Kosten- und Gebührenrecht

Kostenrechtliches Verhältnis des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO

Aktenzeichen  M 23 M 16.30699

Datum:
25.10.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143303
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 165, 151
RVG § 15 Abs. 2
RVG § 16 Nr. 5

 

Leitsatz

Ein bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig gewordener Prozessbevollmächtigter kann für das nachfolgende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut eine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) beanspruchen und keine gesonderte Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) geltend machen. Diese Gebühren sind bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden und daher im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erstattungsfähig. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 6. November 2013 (M 18 S 13.31115) wurde der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt (Ziffer I des Beschlusses). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt (Ziffer II des Beschlusses). Mit Beschluss vom 5. Dezember 2013 (M 23 S7 13.31236) wurde der Beschluss vom 6. November 2013 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO in Ziffer I. abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Oktober 2013 enthaltende Abschiebungsandrohung angeordnet. Die Kosten des Verfahrens wurden der Antragsgegnerin auferlegt. In beiden Verfahren war der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten vertreten.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2016 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers Kostenfestsetzung im Verfahren M 23 S7 13.31236 und machte Rechtsanwaltsgebühren nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 261,30 €, eine Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20 € sowie Mehrwertsteuer hieraus von 53,45 € geltend.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte nach Hinweis der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 12. Februar 2016 im Wesentlichen aus, er habe gegenüber dem Antragsteller die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO angefallenen Kosten nicht geltend gemacht. Zudem versichere er anwaltlich, dies auch in Zukunft nicht zu tun. Er mache nur die im Abänderungsverfahren angefallenen Kosten geltend.
Mit Beschluss vom 9. März 2016 lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kostenfestsetzung ab. Zur Begründung führte sie aus, das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO und das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO seien gebührenrechtlich eine Einheit. Der Rechtsanwalt könne die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Auch sei der Arbeitsanfall des Rechtsanwalts im Wesentlichen bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden. Da der Rechtsanwalt bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO für den Antragsteller tätig gewesen sei, seien die ihm dort bereits entstandenen Kosten nicht nochmals erstattungsfähig. Nur erstmals im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entstandenen Kosten könnten geltend gemacht werden, solche seien aber nicht beantragt worden.
Am 22. März 2016 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. März 2016 die Entscheidung des Gerichts beantragt.
Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag unter Bezugnahme auf die Begründung im Kostenfestsetzungsbeschluss nicht abgeholfen und ihn mit Schreiben vom 4. April 2016 dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Eine Antragstellung der Antragsgegnerin unterblieb.
Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2016 begründete der Antragsteller seine Erinnerung unter Bezugnahme eines Beitrags in der Zeitschrift „Das juristische Büro“ mit dem Titel „Kostenerstattung nach zunächst erfolglosem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und späterem erfolgreichem Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO“. Danach entstünden die Gebühren im Abänderungsverfahren neu und seien aufgrund der im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ergangenen Kostengrundentscheidung zu erstatten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden sowie der Verfahren M 18 S 13.31115 und M 23 S7 13.31236 verwiesen.
II.
Über die Erinnerung entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde, hier also durch den Einzelrichter nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
Die gemäß § 165 Satz 2 VwGO i.V.m. § 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Kostenerinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Urkundsbeamtin hat eine Festsetzung der vom Bevollmächtigten des Antragstellers mit Kostenantrag vom 2. Januar 2016 geltend gemachten Gebühren für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zu Recht abgelehnt. Auf die Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses wird Bezug genommen und ergänzend ausgeführt:
Nach § 16 Nr. 5 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) stellen das Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar (BayVGH, B.v. 26.01.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13). Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten im Hinblick auf Verfahren, in denen er vorher bereits tätig war, in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (BayVGH, B. v. 24.4.2007 – 22 M 07.40006 – juris). Gebühren dürfen in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG nur einmal gefordert werden. Daher kann ein – wie im vorliegenden Fall – bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig gewordener Prozessbevollmächtigter für das nachfolgende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut eine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG) beanspruchen und keine gesonderte Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) geltend machen. Diese Gebühren sind bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden und daher im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erstattungsfähig (VG München, B.v. 27.07.2015 – M 9 M 15.50297; B.v. 14.3.2016 – M 9 M 16.50033).
Die erst im Abänderungsverfahren zugunsten des Antragstellers erfolgte Kostengrundentscheidung bezieht sich nur auf das Abänderungsverfahren selbst und regelt damit die Kostenerstattungspflicht nur für die im Abänderungsverfahren neu angefallenen Kosten. Insofern ist sie aufgrund ihres eigenen Regelungsgegenstandes auch nicht überflüssig. Sie ersetzt nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung, diese bleibt vielmehr erhalten (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Rdnr. 108 zu § 80). Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt ein selbständiges neues Verfahren und keine besondere Art eines Rechtsmittelverfahrens für Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 VwGO dar. Gegenstand des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO ist nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts für die Zukunft. Dies stellt auch § 16 Nr. 5 RVG vergütungsrechtlich klar (VG Münster, B.v. 8.5.2014 – 6 L 776/13.A – juris Rn. 2). Für den Fall, dass – wie hier – im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO – keine weiteren anwaltschaftlichen Kosten entstanden sind als diejenigen, die schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden waren, geht die neue Kostengrundentscheidung ins Leere (VG München, B.v. 27.07.2015, a.a.O.; B.v. 14.3.2016, a.a.O.). Der Bevollmächtigte des Antragsteller selbst macht solche weiteren Kosten jedoch nicht geltend, sondern beantrag lediglich eine Verfahrensgebühr inkl. Auslagenpauschale, die seiner Ansicht nach im Abänderungsbescheid neu entstanden seien und aufgrund der Kostenentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO zu erstatten seien.
Es handelt sich also kostenrechtlich um dieselbe Angelegenheit. Allein der Umstand, dass der Bevollmächtigte anwaltlich versichert, er werde aus der dem Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO zugrunde liegenden Kostenentscheidung keine Kosten geltend machen, ändert an diesem Umstand nichts. Ein Wahlrecht, die Kosten erst nach dem Obsiegen im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen den dort Unterlegenen geltend zu machen, besteht nicht.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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