Aktenzeichen RO 5 K 17.1805
Leitsatz
1 Ist die Erledigung bereits vor Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage eingetreten, kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht auf die Absicht gestützt werden, einen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess zu führen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Übereinstimmende Erledigungserklärungen der Hauptbeteiligten beenden die Rechtshängigkeit der Hauptsache unmittelbar und ipso iure, so dass für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag daneben kein Raum ist. (Rn. 26 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Kläger kann seine Erledigungserklärung nur so lange widerrufen und zum Altantrag zurückkehren, bis der Beklagte ihr zugestimmt oder das Gericht über die (einseitig gebliebene) Erledigungserklärung entschieden hat. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Über die Klage kann gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört, § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Zulässigkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nicht von der Zustimmung der Beteiligten abhängig (vgl. Kopp/Schenke, § 84 Rn. 21).
Die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist unzulässig, da es dem Kläger am erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.
Für die Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags genügt grundsätzlich zwar jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art (Kopp/Schenke, § 113 Rn. 129). Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet sein muss, die Position des Klägers in einem dieser Bereiche zu verbessern (Kopp/Schenke, § 113 Rn. 130). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist dann als gegeben anzusehen, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist, ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint (Kopp/Schenke, § 113 Rn. 136).
1.) Allerdings wird ein berechtigtes Interesse an der Feststellung nur dann anerkannt, wenn die Erledigung erst nach Klageerhebung eingetreten ist. Ist die Erledigung aber bereits vor Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage eingetreten, kann das berechtigte Interesse nicht auf die Absicht des Klägers gestützt werden, einen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess zu führen. In diesem Fall ist es dem Kläger nach ständiger und zutreffender Rechtsprechung zuzumuten, sich unmittelbar an die zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit zu wenden, die den für rechtswidrig gehaltenen erledigten Verwaltungsakt überprüfen muss (Schoch/Schneider/Bier/Riese VwGO § 113 Rn. 130 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
Da sich der streitgegenständliche Stilllegungsbescheid vorliegend mit dem Schreiben der Beklagten vom 23.08.2017, in dem die Beklagte die uneingeschränkte Benutzungsmöglichkeit des stillgelegten Kfz bestätigt hat, erledigte, der Kläger die Fortsetzungsfeststellungsklage aber erst am 11.10.2017 erhob, liegt ein Fall der Erledigung vor Klageerhebung vor. Damit kann das erforderliche Feststellungsinteresse nicht aus der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses hergeleitet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989 – 8 C 30/87).
a) Entgegen der Ansicht des Klägers ist für die maßgebliche Betrachtung, ob die Erledigung vor oder nach Klageerhebung eintrat, nicht auf die am 21.08.2017 erhobene Anfechtungsklage, sondern auf die Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage am 11.10.2017 abzustellen.
Dies folgt daraus, dass übereinstimmende Erledigungserklärungen der Hauptbeteiligten die Rechtshängigkeit der Hauptsache unmittelbar und ipso iure beenden. Ohne Bedeutung dabei ist, in welcher Reihenfolge die Erledigungserklärungen abgegeben wurden. Der Einstellungsbeschluss des Gerichts erfolgt hingegen lediglich deklaratorisch. Daraus, dass noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist, kann die Fortdauer der Rechtshängigkeit nicht hergeleitet werden (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Clausing VwGO § 161 Rn. 17).
Da die Beklagte ihre Erledigungserklärung bereits am 30.08.2017 abgegeben hatte, ist die Rechtshängigkeit der am 21.08.2017 erhobenen Anfechtungsklage daher mit Einreichung der Erledigungserklärung des Klägers am 11.10.2017 um 08:51 Uhr erloschen, sodass sich die Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage am 11.10.2017 um 08:52 Uhr als eine eigenständige Klage darstellt und es sich dabei gerade nicht um den Übergang von einer Anfechtungszu einer Fortsetzungsfeststellungsklage handelt.
b) Im Übrigen kann der Klageantrag auch nicht stillschweigend und konkludent auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt werden.
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, um auf Erledigungssituationen zu reagieren. Als Alternative zum Übergang auf die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO steht dem Kläger auch die Abgabe einer Erledigungserklärung offen, die je nach Reaktion des Beklagten entweder in die beiderseitige Erledigungserklärung oder den Erledigungsrechtsstreit mündet.
Haben Kläger und Beklagter den Rechtsstreit allerdings übereinstimmend für erledigt erklärt, so kann ein Feststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht mehr gestellt werden (vgl. Kopp/Schenke, § 113 Rn. 96 und Berkemann, jM 2014, 421-432). Aufgrund der mit Einreichung der Erledigungserklärung erfolgten sofortigen und vollständigen Beendigung des Prozessrechtsverhältnisses der Anfechtungsklage um 08:51 Uhr gab es bei der Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage um 08:52 Uhr bereits keinen Bezugspunkt mehr für eine (konkludente) Umstellung von der Anfechtungsauf die Fortsetzungsfeststellungsklage.
Aufgrund dieses unmittelbaren Erlöschens der Rechtshängigkeit ist auch die Abgabe einer Erledigungserklärung neben einem Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht – auch nicht hilfsweise – zulässig. Erklärt der Gegner den Rechtsstreit nämlich ebenfalls für erledigt, so bleibt für den Sachantrag wegen der Beendigung des Rechtsstreits kein Raum mehr. (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Riese VwGO § 113 Rn. 108). Ebenso wenig kann der Kläger denselben Sachverhalt zum Gegenstand einer nunmehr echten Feststellungsklage machen, wenn er die Hauptsache in einem früheren Verfahren für erledigt erklärt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.07.1968, Az.: VIII CB 45.67).
c) Zudem scheidet vorliegend auch eine gerichtliche Umdeutung aus.
