Aktenzeichen 1 C 16.1271
BayBO Art. 28 Abs. 8, Abs. 9
Leitsatz
Aufwendungen für private Sachverständigengutachten sind nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig. Ob eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung ein solches notwendig machen, ist danach zu bemessen, ob eine verständige Partei in dieser Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte, während sie bemüht ist, die notwendigen Kosten möglichst gering zu halten. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 11 M 16.1364 2016-05-10 Hinweisbeschluss VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.777‚06 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Erstattungsfähigkeit privater Gutachterkosten aus Anlass einer baurechtlichen Nachbarstreitigkeit. Der Kläger wandte sich im Klagewege gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau einer Gewerbeimmobilie mit Wohnnutzung. Er trug unter anderem vor, dass die im Bescheid erteilten brandschutzrechtlichen Abweichungen rechtswidrig seien. Insoweit legte der Kläger in Ergänzung der Klagebegründung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Stellungnahme eines Sachverständigen und Fachplaners für den vorbeugenden Brandschutz vor. Mit Urteil vom 22. Oktober 2015 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten aufgehoben und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Februar 2016 hat der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts die zu erstattenden Kosten festgesetzt, dabei jedoch die Kosten für den vom Kläger eingeschalteten Sachverständigen in Höhe von 3.777‚06 Euro als nicht erstattungsfähig behandelt. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Klägers hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Mai 2016 zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Klägers. Zur Begründung der Beschwerde wird ausgeführt, die Sachverständigenkosten seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erstattungsfähig.
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und die Streitsache dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
Der Beklagte und die Beigeladene haben sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die Tätigkeit des von ihm eingeschalteten Sachverständigen verneint.
Aufwendungen für private‚ d. h. nicht vom Gericht bestellte Sachverständige sind gemäß § 162 Abs. 1 VwGO nur dann erstattungsfähig‚ wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Kläger, sondern danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.2001 – 9 KSt 2.01 – NVwZ 2001, 919). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß § 86 VwGO von der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Die Einholung eines Privatgutachtens im Verwaltungsprozess ist nur – ausnahmsweise – dann als notwendig anzuerkennen‚ wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe eines eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen: Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern‚ und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein (vgl. BVerwG‚ B.v. 11.4.2001 – 9 KSt 2.01‚ a. a. O.).
Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten für die Tätigkeit des vom Kläger im Klageverfahren eingeschalteten Sachverständigen nicht erstattungsfähig. Der Kläger hat bereits in der Klagebegründung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Frage der Notwendigkeit einer Brandwand an der südlichen Außenwand des geplanten Baukörpers und der Rechtmäßigkeit der insoweit im Bescheid erteilten Abweichung von Art. 28 BayBO sowie zum möglichen Schutz der Fenster in der Feuerwiderstandsklasse G 30 Stellung genommen. In diesem Zusammenhang hat er zudem auf die Fluchtwegesituation seiner benachbarten Bestandsgebäude und deren Bewertung in dem im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Brandschutznachweis hingewiesen.
Ist aber die Errichtung einer Brandwand – wie vorliegend – erforderlich, so sind Öffnungen in der Brandwand gemäß Art. 28 Abs. 8 BayBO grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen sind lediglich für innere Brandwände gemäß Art. 28 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 9 BayBO vorgesehen. Eine bloße G-Verglasung in Brandwänden oder in Wänden an Stelle von Brandwänden – wie vorliegend im Baugenehmigungsbescheid vorgegeben – ist dafür jedenfalls nicht ausreichend (vgl. Kühnel/Gollwitzer in Simon/Busse, BayBO, Januar 2016, Art. 28 Rn. 127). Zudem ist vorliegend weder eine Fallkonstellation gegeben, die den Kläger durch das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen als einen mit der Materie nicht vertrauten Laien überfordern könnte (vgl. dazu BVerwG, B. v. 13.3.1992 – 4 B 39.92 – NVwZ 1993, 268), noch handelt es sich um ein besonders komplexes Verfahren, das bereits zahlreiche Sachverständigengutachten erforderlich gemacht hätte und daher ausnahmsweise die Erstellung eines Privatgutachtens rechtfertigen könnte (vgl. BVerwG, B. v. 24.7.2008 – 4 KSt 1008.07 – juris Rn. 9). Auch war angesichts der Anforderungen in Art. 28 Abs. 8 BayBO ungeachtet des Schwerpunkts des Verfahrens im Brandschutz eine umfassende Prüfung des Brandschutznachweises zur Einbeziehung etwaiger weiterer Mängel in das Klageverfahren zur Unterstützung des Klagebegehrens des Klägers nicht geboten. Unabhängig von der Frage des Zeitpunkts der Einholung des Gutachtens und dessen Einführung in das Klageverfahren erschließt sich dem Senat daher nicht, inwiefern der Kläger für die Darstellung der maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Fragen auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens angewiesen war. Im Interesse einer sparsamen Prozessführung war es aus der Position des Klägers objektiv betrachtet ausreichend und zumutbar, im Klageverfahren auf die Notwendigkeit der Errichtung einer Brandwand zu verweisen. Da er stattdessen ohne objektiv erkennbare prozessuale Not ein Privatgutachten eingeholt hat, hat er die dadurch entstandenen Kosten unter dem Blickwinkel einer sparsamen Prozessführung selbst zu tragen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen‚ weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst‚ weil sie kein Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3‚ § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.