Kosten- und Gebührenrecht

Nachteilsausgleich bei begrenztem Realsplitting ist Familienstreitsache – Anforderungen an die Beschwerdebegründung

Aktenzeichen  26 UF 521/19

Datum:
1.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44902
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 117 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Das Verfahren auf Ersatz der aus dem begrenzten Realsplitting entstandenen Nachteile ist eine Unterhaltssache und als solche eine Familienstreitsache. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anforderungen, die § 117 I 1 FamFG an einen bestimmten Sachantrag stellt, sind erfüllt, wenn die Beschwerdebegründung erkennen lässt, in welcher Weise der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll; eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist nicht erforderlich. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

524 F 9650/18 2019-03-21 AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 16.04.2019 gegen den Teilbeschluss und Beschluss des Amtsgerichts München vom 21.03.2019 wird verworfen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.765,35 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten sind getrennt lebende Ehegatten. Die Antragstellerin macht Ansprüche auf von Ausgleich eines steuerlichen Nachteils für das Jahr 2013 und Ansprüche auf Ersatz Nachteilen aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings für die Jahre 2015 und 2016 geltend. Sie hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt, den Antragsgegner zu verurteilen, an die Antragstellerin 11.172,83 € nebst Zinsen aus 8.202,31 € in Höhe von 5 Prozent über dem jeweils geltenden Leitzins seit dem 20.09.2018 sowie aus 2.970,52 € seit dem 15.03.2019 an die Antragstellerin zu bezahlen.
Der Antragsgegner hat die Abweisung dieses Antrags beantragt.
Mit Teilbeschluss und Beschluss vom 21.03.2019 hat das Amtsgericht unter Ziffer 1. den Antrag abgewiesen, soweit die Antragstellerin Erstattung ihres Nachteils aus begrenztem Realsplitting für die Jahre 2015 und 2016 verlangt, und unter Ziffer 2. das Verfahren hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs für das Jahr 2013 sowie eines diesbezüglich erhobenen Widerantrags ausgesetzt. Bestandteil der amtsgerichtlichen Entscheidung ist eine Rechtsbehelfsbelehrung:, wonach das Rechtsmittel der Beschwerde mit einem Wert des Beschwerdegegenstandes von über 600,00 € und einer Beschwerdefrist von einem Monat stattfindet. Dabei solle die Beschwerde begründet werden.
Der Beschluss vom 21.03.2019 wurde dem Antragstellervertreter am 27.03.2019 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 16.04.2019 legte die Antragstellerseite gegen den Beschluss vom 21.03.2019 betreffend Ziffer 1. des Beschlusses das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Mit Schriftsatz vom 25.04.2019 begründet die Antragstellerseite die Beschwerde ergänzend.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist als unzulässig zu verwerfen, §§ 117 Abs. 1 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO. Die Antragstellerseite hat es versäumt, innerhalb der Frist zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen.
1. Soweit die Antragstellerseite der Auffassung ist, es handle sich im vorliegenden Verfahren nicht um eine Familienstreitsache, ist diese Rechtsauffassung nicht zutreffend.
Die Antragstellerin macht einen Anspruch auf Ausgleich der ihr durch die Durchführung des begrenzten Realsplittings entstandenen finanziellen Nachteile gegen den Antragsgegner geltend. Damit handelt es sich um eine Familienstreitsache im Sinne der §§ 112 Nr. 3, 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG (OLG Hamm vom 22.05.2014, II-2 UF 6/14; Zöller/Lorenz: ZPO, 32. Auflage, Rz. 14 zu § 266 FamFG; Musielak/Borth-Borth/Grandel: FamFG, 6. Auflage, Rz. 10 zu § 266 FamFG).
Nachdem es sich um eine Familienstreitsache handelt, findet § 117 Abs. 1 Satz 1 auf das vorliegende Verfahren Anwendung.
Die von der Antragstellerseite eingereichten Schriftsätze vom 16.04.2019 und vom 25.04.2019 genügen den Anforderungen an die Antragstellung im Rahmen einer Beschwerdebegründung in Familienstreitsachen nicht. Die Beschwerdeschrift vom 16.4.2019 enthält eine kurze Begründung, die mit Schriftsatz vom 25.04.2019 erweitert wird. Beide Schriftsätze enthalten keinen ausdrücklichen bestimmten Sachantrag im Sinne des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es lässt sich auch nicht ohne weiteres mit der notwendigen Sicherheit aus den sehr kurzen Texten entnehmen, welches Ziel die Antragstellerin verfolgt. Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich teilweise widersprüchliche Zahlen im Hinblick auf einen Nachteil aus dem begrenzten Realsplitting (Nachteilsberechnung für 2016 durch Kanzlei H. vom 8.11.2018: 2.747,22 €; Antrag bzgl. 2016 im ersten Rechtszug: 1.795,67 €). Welche Summe die Antragstellerin als Nachteilsausgleich verlangen will, muss sie selbst im Rahmen einer Antragstellung festlegen. Der Senat kann aufgrund der unterschiedlichen Zahlen in den als Anlage zum Schriftsatz vom 25.04.2019 vorgelegten Unterlagen nicht ohne weiteres annehmen, dass sie dieselben Anträge wie im ersten Rechtszug stellen will.
Die Rechtsbehelfsbelehrung:in der amtsgerichtlichen Entscheidung trifft nicht zu. Sie bezieht sich versehentlich auf eine Beschwerde, die in einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingelegt wird. Dies ändert nichts daran, dass die Antragstellerseite die Vorschrift des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu beachten hatte. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 233 ff ZPO wird auch auf einen möglichen Antrag der Antragstellerseite hin nicht möglich sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung:in einer amtsgerichtlichen Entscheidung dann nicht ursächlich für Versäumnisse eines Rechtsmittelführers, wenn dieser anwaltlich vertreten ist und aufgrund der anwaltlichen Rechtskunde die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung:erkannt werden musste (BGH vom 18.12.2013, Az. XII ZB 38/13; Musielak/Borth a.a.O., Rz. 5 zu § 39 FamFG).
2. Soweit die Antragstellerin im Schriftsatz vom 19.06.2019 hilfsweise die Erledigung des Verfahrens für 2016 und 2017 erklärt, vermag dies die Verwerfung der Beschwerde nicht zu verhindern.
Zunächst ist nicht ersichtlich, welche Rolle das Jahr 2017 spielt. Im ersten Rechtszug ging es um die Jahre 2013 (insoweit ausgesetzt), 2015 und 2016.
Jedenfalls ist die Erledigungserklärung nicht wirksam. Eine Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz kann nur dann wirksam erfolgen, wenn das Rechtsmittel zulässig ist. Andernfalls muss das Rechtsmittel ungeachtet der Erledigungserklärung verworfen werden (BGH vom 19.07.2011, IX ZB 216/10; BGH vom 28.10.2008, Az. VIII ZB 28/08). Dies gilt auch, wenn die Erledigung nicht von beiden Seiten erklärt wird, sondern die Erledigungserklärung einseitig bleibt (BeckOK-Jaspersen: ZPO, 32. Edition, Rz. 87 zu § 91 a ZPO).
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus der Höhe des im ersten Rechtszug abgewiesenen Anspruchs für die Jahre 2015 und 2016 (1.969,68 € + 1.795,67 € = 3.765,35 €).

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