Aktenzeichen 2 W 2084/17
RVG § 7 Abs. 2
ZPO § 127
Leitsatz
1. Bei einem bedürftigen und einen nicht bedürftigen Streitgenossen und gemeinsamer anwaltlicher Vertretung ist die Gewährung der Prozesskostenhilfe für den Bedürftigen auf die Mehrvertretungsgebühr für Rechtsanwaltskosten beschränkt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das Prozesskostenhilfeverfahren kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
10 O 7504/16 2017-10-26 LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) vom 18.11.2017 gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.10.2017, Az. 10 O 7504/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Verantwortlichkeit der Beklagten für die Zeichnung einer Kapitalanlage in Form einer treuhänderischen Kommanditbeteiligung an einer Leasinggesellschaft durch den Kläger. Beide Beklagten werden von derselben Prozessbevollmächtigten vertreten.
Mit Endurteil vom 27.10.2017 (Bl. 116 ff. d. A.) verurteilte das Landgericht die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner u.a. zur Zahlung von 14.080 Euro und setzte den Streitwert auf 14.080 € fest. Dagegen wandten sich die Beklagten mit ihrer Berufung vom 21.11.2017 (Bl. 153f. d. A.), über die noch nicht entschieden ist.
Mit Beschluss vom 26.10.2017 bewilligte das Landgericht der Beklagten zu 2) mit Wirkung ab Antragstellung Prozesskostenhilfe – hinsichtlich der Anwaltsgebühr beschränkt auf die Mehrkosten nach § 7 RVG in Verbindung mit Nr. 1008 VV-RVG – und ordnete ihr die Kanzlei K… bei. Im Übrigen lehnte es den Antrag der Beklagten zu 2) ab.
Dagegen wandte sich die Beklagte zu 2) mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 18.11.2017, die am 20.11.2017 eingegangen ist (Bl. 136 ff. d. A.). Sie verlangt, dass ihr Prozesskostenhilfe für die erste Instanz, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung gewährt wird. Die Entscheidung des BGH verstoße gegen das Gesetz und werde vom größten Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung sowie dem überwiegenden Teil der Literatur abgelehnt. Bei einer teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe würde die Forderungssperre des § 122 I Nr. 3 ZPO nicht greifen und die mittellose Partei doch wieder mit Ansprüchen ihrer Prozessbevollmächtigten konfrontiert. Unabhängig hiervon würde die mittellose Partei Ausgleichsansprüchen nach § 426 BGB des Streitgenossen ausgesetzt. Es ergebe sich auch ein Wertungswiderspruch zu Fällen der Gewährung von Ratenzahlungen. Die Überlegung, dass es nicht Sache des Prozesskostenhilferechts sei, die vermögende Partei aus Steuermitteln zu entlasten, beruhe auf einem Denkfehler.
Am 04.12.2017 entschied das Landgericht, der Beschwerde nicht abzuhelfen (Bl. 146 f. d. A.).
II.
1. Die zulässige, insbesondere gemäß § 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO statthafte und innerhalb der Frist des § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) hat in der Sache keinen Erfolg. Ihr Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist in Bezug auf die Anwaltsgebühren auf die Mehrkosten nach § 7 RVG in Verbindung mit Nr. 1008 VV-RVG, mithin auf die Erhöhungsgebühr beschränkt (BGH, Beschluss vom 01.03.1993 – II ZR 179/91; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.07.2007 – 13 W 56/06; Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 114 Rn. 7; Wache in: Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl., § 114 Rn. 39; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 114 Rn. 11; Bork in: Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 114 Rn. 8; Pukall in: Saenger, ZPO, 5. Aufl., Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 114 Rn. 18; a. A. aber u. a.: OLG München, Beschluss vom 24.04.1996 – 11 W 2958/95; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.05.2000 – 3 W 39/00; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.08.2012 – 15 W 81/11; Fischer in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 114 Rn. 3; Rönnebeck, NJW 1994, 2273).
Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Entscheidung des Landgerichts vom 04.12.2017, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen. Soweit die Beklagte zu 2) eine von der Entscheidung des BGH vom 01.03.1992 – II ZR 179/91 – abweichende Auffassung vertritt, teil der Senat diese nicht. Ergänzend ist das Folgende auszuführen:
Es mag sein, dass der nicht bedürftige Streitgenosse gemäß § 426 BGB einen Rückgriffsanspruch gegen den Bedürftigen hat, vor dem ihn die auf die Erhöhungsgebühr beschränkte Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht schützt. Unabhängig von der Frage der Durchsetzbarkeit behindert dieser Rückgriffsanspruch aber nicht den Zugang des bedürftigen Streitgenossen zu Gericht. Denn seine anwaltliche Vertretung ist infolge der auf die Erhöhungsgebühr beschränkten Übernahme der Rechtsanwaltskosten durch die Staatskasse sichergestellt. Der verfassungsgebotene Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 -, juris Rn. 27), ist somit gewahrt. Die regelmäßige Folge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, nicht mit den Kosten des eigenen Anwalts belastet wird, wird durch den Sinn des Prozesskostenhilferechts beschränkt. Denn diesem widerspräche es, wenn die vermögende Partei aus Steuermitteln finanziell dadurch entlastet würde, dass ihr Prozessbevollmächtigter zugleich eine bedürftige Partei vertritt. Die aus dem Rückgriffsanspruch resultierende Mehrbelastung des Prozesskostenhilfeberechtigten ist dabei im Hinblick darauf hinzunehmen, dass die Prozesskostenhilfe den Bedürftigen auch nicht vor Kostenerstattungsansprüchen des obsiegenden Gegners schützt (Geimer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 7).
III.
Für das Prozesskostenhilfeverfahren kann Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 1984 – VIII ZR 298/83 -, BGHZ 91, 311-315). Dies wurde auch vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09. November 2017 – 1 BvR 2440/16 -, juris).)
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Diese ergibt sich in Bezug auf die Gerichtsgebühr aus dem Gesetz (Kratz in: BeckOK, ZPO, 27. Aufl., § 127 Rn. 59; Wache in: Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl., § 127 Rn. 38; Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 127 Rn. 53). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nach § 127 Abs. 4 ZPO ausgeschlossen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Zwar liegt bereits eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts vor. Angesichts der zahlreichen Abweichungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung allerdings eine erneute Befassung des Rechtsbeschwerdegerichts.