Kosten- und Gebührenrecht

Nichtannahmebeschluss: Teilweise unzulässige, im Übrigen mangels schweren Nachteils (§ 93a Abs 2 Buchst b BVerfGG) erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen den prozessordnungswidrigen Erlass eines Versäumnisurteils

Aktenzeichen  2 BvR 2113/12

Datum:
22.11.2012
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20121122.2bvr211312
Normen:
Art 2 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG
§ 93a Abs 2 Buchst b BVerfGG
§ 517 ZPO
Spruchkörper:
2. Senat 3. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend OLG Nürnberg, 29. August 2012, Az: 6 W 1610/12, Beschlussvorgehend LG Weiden, 30. Juli 2012, Az: 12 O 257/12, Versäumnisurteilvorgehend OLG Nürnberg, 9. August 2012, Az: 6 U 1437/12, Beschlussvorgehend LG Weiden, 12. Juni 2012, Az: 12 O 160/12, Urteilvorgehend LG Weiden, 31. Mai 2012, Az: 12 O 160/12, Versäumnisurteil

Gründe

1
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist nicht zur Durchsetzung der Rechte der
Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

2
1. In dem Verfahren zu 2. ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die Beschwerdeführerin den Rechtsweg entgegen § 90
Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht ordnungsgemäß erschöpft hat. Das Oberlandesgericht hat zunächst festgestellt, dass das Landgericht
vor der Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe prozessordnungswidrig ein Versäumnisurteil erlassen (vgl. Brandenburgisches
Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. Februar 2001 – 11 W 15/01 – juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil
vom 25. November 1997 – 8 UF 14/97 -, juris) und dadurch gegen den Justizgewährungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung
mit Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen hat. Den von der Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Landgerichts vom 19. Juni 2012 eingelegten
Rechtsbehelf hat es vertretbar als Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren ausgelegt. Die Beschwerdeführerin
hat jedoch die Frist zur Einlegung der Berufung (§ 517 ZPO), die auch für einen Antrag auf Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren
maßgeblich ist, nicht eingehalten, so dass das Oberlandesgericht den Antrag aus diesem Grunde abgelehnt hat. Damit fehlt es
jedoch an der ordnungsgemäßen Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

3
2. a) In dem Verfahren zu 1. entsteht der Beschwerdeführerin durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde jedenfalls kein
schwerer Nachteil (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zwar hat das Landgericht auch hier vor der Entscheidung über den Antrag
auf Prozesskostenhilfe prozessordnungswidrig ein Versäumnisurteil erlassen. In der Entscheidung über die sofortige Beschwerde
gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht jedoch in nicht zu beanstandender
Weise festgestellt, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe auch bei ordnungsgemäßer Behandlung durch das Landgericht keinen
Erfolg gehabt hätte. Gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe bestehen im Ergebnis keine Bedenken.

4
b) Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe hat zur Folge, dass sich die Beschwerdeführerin wegen des Anwaltszwangs vor dem Landgericht
(§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht mehr gegen den klägerischen Anspruch verteidigen konnte. Dieses Ergebnis ist hinzunehmen. Zwar
besteht eine Verpflichtung des Staates, auch finanziell unbemittelten Parteien Zugang zu den Gerichten zu verschaffen. Verfassungsrechtlich
ist es jedoch unbedenklich, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte
Rechtsverteidigung hinreichend Erfolg verspricht (vgl. BVerfGE 81, 347 ). Eine vollständige Gleichstellung bemittelter
und unbemittelter Parteien ist nicht geboten. Es genügt die Gleichstellung unbemittelter Parteien mit solchen bemittelten
Parteien, die ihre Erfolgsaussichten vernünftig einschätzen und das Prozesskostenrisiko abwägen (vgl. BVerfGK 17, 498 ).
Nach diesen Maßstäben hat es mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts sein Bewenden.

5
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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