Aktenzeichen 2 BvR 1912/12
§ 198 Abs 1 GVG
§ 201 GVG
Art 6 Abs 1 MRK
Art 23 Abs 4 ÜberlVfRSchG
Verfahrensgang
vorgehend BVerwG, 1. Juni 2012, Az: 2 B 123/11, Beschluss
Gründe
A.
1
Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere gegen die erneute Ablehnung der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung durch das Bundesverwaltungsgericht.
2
Nachdem ein erster Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in der gleichen Sache vom Bundesverfassungsgericht wegen fehlender
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aufgehoben worden war (siehe BVerfG,
Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Oktober 2011 – 2 BvR 754/10 -, juris) und das Bundesverwaltungsgericht
zwischenzeitlich in zwei anderen Verfahren entschieden hat, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK auch unter Berücksichtigung der genannten
Rechtsprechung kein Absehen von einer gebotenen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen könne (BVerwG, Urteil vom
29. März 2012 – 2 A 11.10 -, juris, Rn. 84 ff. und Beschluss vom 16. Mai 2012 – 2 B 3.12 -, juris, Rn. 10 ff.), wies es die
Revisionszulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers mit dem hier angegriffenen Beschluss erneut zurück.
B.
3
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) nicht
erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist – ohne grundsätzliche verfassungsrechtliche
Fragen aufzuwerfen – teilweise bereits unzulässig und im Übrigen – jedenfalls unbegründet.
I.
4
Soweit die Verfassungsbeschwerde – was nicht zweifelsfrei auszuschließen ist – dahin zu verstehen sein sollte, dass der Beschwerdeführer
unabhängig von der beanstandeten Nichtzulassung der Revision einen Grundrechtsverstoß durch die überlange Dauer des Disziplinarverfahrens
begründet sieht, ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig. Denn der Beschwerdeführer hat es versäumt, beim zuständigen
Oberverwaltungsgericht eine Klage auf angemessene Entschädigung für infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens
erlittene Nachteile gemäß § 198 Abs. 1, § 201 GVG zu erheben (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats
vom 20. Juni 2012 – 2 BvR 1565/11 -, juris, Rn. 11 ff.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. Mai 2012 – 1 BvR
2292/11, juris, Rn. 8 f.). Dem stand nicht entgegen, dass gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG eine Entschädigung grundsätzlich nur
erlangt werden kann, wenn zuvor bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt wird (Verzögerungsrüge).
Denn der vorherigen Erhebung einer Verzögerungsrüge bedarf es gemäß Art. 23 Satz 4 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei
überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) nicht, wenn
– wie hier – in einem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits anhängigen Verfahren die Verzögerung in einer
schon abgeschlossenen Instanz erfolgt ist.
II.
5
Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Der angegriffene Beschluss ist verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden, weil er keine Auslegungs- oder Anwendungsfehler der Vorschriften über die Revisionszulassung erkennen lässt,
die die Annahme objektiver Willkür rechtfertigen oder die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung
und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereiches, beruhen (vgl. hierzu BVerfGE 18, 85 ;
42, 143 ).
6
So erscheint es insbesondere vertretbar, wenn das Bundesverwaltungsgericht angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Auseinandersetzung
mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 EMRK auf das
deutsche Disziplinarverfahren davon ausgeht, dass die Rechtsfrage der Möglichkeit einer mildernden Berücksichtigung einer
überlangen Verfahrensdauer in Fällen einer gebotenen Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis mittlerweile geklärt
ist, und diese Rechtsauffassung auf die Aberkennung des Ruhegehalts erstreckt.
III.
7
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
8
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.