Aktenzeichen M 30 K0 18.4658
ZPO §§ 114 ff.
IRG § 13, § 33, § 79
Leitsatz
1 Bei einer beabsichtigten Klage auf Rückabwicklung einer bereits erfolgten Auslieferung bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auslieferung handelt es sich im Kern um eine Auslieferungssache, die gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 IRG in die Sonderzuständigkeit der Oberlandesgerichte fällt. (Rn. 13 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist für eine beabsichtigte Klage der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, kommt eine Verweisung eines vorangehenden Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach an das grundsätzlich zuständige Gericht im eröffneten Rechtsweg nicht in Betracht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Zusammenhang mit seiner bereits erfolgten Auslieferung in die … wegen einer dortigen strafrechtlichen Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. September 2018, ergänzt durch Schriftsätze vom 25. September 2018, 16. Oktober 2018, 17. Oktober 2018, 7. November 2018, 21. November 2018 und 14. Januar 2019, Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Klageverfahren beim Verwaltungsgericht München. Neben einer Rückabwicklung der erfolgten Auslieferung wird begehrt festzustellen, dass die Auslieferung in Bezug auf Zulässigkeit und Bewilligung rechtswidrig sei.
Zur Begründung der beabsichtigten Klage wurde umfangreich in den o.g. Schriftsätzen und durch Vorlage vorangegangener Verfahrensunterlagen des Oberlandesgerichts … und Bundesverfassungsgerichts vorgetragen. Dabei wurde mit Schriftsatz vom 14. Januar 2019 ausdrücklich klargestellt, dass mit der Klage auch die Bewilligungsentscheidung der Bewilligungsbehörde angegriffen werde und nicht nur die Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts … Aus Art. 19 Abs. 4 GG und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich, dass die Bewilligungsbehörde bei einer Auslieferung in eigener Verantwortung sämtliche materiell-rechtliche Rechtspositionen des Verfolgten zu prüfen habe. Sei das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung dessen umfassenden und im grundrechtlichen Prüfungsauftrag gebotenen Rahmen nicht oder nicht vollständig nachgekommen und interveniere die Bewilligungsbehörde nicht, sei der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Das Oberlandesgericht habe vorliegend über einen Antrag auf Aufschub des Auslieferung vor Durchführung und Vollziehung der Auslieferung durch die Bewilligungsbehörde nicht (mehr) entschieden, sondern erst nach der Vollziehung die Entscheidung hierüber getroffen. Zum Zeitpunkt der Vollziehung der Auslieferung sei der Antragsteller somit rechtlos gestellt gewesen, nachdem die Bewilligungsbehörde die von Amts wegen gebotenen Schritte nicht veranlasst habe. Die Bewilligungsentscheidung sei daher unzulässig gewesen und die Vollziehung der Auslieferung rückgängig zu machen.
Hierzu werden gemäß Schriftsatz vom 16. Oktober 2018 folgende Klageanträge angekündigt:
I. Die am 19.03.2018 durchgeführte Auslieferung an die … Behörden wird rückabgewickelt.
II. Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die Auslieferung des Klägers 19.3.2018 an die … Behörden nach § 33 Abs. 1 IRG, Art. 2, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 79 Abs. 3 GG bzw. die Vollziehung derselben durch die Generalstaatsanwaltschaft und deren Hilfsbehörden unzulässig war.
Unter dem 14. Januar 2019 werden zudem folgende Klageanträge angekündigt:
Es wird festgestellt, dass die Bewilligungsentscheidung zur Auslieferung unzulässig war.
Hilfsweise:
I. Es wird festgestellt, dass die Untätigkeit der Bewilligungsbehörde im Verfahren, Az: * … …, * … …, 233 AuslA 11279/17, die unterbliebene Intervention nach den Anträgen vom 05.02.2018 bis zur Vollziehung der Auslieferung, der Herbeiführung einer Entscheidung zu dem Antrag gegen Art. 19 Abs. 4, Art. 2 GG, Art. 12 IRG, Art. 33 IRG, Art. 6 MRK verstoßen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, die Vollziehung der Auslieferung durch die Bewilligungsbehörden rückgängig zu machen.
Ein ursprünglich mit Schriftsatz vom 19. September 2018 angekündigter Klageantrag in Bezug auf Forderung von Schadensersatz und Schmerzensgeld wurde ausweislich des Schreibens vom 16. Oktober 2018 ausdrücklich nicht als beabsichtigter Klageantrag zum Verwaltungsgericht aufrechterhalten.
Am 7. und 21. November 2018 haben die Bevollmächtigten des Antragstellers zudem Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, die Rückabwicklung der Rechtshilfe im Rahmen der Außervollzugsetzung anzuordnen, da sich der Antragsteller weiterhin in der … in Haft befinde … … * … Der für das beabsichtigte Klageverfahren benannte Beklagte hat, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz, mit Schriftsätzen vom 2. November 2018 und 17. Dezember 2018 beantragt,
den Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen, und hierzu inhaltlich Stellung genommen, insbesondere auch zur Frage der Zulässigkeit einer Klage und der Rechtswegeröffnung.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 sowie 17. Oktober 2018 wurden die Bevollmächtigten des Antragstellers durch das Gericht insbesondere darauf hingewiesen, dass für die beabsichtigte Klage die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs fraglich sei, eine Verweisung des isolierten Prozesskostenhilfeantrags jedoch nicht in Betracht komme, und insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren M 30 K0 18.4658 und * … * … sowie die vorgelegten Akten des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft … sowie der von den Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegten Unterlagen, insbesondere das Verfahren beim Oberlandesgericht … betreffend, verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO beim Verwaltungsgericht München bleibt ohne Erfolg, da für das beabsichtigte Klageverfahren der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist (1.) und eine Verweisung an das zuständige Gericht im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren nicht in Betracht kommt (2.).
