Kosten- und Gebührenrecht

Streit um die Höhe des anwaltlichen Gebührenanspruchs im Rahmen der Beratungshilfe

Aktenzeichen  8 Wx 698/16

Datum:
21.11.2016
Fundstelle:
RPfleger – 2017, 402
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 305 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, § 309

 

Leitsatz

Der im Rahmen der Beratungshilfe für ein Verbraucherinsolvenzverfahren tätige Rechtsanwalt erhält auch dann eine – nach Gläubigeranzahl gestaffelte – erhöhte Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2504-2507, wenn er den angeschriebenen Gläubigern lediglich eine Null-Leistung bei ungewisser Zukunftsperspektive anbieten kann. (Rn. 19 – 20)

Verfahrensgang

6 T 63/16 (1) 2016-03-30 Bes LGREGENSBURG LG Regensburg

Tenor

Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Regensburg gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg – 6. Zivilkammer – vom 30.03.2016, Az. 6 T 63/16 (1), wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe des anwaltlichen Gebührenanspruchs im Rahmen der Beratungshilfe.
Auf Antrag des in der JVA Straubing inhaftierten Schuldners, eingereicht von dem beauftragten Rechtsanwalt R. (im vorliegenden Verfahren: Antragsteller), wurde unter dem 01.06.2015 vom Amtsgericht Straubing ein Berechtigungsschein erteilt (Az. 151 UR II 248/15) und damit „dem Rechtssuchenden“ eine „rechtliche Beratung und – soweit erforderlich – Vertretung durch eine Beratungsperson in der oben bezeichneten Angelegenheit“ – hier: Außergerichtliche Schuldenbereinigung – bewilligt.
Unter dem 19.10.2015 hat Rechtsanwalt R. beim Amtsgericht Straubing einen Antrag auf Festsetzung von Beratungshilfe-Vergütung eingereicht und diesen nachfolgend mit Schriftsatz vom 02.11.2015 korrigiert. Geltend gemacht wird demnach – unter Übersendung eines Schuldenbereinigungsplans vom 24.08.2015 nebst Gläubigerverzeichnis vom 21.08.2015 (enthaltend 11 verschiedene Gläubiger mit einer Gesamtforderungshöhe von 48.331,50 €) folgender Gebührenanspruch:
Geschäftsgebühr gem. Nr. 2506 VV 540,00 €
Postpauschale 20,00 €
19% USt 106,40 €
Endsumme 666,40 €
Zur Begründung der erhöhten Geschäftsgebühr nach Nr. 2506 RVG-VV hat der Antragsteller ausgeführt, dass der von ihm erarbeitete „flexible Nullplan“ nicht einem von vornherein perspektivlosen sogenannten „starren Nullplan“ gleichgestellt werden könne, da hier die Besonderheit bestehe, dass der Schuldner zeitlich befristet inhaftiert und sehr wohl zu erwarten sei, dass nach Haftentlassung pfändbares Einkommen erzielt wird.
Mit Beschluss vom 21.12.2015 hat das Amtsgericht Straubing, Rechtspfleger, die Vergütung lediglich auf 121,38 € festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Geschäftsgrundgebühr nach Nr. 2503 RVG-VV (85,00 €) nicht gegeben seien.
Die hiergegen vom Antragsteller erhobene Erinnerung hat der zuständige Richter des Amtsgerichts Straubing mit Beschluss vom 25.01.2016 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 12.02.2016 Beschwerde erhoben, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
Mit Beschluss vom 30.03.2016 hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg als Beschwerdegericht der Beschwerde stattgegeben, die Beschlüsse des AG Straubing vom 25.01.2016 und 21.12.2015 aufgehoben, auf den Vergütungsantrag vom 19.10.2015 eine Vergütung in Höhe von 666,40 € festgesetzt und gleichzeitig die weitere Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat das Beschwerdegericht ausgeführt, dass die Erhöhungsvoraussetzungen nach Nr. 2504, 2506 VV-RVG gegeben seien. Der Beschwerdeführer habe für den Schuldner einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan mit 11 Gläubigern erstellt und auf Basis dieses Plans versucht, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen; das Tatbestandsmerkmal „Ziel einer außergerichtlichen Einigung“ entfalle nicht deshalb, weil der Schuldner nur einen sogenannten „flexiblen Nullplan“ anbieten könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses vom 30.03.2016 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 06.04.2016 hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Regensburg mit dem Ziel, die Anwaltsvergütung auf 121,38 € herabzusetzen, weitere Beschwerde erhoben und diese begründet.