Zwar ist das maßgebende Begehren aus dem im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommenden Zweck des Rechtsschutzbegehrens zu ermitteln. § 88 VwGO legitimiert den Richter jedoch nicht, den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und dabei an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie – nach Meinung des Richters – zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 1989 – 8 B 9/89 und OVG Berlin, Beschluss vom 12. Mai 2003 – 3 S 22.02). Darüber hinaus soll durch § 88 VwGO gerade verhindert werden, dass das Gericht das Verfahren zum Anlass für eine allgemeine Rechtmäßigkeitsprüfung nimmt, ohne hierzu berufen zu sein (OVG Magdeburg Beschluss vom 19.8.2009 – 3 L 41/08). Hieran gemessen muss sich der Kläger, der selbst Rechtsanwalt ist, an seinem Verhalten festhalten lassen, zumal dieser ausdrücklich und unmissverständlich mit Schriftsatz vom 10.10.2017, per Fax bei Gericht eingegangen am 11.10.2017 um 08:51 Uhr, die Erledigung des Rechtsstreit erklärte und gleichzeitig unter Berufung auf 161 Abs. 2 VwGO und weiteren Ausführungen zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Stilllegungsbescheids beantragte, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
Darüber hinaus gebietet die vorliegende Konstellation auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich verbürgte Garantie des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG keine gerichtliche Umdeutung.
Das Rechtsschutzziel des Klägers, gegen den Beklagten wegen des ihm angeblich entstandenen Schadens eine Amtshaftungsklage (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) zu erheben, ist auch weiterhin zu erreichen. Dem Kläger obliegt es, wegen des von ihm erstrebten Schadensersatzes sogleich das hierfür zuständige Zivilgericht anzurufen, das im Amtshaftungsprozess auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Fragen und damit auch öffentlich-rechtlicher Vorfragen zuständig ist. Ein Anspruch auf den (angeblich) “sachnäheren” Richter besteht hingegen nicht (vgl. BVerwG NJW 1980, 2426). Auch Sinn und Zweck sprechen nicht gegen eine Verweisung des Klägers an die ordentliche Gerichtsbarkeit. Für die Schutzwürdigkeit des Interesses an einer Feststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist vielmehr kennzeichnend, “dass eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden darf, insbesondere dann nicht, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrages die Frage stellt, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger der (häufig nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen muss“ (vgl. BVerwG NJW 1980, 2426 und BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989 – 8 C 30/87).
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da die Rechtmäßigkeit des Stilllegungsbescheids noch in keinem der bisher zwischen den Beteiligten geführten Verfahren RO 5 S 17.1465 und RO 5 K 17.1466 abschließend geprüft wurde und die bisherigen Prozesse daher noch keinen klärenden Sachstand erreicht haben, der im vorliegenden Verfahren genutzt werden könnte.
d) Zuletzt kann die Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage auch nicht als Widerruf der Erledigungserklärung ausgelegt werden, da der Beklagte bereits zugestimmt hat. Der Kläger kann seine Erledigungserklärung nur so lange widerrufen und zum Altantrag zurückkehren bis der Beklagte ihr zugestimmt oder das Gericht über die (einseitig gebliebene) Erledigungserklärung entschieden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.2013 – II ZR 262/08).
2.) Der klägerischen Vortrag, dass das Gericht ihn gem. § 86 Abs. 3 VwGO auf die Möglichkeit der Umstellung der Klage hinweisen hätte müssen, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung.
Zwar hat das Gericht gem. § 86 Abs. 3 VwGO darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden, worunter bei Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes auch die Möglichkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder der Übergang zum Erledigungsfeststellungsantrag bzw. die Anregung der Erteilung der Zustimmung des Beklagten zur Erledigungserklärung fällt. Damit ein gerichtlicher Hinweis veranlasst ist, muss es eines Hinweises seitens des Gerichts aber auch tatsächlich bedürfen. Das beurteilt sich nach der konkreten Prozesssituation. Für die Einschätzung der jeweiligen Prozesssituation im Hinblick auf die Erforderlichkeit eines Hinweises steht dem Gericht eine Beurteilungsermächtigung zu. Die Hinweispflicht besteht zwar auch gegenüber einer anwaltlich vertretenen Partei, allerdings abgeschwächt. Eine rechtskundig vertretene Partei braucht nicht in „allen möglichen, denkbaren materiellen Richtungen“ beraten zu werden. Auch aktualisiert sich die Hinweispflicht nicht in Prozesssituationen, in denen die Rechtslage für einen Rechtskundigen ohne besondere Schwierigkeiten übersehbar ist und sich deshalb – wie vorliegend – dem Gericht die Notwendigkeit eines Hinweises nicht „aufdrängen“ muss (Schoch/Schneider/Bier/Dawin VwGO § 86 Rn. 156-136 m.w.N.).
Da der Kläger nämlich selbst als Fachanwalt für Agrarrecht tätig ist und für die Zulassung als Fachanwalt für Agrarecht gem. § 5 Abs. 1 lit. t) FAO und § 14m Nr. 2 FAO besondere praktische Erfahrungen und Kenntnisse im agrarspezifischen Verwaltungsrecht vorzuweisen sind, durfte das Gericht davon ausgehen, dass dem Kläger aufgrund seiner Profession und Berufserfahrung die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten in Bezug auf die Erledigungssituation bekannt waren. Ein gesonderter und expliziter Hinweis auf die Möglichkeit der Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage war deshalb nicht erforderlich. Aus diesem Grund sieht das Gericht auch die dem Kläger erteilten Hinweise nicht als irreführend an.
3.) Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil, § 84 Abs. 3 VwGO.