Aktenzeichen M 22 M 17.49678
RVG § 2 Abs. 2
VwGO § 84 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 165
VV RVG Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG fällt nicht an, wenn der betreffende Beteiligte in dem durch Gerichtsbescheid beendeten Klageverfahren in vollem Umfang obsiegt hat und daher mangels erforderlicher Beschwer von vornherein einen Antrag auf mündliche Verhandlung in zulässiger Weise nicht stellen kann. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Kostenerinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Gericht hat mit Gerichtsbescheid vom 2. Oktober 2017, rechtskräftig seit 31. Oktober 2017, im Verfahren M 22 K 16.32442 die Antragsgegnerin verurteilt, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Antragsteller hat im Verfahren M 22 K 16.32442 somit vollständig obsiegt.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 beantragte der Antragsteller unter anderem die Festsetzung einer 1,2 Terminsgebühr in Höhe von 363,60 Euro.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts vom 13. November 2017 wurden die zu erstattenden Aufwendungen auf insgesamt 492,54 Euro festgesetzt. Dabei kam eine 1,3 Verfahrensgebühr sowie eine Auslagenpauschale zum Ansatz. Die beantragte 1,2 Terminsgebühr wurde mit der Begründung nicht festgesetzt, dass es im Falle des vollständigen Obsiegens einer Partei zu keiner mündlichen Verhandlung komme, da es schlicht an der Erforderlichkeit einer solchen fehle. Voraussetzung für die Zuerkennung der Terminsgebühr sei, dass eine mündliche Verhandlung zulässigerweise beantragt werden könne. Auf die Entscheidung des VG Wiesbaden vom 28. August 2017 – 3 O 359/17 – BeckRS 2017, 127198 werde verwiesen.
Mit am 20. November 2017 bei Gericht eingegangenem Schreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers beantragte dieser die Entscheidung des Gerichts. Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller hätte durch einen entsprechenden Antrag eine mündliche Verhandlung erzwingen können. Die Terminsgebühr entstehe auch bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Im Übrigen sei auch auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet worden.
Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Streitsache dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens M 22 K 16.32442 Bezug genommen.
II.
Die Kostenerinnerung (§ 165 VwGO i.V.m. § 151 VwGO) ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Die Entscheidung über die Kostenerinnerung erfolgt vorliegend durch die Kammer, da die insoweit maßgebliche Kostenlastentscheidung in der Hauptsache ebenfalls durch die Kammer getroffen worden ist und das Gericht über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung entscheidet, in der die zugrunde liegende Kostenentscheidung getroffen worden ist (vgl. Kaufmann in BeckOK, VwGO, 47. Edition, Stand: 1.7.2018, § 151 Rn. 2).
Die Urkundsbeamtin hat im Beschluss vom 13. November 2017 zu Recht keine Terminsgebühr festgesetzt. Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) entsteht die Terminsgebühr auch, wenn nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann.
Zwar ist hier durch Gerichtsbescheid entschieden worden. Da der Kläger aber obsiegt hat, konnte er mangels Beschwer in zulässiger Weise keine mündliche Verhandlung beantragen (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 84 Rn. 21; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 84 Rn. 37). Aus dem Wortlaut „beantragt werden kann“ folgt, dass der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch zulässig sein muss. Wäre nämlich das Wort „kann“ hier im rein faktischen Sinne (und nicht im Sinne eines rechtlichen Dürfens) zu verstehen, könnte ausnahmslos in allen Fällen, in denen durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, mündliche Verhandlung beantragt werden. Denn niemand ist gehindert, auch einen unzulässigen Antrag zu stellen. Bei einem solchen Verständnis der Norm wäre aber der letzte Halbsatz von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG ersichtlich überflüssig. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG fällt daher nicht an, wenn der betreffende Beteiligte – wie im vorliegenden Fall der Antragsteller – in dem durch Gerichtsbescheid beendeten Klageverfahren in vollem Umfang obsiegt hat und daher mangels erforderlicher Beschwer von vornherein einen Antrag auf mündliche Verhandlung in zulässiger Weise nicht stellen kann (vgl. insgesamt hierzu: NdsOVG, B.v. 16.8.2018 – 2 OA 1541/17 – juris; VG Regensburg, B.v. 1.8.2018 – RN 5 M 18.1069 – BeckRS 2018, 19483; VG Berlin, B.v. 7.9.2017 – 14 KE 29.17 – juris; VG Wiesbaden, B.v. 28.8.2017 – 3 O 359/17.WI.A – BeckRS 2017, 127198)
Unerheblich ist ferner, ob die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Entscheidend ist vielmehr, wie das Gericht im vorliegenden Fall konkret entschieden hat. Insofern werden die Entscheidungsformen ohne mündliche Verhandlung (Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1) und durch Gerichtsbescheid (Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2) im Vergütungsverzeichnis klar unterschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).