Mit Beschluss vom 18.04.2016 hat das Beschwerdegericht eine Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung über die weitere Beschwerde vorgelegt.
Der Antragsteller hatte Gelegenheit zur Stellungnahme zum Vorbringen der weiteren Beschwerde.
Im Hinblick auf jüngst veröffentlichte Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln vom 13.07.2016 und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12.09.2016 hatten die Beteiligten jeweils noch Gelegenheit zu einer abschließenden Äußerung.
II.
Die weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse ist statthaft (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 6 RVG) und wurde auch in zulässiger Form und Frist erhoben, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, die revisionsrechtlichen Vorschriften der §§ 546 und 547 ZPO gelten entsprechend (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 6 Satz 2 RVG).
2. Rechtsfehler des Beschwerdegerichts sind nicht ersichtlich. Auch die weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse vermag solche nicht aufzuzeigen.
Es wird zunächst Bezug genommen auf die detaillierten und mit erkennbarer Sorgfalt ausgearbeiteten Gründe des angefochtenen Beschlusses, die den Senat überzeugen.
Ergänzend wird zum Vorbringen der weiteren Beschwerde noch ausgeführt:
Das von dem Vertreter der Staatskasse im Rahmen der Rechtsmittelbegründung in den Vordergrund gerückte Postulat, die Entscheidung des Landgerichts sei „entgegen der ganz herrschenden Meinung“ ergangen und negiere insbesondere anderslautende Entscheidungen des Oberlandesgerichts Stuttgart und des Oberlandesgerichts Bamberg, ist nicht geeignet, die Rechtsanwendung des Beschwerdegerichts in Zweifel zu ziehen.
a) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof mit seiner Grundsatzentscheidung vom 10.10.2013 (IX ZB 97/12, NJW-RR 2014, 118) nunmehr entschieden hat, dass ein Nullplan oder ein Schuldenbereinigungsplan, der aufgrund seiner geringen Befriedigungsquote einem derartigen Plan gleichkommt, zulässig ist und auch Gegenstand einer gerichtlichen Zustimmungsersetzung nach § 309 InsO sein kann. Gründe, die der Zulässigkeit von Nullplänen entgegenstehen könnten, seien der Insolvenzordnung nicht zu entnehmen. Diese setze keine bestimmte Mindestquote als Ergebnis einer konkursmäßigen Befriedigung voraus. Bestimmte inhaltliche Vorgaben für den vom Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO vorzulegenden Schuldenbereinigungsplan enthalte das Gesetz nicht. Die Gläubiger sollten vielmehr privatautonom bestimmen, ob sie mit dessen Inhalt einverstanden seien. Eine gerichtliche Inhaltskontrolle sei nicht vorgesehen (BGH, a.a.O., Rn. 7 juris).
Für das vorliegende Verfahren der weiteren Beschwerde vermag der erkennende Senat nicht zu begründen, warum ein „flexibler Nullplan“ oder auch ein „Fast-Nullplan“ zwar den Anforderungen der §§ 305 Abs. 1 Nr. 4, 309 InsO genügen soll, nicht aber denjenigen, die dem Gebührentatbestand der Nr. 2504 VV-RVG (Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans, § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) innewohnen sollen. In Übereinstimmung mit Knerr (Anmerkung zu OLG Stuttgart 28.01.2014 – 8 W 35/14 – in ZInsO 2015, 208, zit. nach juris) erscheint es dem Senat vielmehr angebracht, von einem einheitlich auszulegenden Planbegriff auszugehen.
b) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28.01.2014 (8 W 35/14, ZInsO 2015, 206) überzeugt inhaltlich nicht und ist deshalb nicht geeignet, die hier zu beurteilende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Regensburg in Frage zu stellen.
Wie Knerr in seiner diesbezüglichen Entscheidungsanmerkung (ZInsO 2015, 208, zit. nach juris) ausführt, geht das OLG Stuttgart mit keinem Wort auf die vorgenannte BGH-Entscheidung vom 10.10.2013 ein und erscheine deshalb als „anachronistisch“. Für sich genommen ist dieser Vorwurf unzutreffend. Die Entscheidung geht – unter Bezugnahme auf eigene Senatsrechtsprechung aus dem Jahre 2002 und weiteren Nachweisen aus der Fachliteratur, und damit zeitlich gesehen vor dem BGH – gerade davon aus, dass ein Nullplan insolvenzrechtlich ausreichen kann (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 13 juris).
Auch ist die Behauptung Knerrs unzutreffend, dass das OLG Stuttgart nicht sage, warum der insolvenzrechtliche Plan von dem vergütungsrechtlichen zu unterscheiden sei; das führt das OLG Stuttgart vielmehr aus (Rn. 13-17).
Aber die inhaltlichen Bedenken gegen die Auffasssung des OLG Stuttgart werden dadurch verstärkt, dass sich das OLG Stuttgart im Wesentlichen auf eine Entscheidung des OLG Bamberg aus dem Jahr 2010 (MDR 2010, 1157 = NZI 2010, 949) beruft, aber der BGH in seiner Entscheidung vom 10.10.2013 explizit ausführt, dass er im Rahmen der Bestimmung des in §§ 305, 309 InsO verwendeten Planbegriffs „entgegen einer in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertretenen Auffassung“ unter namentlicher Nennung „OLG Bamberg, NZI 2010, 949, 952“ entscheidet (BGH, a.a.O., Rn. 7).
Auch teilt der Senat nicht die Auffassung, dass ein „starrer Nullplan“ (Erklärungsinhalt: „ich zahle nichts und werde auch künftig nichts zahlen“) gleichzusetzen ist mit einem hier zu beurteilenden „flexiblen Nullplan“. Denn hier hatte der von dem inhaftierten Schuldner mandatierte Rechtsanwalt im Rahmen des Schuldenbereinigungsplans den Gläubigern jeweils Folgendes angeboten (vgl. Bl. 12-13 d. A.):
Unser Mandant bezieht nur Einkommen unter der Pfändungsgrenze.
Wir schlagen aus diesem Grund folgenden „0-Plan“ vor:
1. zahlt einen Betrag von 0,00 EURO.
2. verpflichtet sich, bei Änderung seines Einkommens, diese Änderung den Gläubigern unverzüglich mitzuteilen und einen evtl. pfändbaren Betrag den Gläubigern gleichmäßig zur Verfügung zu stellen.
3. Im Falle einer Erbschaft während der Laufzeit dieser Vereinbarung stellt die Hälfte des Erbes den Gläubigern zur Verfügung.
4. Nach sechs Jahren ab Zustandekommen des Vergleichs werden die noch bestehenden Verbindlichkeiten erlassen.
5. Dieser Vorschlag steht unter der Bedingung, dass sämtliche Gläubiger ihm zustimmen.
Für die Auslösung des Gebührentatbestands der Nr. 2504, 2506 VV-RVG genügt eine auf Einigung mit den Gläubigern gerichtete Tätigkeit des Anwalts – eine solche kann aber mit dem Kriterium der aus Gläubigersicht gegebenen „Perspektivlosigkeit“ nicht bemessen und verneint werden. Denn sonst würde gerade völlig vermögenslosen Personen von vornherein die Möglichkeit genommen werden, sich außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens auf zukünftige Befriedigungsquoten einigen zu können (Knerr, a.a.O.). Wie der BGH in der mehrfach zitierten Entscheidung vom 10.10.2013 herausgestellt hat (a.a.O., Rn. 7), fehlt es der in Nr. 2504, 2506 VV-RVG angeführten gesetzlichen Bestimmung des § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO (“Schuldenbereinigungsplan“) an einem erfolgs- oder quotenbezogenen Tatbestandselement – dieses muss für den Begriff „Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans“ in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO gleichermaßen gelten.
