Aktenzeichen M 22 M 15.51008
RVG § 15 Abs. 1, § 16 Nr. 5
AsylG § 80
Leitsatz
1 Ist ein und derselbe Rechtsanwalt für das (Eil-)Ausgangs- und das Abänderungsverfahren bestellt worden, schließen es die §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG aus, dessen bereits im Ausgangsverfahren entstandene Gebühren im Abänderungsverfahren nochmals zu erstatten. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren legitimiert allein die Geltendmachung solcher Kosten, die erst und nur im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entstanden sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. November 2015.
Mit Beschluss vom 5. August 2015 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag des Antragstellers im Verfahren Az. M 22 S 15.50186 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (M 22 K 15.50185) gegen die mit Bescheid des Bundesamts für … (Bundesamt) verfügte Abschiebungsanordnung nach Ungarn ab und erlegte dem Antragsteller in Nr. II des Tenors die Kosten des Verfahrens auf. Anlässlich eines Antrags nach § 80 Absatz 7 Satz 2 VwGO (M 22 S7 15.50801) übte die Bundesrepublik Deutschland ihr Selbsteintrittsrecht aus, woraufhin sich das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (ebenso wie das zugrundeliegende Klageverfahren) erledigte. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 2. November 2015 eingestellt. Unter Nr. II. des Tenors dieses Beschlusses wurden die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Kostenfestsetzungsantrag des Bevollmächtigten des Antragsstellers vom 11. November 2015 über 334,74 EUR wurde mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. November 2015 abgelehnt. Der Beschluss ging dem Bevollmächtigten am 28. November 2015 zu. Auf den Antrag und den Kostenfestsetzungsbeschluss wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2015, beim Verwaltungsgericht München eingegangen per Telefax am selben Tag, beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Entscheidung des Gerichts.
Zur Begründung verwies er auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Juli 2015 (A 1 K 13/15).
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 dem Gericht zur Entscheidung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und in den übrigen o.g. Verfahren Bezug genommen.
II.
Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
Über die Erinnerung entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde, hier also durch den Einzelrichter nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Die zu erstattenden Kosten eines Prozessbeteiligten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts gemäß § 164 VwGO auf Antrag fest. Gemäß § 165 S. 1 VwGO i.V.m. § 151 VwGO können die Beteiligten die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die einem Rechtsanwalt gem. § 162 Abs. 2 VwGO für seine Tätigkeit zustehende Vergütung (Gebühren und Auslagen) bemisst sich nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Soweit dort nichts anderes bestimmt ist, entgelten nach § 15 Abs. 1 RVG die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung „der Angelegenheit“. In „derselben Angelegenheit“ kann er die Gebühren gem. § 15 Abs. 2 RVG dabei nur einmal fordern. Diese Norm wird u.a. durch § 16 Nr. 5 RVG dahingehend konkretisiert, dass es sich – wie vorliegend – bei einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Ausgangs- und dem folgenden Abänderungsverfahren kostenrechtlich um eine Tätigkeit des Rechtsanwalts in „derselben Angelegenheit“ handelt. Dies gilt gem. § 16 Nr. 5 RVG kraft Gesetzes; eine Ausnahme hiervon ist nicht vorgesehen. Dementsprechend ist es auch unbeachtlich, dass Ausgangs- und Abänderungsverfahren etwa unter unterschiedlichen Aktenzeichen geführt und jeweils durch einen Beschluss entschieden werden.
Ist demnach – wie vorliegend – ein und derselbe Rechtsanwalt für das Ausgangs- und das Abänderungsverfahren bestellt worden, schließen es die §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG aus, dessen bereits im Ausgangsverfahren entstandene Gebühren (z. B.: Verfahrensgebühr; Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen) im Abänderungsverfahren nochmals zu erstatten, denn es handelt sich kostenrechtlich bei beiden Verfahren um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG, für die Vergütung nur einmal gefordert werden kann, vgl. ebenso BayVGH, B. v. 26.01.2012 – 9C 11.3040; VGH BW, B. v. 08.11.2011 – 8 S 1247/11; OVG NRW, B. v. 28. 04.2014 – 19 E 524/14.A.; VG Minden, B.v. 03.03.2015 – 10L 926/14.A; VG Düsseldorf, B. v. 23.10.2014 – 17 L 1610/14.A; Hartmann, in: Kostengesetze, 43. Aufl., § 16 RVG Rn. 9; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 16 RVG Rn. 82f., 92, jew. m.w.N.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Ausgangs- und Abänderungsverfahren unterschiedliche Kostengrundentscheidungen ergangen sind. Der vom Bevollmächtigten des Antragstellers zitierten Ansicht, hiervon ausgehend könne jeder Beteiligte aus der ihm günstigen Kostenentscheidung vom jeweiligen Gegner Kostenerstattung bis zur Höhe der ihm insgesamt – einmalig – in beiden Verfahren erwachsenden Kosten verlangen (vgl. insoweit auch VG Stuttgart, B.v. 29.4.2014 – A 7 K 226/14 – juris; VG Halle, B.v. 11.1.2011 – 3 B 128/10 – juris), kann nicht gefolgt werden, denn sie vermischt – wie das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2014 – 17 L 1610/14.A – zutreffend ausführt – „in unzulässiger Weise durch eine Art Verrechnung von Kostenpositionen gerade die völlige prozessuale Unabhängigkeit der beiden Kostengrundentscheidungen (wie auch die der Sachentscheidungen selbst). Denn die Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren lässt die entsprechende Entscheidung im Ausgangsverfahren unberührt. Letztere ist vor dem Hintergrund einer anderen Sach- und Rechtslage ergangen und erweist sich demgemäß von dem im Ausgangsverfahren gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG seinerzeit entscheidungserheblichen Zeitpunkt aus auch nicht ex post als unrichtig. Im Abänderungsverfahren wird die Ausgangsentscheidung vielmehr nur für die Zukunft geändert.“
Die Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren legitimiert allein die Geltendmachung solcher Kosten, die erst und nur im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entstanden sind (vgl. zum Ganzen auch BVerwG, B. v. 25.08.2008 – 2 VR 1/08 – juris Rn. 5f.; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 80 Rn. 186; Eyermann, VwGO, § 80 Rdn. 108; Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 199, m.w.N.); solche weiteren anwaltlichen Kosten sind vorliegend vom Antragsteller für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO aber gerade nicht geltend gemacht.
Eine andere Sichtweise würde auch den Bezug der jeweiligen Kostengrundentscheidung allein zu dem jeweils zugrundeliegenden Verfahren auflösen und wie das Verwaltungsgericht Düsseldorf (a.a.O.) zutreffend ausführt „auch nicht in Rechnung stellen, dass der jeweilige Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 164 VwGO (allein) die zahlenmäßige Konkretisierung der vorangegangenen Kostenlastentscheidung darstellt und lediglich über die Erstattungsfähigkeit der im jeweiligen Verfahren entstandenen Kosten zu befinden ist. Eine andere Wertung zu treffen, obliegt einer gesetzgeberischen Entscheidung.“
Die Erinnerung des Antragstellers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar. § 80 AsylG gilt im Fall der wie hier richterlichen Entscheidung über die Kostenerinnerung (Nds. OVG, B.v. 19.6.2018 – 10 OA 176/18 – juris Rn. 7 – 9).