insbesondere wegen der Anrechnung von Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit, anhängig.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am 11.10.2016 beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Der Antragsteller habe den Antragsgegner angewiesen, sich in allen Angelegenheiten nur noch an seinen Verfahrens- und Prozessbevollmächtigten zu wenden. Dagegen habe der Antragsgegner zum wiederholten Mal verstoßen. Sollte im Einzelfall eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller erforderlich sein, müsse zwingend der Bevollmächtigte zeitgleich verständigt werden.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sich bis zu einem Widerruf durch den Antragsteller in sämtlichen Leistungsangelegenheiten nach dem SGB II ausschließlich an den Verfahrensbevollmächtigten zu wenden. Sollte sich der Antragsgegner im Einzelfall direkt an den Antragsteller selbst wenden, weil der Antragsteller zu einer Mitwirkungshandlung verpflichtet ist, wird der Antragsgegner verpflichtet, den Verfahrensbevollmächtigten zeitgleich zu verständigen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Bevollmächtigte habe bisher seine Bevollmächtigung nur jeweils für die einzelnen Widerspruchsverfahren angezeigt. Dementsprechend sei die Korrespondenz im Rahmen der Widerspruchsverfahren stets mit dem Verfahrensbevollmächtigten geführt worden. Es existierten keine Widerspruchsbescheide, die an den Antragsteller selbst übersandt worden wären. Eine Vollmacht im Verwaltungsverfahren sei bisher nicht vorgelegt worden. Im Übrigen eröffne die gesetzliche Regelung ein Ermessen, Verwaltungsakte einem Bevollmächtigten gegenüber bekannt zu geben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akte des Gerichts Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Es wurde weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Nach § 13 Abs. 3 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) muss sich die Behörde an den Bevollmächtigten wenden, wenn ein solcher bestellt ist. Erklärungen der Behörde im Verwaltungsverfahren sind also grundsätzlich an den Bevollmächtigten zu richten (Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 13 Rn 9). Dagegen kann nach § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X ein Verwaltungsakt an den Beteiligten oder an den Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Insoweit ist der Behörde ein Ermessensspielraum eingeräumt. Die Vorschrift verdrängt nach herrschender Meinung als Spezialvorschrift den allgemeinen § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X, nach dem sich die Behörde in typischen Fällen an den Bevollmächtigten wenden muss. Diese herrschende Meinung überzeugt, und zwar nicht nur wegen des Wortlauts der Vorschrift, sondern vor allem wegen der Entstehungsgeschichte: Eine ursprünglich vom Bundestag beabsichtigte parallele Regelung zu § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X wurde im Vermittlungsverfahren wieder gestrichen (Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand 01.12.2012, § 37 Rn 85).
Inwieweit sich die Behörde an den Bevollmächtigten wenden muss bzw. ihr ein Ermessen zusteht, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da vom Antragsteller jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde. Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass ihm eine Verfahrensvollmacht nicht vorliegt. Diese wurde auch auf Nachfrage des Gerichts nicht nachgewiesen. Ein entsprechendes Schreiben des Gerichts vom 17.11.2016 blieb ohne Reaktion. Der Antragsteller kann sein Ziel daher einfacher durch die Vorlage einer entsprechenden Vollmacht erreichen.
Darüber hinaus ist weder vorgetragen noch ersichtlich, warum es dem Antragsteller nicht zumutbar sein sollte, für eine Übergangszeit selbst seinen Bevollmächtigten zu unterrichten, wenn er Schreiben des Antragsgegners erhält, gegen die er sich wehren will. Bei den Ansprüchen nach dem SGB II handelt es sich in der Regel um höchstpersönliche Rechte, eine vollständige Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Verwaltungsverfahren ist in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.