Die zusätzlich vom Bezirksrevisor angeführte und vorgeblich zum selben Ergebnis kommende Entscheidung eines weiteren Senats des OLG Stuttgart (Rechtsmittelschrift vom 08.04.2016, Seite 4: Beschluss vom 28.01.2014 – 5 T 180/13) existiert nicht. Es handelt sich hierbei um die im dortigen Verfahren der weiteren Beschwerde (Az. 8 W 35/14) vorhergehende Instanzentscheidung des LG Tübingen vom 12.11.2013 (zitiert nach juris), wie sich schon unschwer dem Aktenzeichen entnehmen lässt.
c) Die bereits oben zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 06.08.2010 (4 W 48/10, MDR 2010, 1157 = NZI 2010, 949-952) vermag, gemessen an den durch die BGH-Entscheidung vom 10.10.2013 nunmehr geltenden Maßstäben, nicht (mehr) zu überzeugen. Zunächst ist – wie bereits oben ausgeführt – zu bedenken, dass der BGH explizit „entgegen OLG Bamberg, NZI 2010, 949, 952“ entschieden hat. Namentlich hatte das OLG Bamberg (a.a.O., Rn. 19 juris) postuliert, ein Nullplan könne „nicht als ernsthafter Versuch einer einvernehmlichen Schuldenbereinigung angesehen werden“, eine „derartige Auflistung“ mit dem Erklärungsgehalt „Ich zahle (jetzt und auch in Zukunft) nichts“ sei schon „von vornherein nicht geeignet, auch nur die Minimalanforderungen an ein diskutables Konzept zur Schuldenbereinigung zu erfüllen, wie es in § 305 I Nr. 1 bzw. Nr. 4 InsO vorausgesetzt wird“. Gerade diese Kernaussage der Bamberger Entscheidung hat der BGH verworfen und gegenteilig entschieden (BGH, a.a.O., Rn. 7).
Zum anderen ist der vom OLG Bamberg entschiedene Fall im Tatsächlichen anders gelagert. Dort gab es nur einen einzigen Gläubiger (Privatbank mit einer Forderung über rund 30.500,00 €, vgl. OLG Bamberg, a.a.O., Rn. 1), weshalb schon die Wortlautauslegung des Gebührentatbestandes der Nr. 2504 VV-RVG ergab, dass es an der dort vorausgesetzten Mehrzahl von Gläubigern fehlte.
Aus den gleichen Gründen ist im Übrigen auch die sowohl vom beschwerdeführenden Bezirksrevisor als auch vom OLG Bamberg angeführte frühere Entscheidung des KG Berlin vom 17.06.2008 (1 W 425/05, Rpfleger 2008, 647) nicht geeignet, die hier angefochtene Rechtsauffassung des Landgerichts Regensburg in Frage zu stellen.
d) Aus der neueren Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12.09.2016 (8 W 291/16, juris, unter BeckRS 2016, 17812 mit Entscheidungsdatum „29.09.2016“) lässt sich für die beschwerdeführende Staatskasse in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation nichts Entscheidendes herleiten.
Denn in dem dort entschiedenen Fall handelte es sich – unter ausdrücklichem Verweis auf die BGH-Entscheidung vom10.10.2013 (OLG Stuttgart a.a.O. Rn. 12) – um einen „Fast-Nullplan“, mit dem von einer jungen erwerbstätigen Schuldnerin trotz eines Einkommens unterhalb der Pfändungsfreigrenze eine monatliche Schuldentilgung von 50 € für einen Zeitraum von 6 Jahren angeboten wurde und zugleich eine höhere Tilgung, sobald es ihr gelungen sei, eine Arbeitsstelle mit einem höheren Einkommen zu erhalten. Auch wenn die angebotene Monatszahlung an der unteren Grenze liege, sei dieser „Fast-Nullplan“ aus Gläubigersicht dennoch nicht als perspektivlos zu beurteilen, insbesondere auch im Hinblick auf das junge Alter und die nicht geminderte Erwerbsfähigkeit der Schuldnerin mit dem nicht aussichtslosen Bestreben, ein höheres Arbeitseinkommen erzielen zu können. Hierin liege aber gerade der streitentscheidende Unterschied zu der vorangegangenen Senatsentscheidung vom 28.01.2014: dort sei es nur um einen „flexiblen Nullplan“ gegangen, der eben aus Gläubigersicht gänzlich perspektivlos gewesen sei.
