Aktenzeichen 11 W 192/16, 11 W 193/16
Leitsatz
Verfahrensgang
34 O 24447/10 — LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten beider Beschwerdeverfahren.
3. Der Wert der Beschwerde beträgt: 11 W 192/16 – 15.476,09 €; 11 W 193/16 – 13.000,00 €.
Gründe
I.
Am 18.03.2013 erging ein der Klage stattgebendes Endurteil des Landgerichts München I (mit Vorteilsausgleichung); die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil wurde mit Endurteil des Oberlandesgerichts München (17 U 1276/13) vom 27.01.2014 kostenpflichtig zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 21.04.2015 zurückgewiesen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.11.2015 (Bl. 542/543 d.A.) setzte das Landgericht München I die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten der 1. Instanz auf 48.237,85 € nebst Zinsen fest (Beschwerdeverfahren 11 W 192/16). Die Kosten der 2. Instanz wurden mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.11.2015 (Bl. 544/545 d.A.) auf 64.484,67 € nebst Zinsen festgesetzt (Beschwerdeverfahren 11 W 193/16). In beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen wurden die Kosten von Privatgutachten, die der Kläger erholt hatte, nicht als erstattungsfähig angesehen. Dabei handelt es sich um ein Gutachten der …, für das als Kosten der 1. Instanz insgesamt 15.476,09 € geltend gemacht wurden (s. Kostenfestsetzungsantrag vom 18.02.2015 bzw. 28.09.2015); für die 2. Instanz war vom Kläger für Gutachten …, … und … ein Betrag von insgesamt 13.000,00 € (s. Kostenfestsetzungsantrag vom 18.02.2015) zur Erstattung geltend gemacht worden.
Die sofortige Beschwerde des Klägers, die er mit Schriftsatz vom 19.11.2015 eingelegt hat, richtet sich gegen die Nichtberücksichtigung der durch die Gutachten entstandenen Kosten. Zur Begründung trägt er unter Hinweis auf den Schriftsatz der Klägervertreter vom 03.11.2015 vor, es sei ohne finanzmathematische Hilfe nicht möglich, als beweisbelastete Partei der Obliegenheit zu genügen, die „Marge“ und den „darüber hinausgehenden Marktwert“ betragsmäßig zu identifizieren, d.h. genaue Berechnungen präsentieren zu können.
Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 03.12.2015, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen und verweist auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 08.10.2015. Nach Grund und Höhe seien die entstandenen Kosten für die Erstellung der Privatgutachten nicht erstattungsfähig.
Mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 28.12.2015 wird vorgebracht, das Gutachten der … sei in voller Höhe vom Kläger allein bezahlt worden. Der anfängliche Marktwert und der Risikowert müssten für jeden OTC-Swap und für jeden Zeitpunkt einzeln ermittelt werden, was einen hohen technischen und fachlichen Aufwand erfordere.
Ergänzend wird auf die von den Parteien im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 27.01.2016 der sofortigen Beschwerde gegen die beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Die sofortige Beschwerde gegen die beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 04.11.2015 ist zulässig gemäß §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO. Die Rechtsmittel haben aber im Ergebnis keinen Erfolg.
Die Entscheidung der Rechtspflegerin, die Erstattungsfähigkeit der durch die Privatgutachten ausgelösten Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren zu verneinen, kann nicht beanstandet werden.
A)
Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat eine unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dabei kann die Partei grundsätzlich nur solche außergerichtlichen Kosten geltend machen, die ihr selbst entstanden sind. Die Kosten eines von einer Partei eingeholten Privatgutachtens sind nach einhelliger Meinung nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits anzusehen (s. BGH NJW 2003, 1398 und NJW 2006, 2415). Die Beurteilung der Notwendigkeit solcher Kosten hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (s. BGH, a.a.O., NJW 2012, 1370; Senat JurBüro 1992, 172 und Beschluss vom 13.08.2015 – 11 W 1270/15; Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl., § 91 Rn. 13 Stichwort „Privatgutachten“; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 91 Rn. 49, 51).
Hinsichtlich von prozessbegleitend entstehenden Aufwendungen ist entscheidend, dass es primär Sache des Gerichts ist, Beweise zu erheben (vgl. Musielak-Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 91 Rn 59 ff.; aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zuletzt Beschlüsse vom 26.02.2013 – VI ZB 59/12 und 24.04.2012 – VIII ZB 27/11; aus der Senatsrechtsprechung Beschlüsse vom 27.05.2013 – 11 W 558/ 13 und vom 16.10.2015 – 11 W 1815/15, jeweils m.w.N.). Die Einholung eines Privatgutachtens während des Rechtsstreits ist in der Regel dann sachdienlich, wenn der Partei die nötige Sachkunde fehlt, um ihren Anspruch schlüssig zu begründen, sich gegen die geltend gemachten Ansprüche sachgerecht zu verteidigen oder zu einem ihr ungünstigen, vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten gezielt Stellung nehmen zu können (s. BGH NJW 1990, 122, 123; BGH NJW 2007, 1532; Senatsbeschlüsse vom 08.05.2014 – 11 W 630/14 und vom 05.06.2013 – 11 W 751/13; OLG Hamm NJW-RR 1996, 830).
