Kosten- und Gebührenrecht

Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG

Aktenzeichen  5 C 17.1118

Datum:
26.6.2017
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StAG StAG § 8 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ein öffentliches Interesse, das den Verzicht auf das für die Ermessenseinbürgerung notwendige Erfordernis der selbständigen Unterhaltsfähigkeit rechtfertigt, folgt weder aus der Minderjährigkeit des Einbürgerungsbewerbers (Anschluss an NdsOVG BeckRS 2013, 45530) noch aus allgemeinen demographischen oder migrationspolitischen Erwägungen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2015, 48129). (redaktioneller Leitsatz)
2 Zum besonderen Härtefall ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass dieser durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt sein muss und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen wird und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden kann (Anschluss an BVerwG BeckRS 2012, 51026). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 14 K 16.2389 2017-03-07 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde der Kläger gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. März 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I.
Die Kläger verfolgen mit ihrer Beschwerde ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt M. für eine (bedingte) Klage auf Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG weiter. Die Regierung von Mittelfranken hat die Einbürgerungsanträge der beiden minderjährigen Geschwister mit Bescheiden vom 14. November 2016 abgelehnt. Die Kläger haben Prozesskostenhilfe beantragt und „nach bewilligter Prozesskostenhilfe“ Klage gegen die Ablehnungsbescheide erhoben. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 7. März 2017 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde, der der Beklagte entgegentritt.
II.
1. Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung bleibt ohne Erfolg. Unabhängig von der Frage der bedingten Klageerhebung hat das Verwaltungsgericht den Antrag zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG setzt die Ermessenseinbürgerung unter anderem voraus, dass der Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Wie die Regierung von Mittelfranken in den angefochtenen Ablehnungsbescheiden zutreffend und unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt hat, erfüllen die minderjährigen Kläger diese Voraussetzung der selbständigen Unterhaltsfähigkeit nicht, weil sie mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch leben und somit ihren Lebensunterhalt aus öffentlichen Mitteln bestreiten. Auf die Frage des Vertretenmüssens kommt es im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG nicht an (BVerwG, B.v. 6.2.2013 – 5 PKH 13.12 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 7.12.2012 – 5 ZB 12.1688 – juris Rn. 4; Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 8 StAG Rn. 17; vgl. auch Nr. 8.1.1.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht – StAR-VwV – vom 13.12.2000).
Eine Ausnahme vom Unterhaltssicherungserfordernis aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte nach § 8 Abs. 2 StAG ist ebenfalls nicht gegeben. Diese Vorschrift regelt abschließend die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen im Einzelfall vom Erfordernis der selbständigen Unterhaltsfähigkeit abgesehen werden kann. Ein öffentliches Interesse, das den Verzicht auf dieses Erfordernis rechtfertigt, folgt weder aus der Minderjährigkeit des Einbürgerungsbewerbers (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 7.1.2013 – 13 PA 243/12 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.) noch aus allgemeinen demographischen oder migrationspolitischen Erwägungen (BVerwG, U.v. 28.5.2015 – 1 C 23.14 – BVerwGE 152, 156 Rn. 24). Zum besonderen Härtefall ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass dieser durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt sein muss und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen wird und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 5.11 – BVerwGE 142, 145 Rn. 39; B.v. 6.2.2013 – 5 PKH 13.12 – juris Rn. 7). Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich darauf, diese höchstrichterliche Judikatur in Abrede zu stellen, ohne hierfür auch nur ansatzweise eine Begründung zu liefern. Anhaltspunkte für das Vorliegen von den einen Härtefall begründenden Umständen, deren Vorbringen der Mitwirkungsobliegenheit des Einbürgerungsbewerbers unterfällt (BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 4.14 – BVerwGE 150, 17 Rn. 29), sind weder von der Klägerseite dargelegt noch sonst ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 i.V.m. § 159 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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