Der Antragsteller wehrt sich gegen die bereits erfolgte Auslieferung in die … Bisherige Rechtsmittel bis hin zu Verfassungsbeschwerden gegen die Auslieferung blieben ohne Erfolg, so dass am 19. März 2018 die Auslieferung erfolgte, deren Rückabwicklung bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit der Antragsteller mit seiner angekündigten Klage nunmehr beabsichtigt.
Soweit ersichtlich, sind parallel keine weiteren Rechtsmittel anhängig, deren Rechtshängigkeit der angekündigten Klage entgegenstehen könnte.
1. Für die beabsichtigte Klage ist jedoch der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO nicht eröffnet.
Bei der vom Antragsteller beabsichtigten Klage auf Rückabwicklung der bereits erfolgten Auslieferung bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auslieferung handelt es sich im Kern um eine Auslieferungssache. Es stehen letztlich die Zulässigkeit und Bewilligung der Auslieferung im Streit, wenn auch im Mantel einer Folgenbeseitigung bzw. eines Feststellungsbegehren.
Auslieferungssachen unterfallen aber gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) der abdrängenden Sonderzuweisung i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO an die Oberlandesgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Dabei betrifft § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG letztlich nicht nur Klagen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Auslieferungen, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch Rechtsstreitigkeiten über die Bewilligung der Auslieferung (BVerwG, B.v. 18.5.2010 – 1 B 1.10 – BVerwGE 137, 52 sowie beck-online; OVG Hamburg, B.v. 23.1.2009 – 5 Bs 240/08 – juris Rn 17 ff.; a.A. Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn 665 – beck-online sowie OVG Berlin, B. 26.3.2001 – 2 S 2.01 – juris), falls diesbezüglich überhaupt ein Rechtsweg als eröffnet angesehen wird (vgl. insoweit verneinend Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn 129). § 13 IRG weist „die gerichtlichen Entscheidungen“ den Oberlandesgerichten zu und enthält damit im Zusammenhang mit § 79 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3, § 29, § 33 IRG eine ausschließliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Auslieferungssachen, soweit nicht ausdrücklich eine Zuweisung zu den Amtsgerichten in §§ 21, 22 und 39 Abs. 2 IRG erfolgt ist (vgl. BVerwG, a.a.O.; OVG Hamburg, a.a.O.). Sowohl der Wortlaut als auch die Systematik des IRG und insbesondere der Sinn und Zweck der Sonderzuweisung und eine Vermeidung einer Rechtswegaufspaltung sprechen dafür. Dass eine Rechtswegspaltung vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden sei, wie die Bevollmächtigten des Antragstellers im Schriftsatz vom 14. Januar 2019 ausführen, kann das Gericht nicht erkennen. Im Übrigen schließt sich das Gericht den umfangreichen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts und Oberverwaltungsgerichts Hamburg hierzu in den zitierten Beschlüssen an und nimmt hierauf Bezug.
Soweit die Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14. Januar 2019 auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Haftbefehl verweisen, ist dieser – entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers – gerade nicht zu entnehmen, dass der Rechtsweg gegen Bewilligungsentscheidungen einer Auslieferung zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei, sondern (nur), dass diese unter gewissen Voraussetzungen einer rechtlichen Überprüfung zugänglich sein müsse, allerdings betreffend eine Auslieferung an einen EU-Mitgliedstaat und im Zusammenhang mit den (damaligen) Vorschriften (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2005, 2 BvR 2236/04, BVerfGE 113, 273-348 und juris Rn 101 ff.)). Das Bundesverfassungsgericht hat in der zitierten Entscheidung vielmehr ausdrücklich auf die Sonderzuweisung nach § 13 IRG mit der Folge der sachlichen Alleinzuständigkeit im klassischen Auslieferungsverfahren hingewiesen (BVerfG, a.a.O. juris Rn 120 a.E.). Insoweit darf nicht übersehen werden, dass vorliegend die Auslieferung an einen Drittstaat erfolgte und nicht innerhalb der EU. Die zitierten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Hamburg und des Bundesverwaltungsgerichts ergingen im Übrigen in Kenntnis dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und setzen sich hiermit in ihrer Argumentation auseinander.
Der Verwaltungsrechtsweg ist daher für die beabsichtigte Klage nicht eröffnet, sondern der Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten.
2. Ist für eine beabsichtigte Klage der Verwaltungsrechtsweg aber nicht eröffnet, kommt eine Verweisung eines vorangehenden Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach §§ 17 ff. GVG an das grundsätzlich zuständige Gericht im eröffneten Rechtsweg nicht in Betracht (BayVGH, B.v. 23.10.2008 – 5 C 08.2789 – beck-online; VGH Bad.Württ., B.v. 15.11.2004 – 12 S 2360/04 – beck-online; Schoch/Schneider/ Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 34. EL Mai 2018, § 166 Rn 31 m.w.N., Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anh. § 41 Rn 2b u. § 166 Rn 2 m.w.N.; a.A. Eyermann-Happ, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn 42). Da noch keine Rechtshängigkeit der Sache vorliegt, besteht kein Bedürfnis für eine Klärung des Rechtswegs mit Bindungswirkung im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist daher abzulehnen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.