Das Kostenfestsetzungsverfahren ist auf eine rasche, vereinfachte, anhand der Prozessakten vorzunehmende gebührenrechtliche Überprüfung zugeschnitten und deshalb knapp, bündig und formal ausgestaltet (s. insbesondere Musielak-Lackmann, a.a.O., § 104 Rn. 1, 3, 8). Die Voraussetzungen zur Berücksichtigung eines Ansatzes sind im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 104 Abs. 2 Satz 1, 294 ZPO glaubhaft zu machen, dem Rechtspfleger bzw. dem Gericht ist also die Einschätzung zu vermitteln, dass die Voraussetzungen „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ feststehen (s. BGH, Beschluss vom 13.07.2011 – IV ZB 8/11 Tz 10; Zöller-Herget, a.a.O., § 104 Rn. 8).
B.
Beschwerde 11 W 192/16 – Kostenfestsetzung für die 1. Instanz
Bei Zugrundelegung dieser Erwägungen kann nicht beanstandet werden, dass die vom Kläger für die 1. Instanz geltend gemachten Privatgutachterkosten der … – insgesamt 15.476,09 € – im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss nicht als erstattungsfähig angesehen wurden.
1. Mit dem Bemerken, die Klage vom 21.12.2010 werde folgendermaßen berichtigt/ergänzt, legten die Klägervertreter mit ihrem Schriftsatz vom 07.07.2011 als Anlage K 8 ein Gutachten der … vom 18./23.05.2011 in englischer Sprache vor. Das mit Rechnung vom 18.05.2011 (Anlage zum Kostenfestsetzungsantrag vom 18.02.2015) mit umgerechnet 13.594,47 € abgerechnete Gutachten wurde damit nach Einreichung der Klage und vor Zustellung an die Beklagte (diese erfolgte am 05.08.2011) in Auftrag gegeben. Bereits die Klageschrift vom 21.12.2010 enthält die Anträge, die im Termin vom 24.01.2013 gestellt wurden und denen das Landgericht in seinem Urteil vom 18.03.2013 stattgegeben hat. Dies spricht dafür, dass das Gutachten vom Mai 2011 nicht erforderlich war, um sachgerechte Anträge zu formulieren. Denn ersichtlich ging es um eine Freistellung des Klägers von sämtlichen Verpflichtungen, die aufgrund der zwischen ihm und der Beklagten getroffenen Vereinbarung über den Zins-Währungs-Swap (CRS) entstanden sind und entstehen werden. Dabei stützte sich der Kläger auf mangelnde Aufklärung durch die Beklagte, ein Aspekt, den das Landgericht ersichtlich schon bei seiner Terminierung vom 29.12.2011 (zunächst auf 08.03.2012) im Vordergrund sah, wie den vorgesehenen Beweisthemen zu entnehmen ist.
2. Bei dieser Sachlage kann das Privatgutachten vom 18./23.05.2011 für den Kläger hilfreich gewesen sein, um seine Klageanträge und das Klagevorbringen insbesondere in Form der zusätzlich ausgesprochenen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (s. Schriftsatz der Klägervertreter vom 07.07.2011) auf eine weitere Grundlage zu stellen. Eine Notwendigkeit für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) lässt sich aber nicht erkennen. Das zu keinem Zeitpunkt in deutscher Sprache (s. § 184 Satz 1 GVG) angeforderte Gutachten war bei verständiger Würdigung zur Unterstützung der klägerischen Prozessführung nicht erforderlich. Eine weitere Substantiierung war nicht angefordert. Schon die vor Erholung des Gutachtens eingereichte ursprüngliche Klage vom 21.12.2010 stellte die maßgeblichen Aspekte der geltend gemachten Aufklärungspflichtverletzung dar, einschließlich der Erkenntnis des Klägers aus einer Bundesbankmeldung im Jahr 2009; für Berechnungen wurde gerichtliches Sachverständigengutachten angeboten. Diese Sachlage spricht dafür, dass die Klageerwiderung hätte abgewartet werden können und ebenso die dann unmittelbar folgende, bereits angesprochene Terminsverfügung vom 29.12.2011. Ein berechtigter Anlass, der zur Erstattungsfähigkeit der durch das Privatgutachten ausgelösten Kosten führen könnte, ist zum Zeitpunkt der Gutachtenserholung nicht erkennbar.
3. Dieselben Erwägungen gelten hinsichtlich der weiteren Rechnung der … vom 15.02.2012 (Anlage zum Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 18.02.2015) über umgerechnet 1.881,62 €. Diese betraf Berechnungen zum Stichtag 03.07.2009, die im Schriftsatz der Klägervertreter vom 15.03.2012 (Bl. 188/191 d.A.) Verwendung fanden mit dem Bemerken, durch die Feststellung des Finanzexperten werde der Sachvortrag des Klägers unterstützt und erhärtet. Wie bereits ausgeführt, war schon durch die Terminsverfügung vom 29.12.2011 deutlich, dass das Gericht im anstehenden Termin die Beratung des Klägers bei Swapgeschäften beleuchten werde. Eine Substantiierung hinsichtlich der Berechnungen war vom Gericht nicht angefordert. Im Übrigen hätte dieses im Falle der Erforderlichkeit ohnehin gerichtliches Sachverständigengutachten anordnen können.
C.
Beschwerde 11 W 193/16 – Kostenfestsetzung für die 2. Instanz
Auch die Nichtberücksichtigung der für die 2. Instanz geltend gemachten Privatgutachterkosten von insgesamt 13.000,00 € kann nicht beanstandet werden.
1. Die dem Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 18.02.2015 für die 2. Instanz beigefügten Rechnungen vom 08.04.2013 (…) über 3.750,00 €, vom 28.03.2013 (…) über 3.750,00 € und vom 08.07.2013 (…) über 5.500,00 € beziehen sich auf ein Gutachten vom Februar 2013 (s. Schriftsatz der Klägervertreter vom 03.11.2015, S. 3). Es wurde als Anlage K 30 mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 18.02.2013 vorgelegt. Bis zu diesem Zeitpunkt – 18.02.2013 – war im erstinstanzlichen Verfahren vom Landgericht mit dem im Termin vom 24.01.2013 ergangenen Beschluss Schriftsatzfrist auf die Beweisaufnahme gewährt worden. In dem gleichzeitig anberaumten Verkündungstermin vom 18.03.2013 erging dann das erstinstanzliche Urteil.
2. Das Gutachten wurde damit zu einem Zeitpunkt erholt, als schon durch den Beweisbeschluss vom 10.12.2012 (Bl. 240/243 d.A.) klar war, dass es dem Landgericht um die Klärung der Vermögenslage des Klägers und um die Behauptung der Beklagten ging, der Kläger sei in diversen Beratungsgesprächen über Art und Weise der Abschlüsse umfassend aufgeklärt worden, insbesondere über die Funktionsweise eines Currency-Related-Swap und über einen sog. Negativen Marktwert. Der Kläger wurde hierzu als Partei vernommen. Vor allem aber ließen Antragstellung und Beschlussfassung im Termin vom 24.01.2013 keinen begründeten Zweifel daran, dass das Landgericht von einer vollständigen Erörterung der Sache und dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Sinne von § 136 Abs. 4 ZPO ausging, was auch schlüssig möglich ist (s. Zöller-Greger, a.a.O., § 136 Rn. 4). Die Beschlussfassung macht deutlich, dass es bei der gewährten Schriftsatzfrist um die Ermöglichung der Stellungnahme zur Beweisaufnahme ging; die Einreichung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne von § 296 a ZPO stand ersichtlich nicht im Raum. Vielmehr wurde ein Verkündungstermin nach § 310 Abs. 1 ZPO bestimmt.
In dieser Situation bestand für die Klagepartei keine Veranlassung, ein Gutachten zur „Analyse eines In-Arrears Zinssatzswap“ für weitere 13.000,00 € zu erholen.
3. Wie unter Abschnitt A) ausgeführt, war es primär Sache des Gerichts, über Art und Weise der Beweisaufnahme zu entscheiden. Ein Gutachten hinsichtlich einer Analyse der Anlage selbst war ersichtlich nicht für erforderlich gehalten worden. Vielmehr wurde die mündliche Verhandlung erkennbar im Termin vom 24.01.2013 geschlossen. Die Erholung des Privatgutachtens … im Februar 2013 war durch die prozessualen Gegebenheiten nicht veranlasst. Die entstandenen Kosten können weder als notwendige Kosten der 1. Instanz noch als solche der 2. Instanz – der die Klagepartei diese Kosten zuordnet – angesehen werden. Denn hinsichtlich der Berufungsinstanz war das erstinstanzliche Urteil abzuwarten; nachdem es der Klage stattgab (wenn auch mit Vorteilsausgleichung), bestand für den Kläger kein Anlass, im vorhinein Kosten durch die Erholung des Privatgutachtens zu verursachen.
Die Beschwerden gegen die beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 04.11.2015 bzgl. der Kosten der 1. und 2. Instanz erweisen sich damit als unbegründet.
D)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.