Mit dieser bewussten Unterscheidung zwischen einem „Fast-Nullplan“ einerseits und einem „flexiblen Nullplan“ andererseits hat das OLG Stuttgart sodann dem Anwalt im Falle des „Fast-Nullplans“ eine nach Gläubigeranzahl erhöhte Geschäftsgebühr zuerkannt.
Diese konstruiert wirkende Differenzierung zwischen einem „Fast-Nullplan“ einerseits und einem „flexiblen Nullplan“ andererseits mit dem Ziel, daran die Höhe der verdienten anwaltlichen Schuldnerberatungsgebühr festzumachen, überzeugt nicht (im Ergebnis ebenso: Hans-Jochem Mayer, Anmerkung zu OLG Stuttgart, 25.06.2016 – 8 W 291/16, BeckRS 2016, 17812 in FD-RVG 2016, 382263).
Sachliche Gründe, eine inhaltlich gleichartige Anwaltstätigkeit, mit identischem Arbeitsaufwand in zeitlicher und personeller Hinsicht, unterschiedlich zu vergüten, sind für den erkennenden Senat nicht gegeben. Derartiges spiegelt sich weder im Wortlaut der Gebührentatbestände noch in deren Systematik wider.
Die reine Beratungstätigkeit des Anwalts wird mit einer Erhöhung der eigentlichen „Beratungshilfegebühr“ nach Nr. 2500 RVG-VV von 15,00 € auf 70,00 € nach VV-Nr. 2502 vergütet.
Der Senat teilt an dieser Stelle ausdrücklich nicht die Auffassung des OLG Stuttgart in der Entscheidung vom 28.01.2014 (a.a.O. Rn. 14 juris), wonach „bereits durch die erhöhte Beratungsgebühr nach Nr. 2502 RVG-VV“ (ist) „der (nur) im Rahmen einer bloßen Beratungstätigkeit entfaltete Mehraufwand für die Vorbereitung bzw. Ausarbeitung eines Schuldenbereinigungsplans mit abgegolten“ sei.
Das weitergehende „Betreiben des Geschäfts“ führt dann zum Anfall einer zusätzlichen „Geschäftsgebühr“ nach VVNr. 2503 in Höhe von 85,00 €, die sich dann aber gestaffelt nach Gläubigeranzahl auf 270,00 bis zu 675,00 € erhöht (VV-Nr. 2504-2507), wenn das „Betreiben des Geschäfts“ aus einer „Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)“ besteht.
Vergütet wird somit eine rein zieldefinierte Tätigkeit des Anwalts – die Umsetzung der aus der reinen Beratung gewonnenen Erkenntnisse in eine aus dem internen Verhältnis zum Mandanten heraustretende Geschäftstätigkeit, hier die Ermittlung von Gläubigern samt zugehöriger Forderungen und darauf aufbauend dann ein Anschreiben der Gläubiger um Einigungsmöglichkeiten abzuklären.
Die Zweckrichtung der anwaltlichen Mühewaltung kann aber nicht von den finanziellen Verhältnissen des Mandanten abhängen, die im Bereich der „Beratungshilfe bei Verbraucherinsolvenzverfahren“ naturgemäß im Regelfall sehr beengt sein werden und es dann von – dem Gebührenrecht unzuträglichen – Zufälligkeiten abhängen würde, ob der Anwalt den Gläubigern einen „starren Nullplan“, einen „flexiblen Nullplan“ oder einen „Fast-Nullplan“ anbieten kann. An diesem Kriterium den Vergütungsanspruch des Anwalts bemessen zu wollen, erscheint sachfremd.
Wie der BGH in der mehrfach zitierten Entscheidung vom 10.10.2013 herausgestellt hat (a.a.O., Rn. 7), fehlt es der in Nr. 2504, 2506 VV-RVG angeführten gesetzlichen Bestimmung des § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO (“Schuldenbereinigungsplan“) an einem erfolgs- oder quotenbezogenen Tatbestandselement – dies muss für den Begriff „Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans“ in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO gleichermaßen gelten.
e) Die hier vom erkennenden Senat vertretene Ansicht wird geteilt vom Oberlandesgericht Köln in dessen jüngerer Entscheidung vom 13.07.2016 (17 W 85/16, juris, ZInsO 2016, 1873), die wiederum die Auffassung des Landgerichts Aachen (01.03.2016, 3 T 374/15, BeckRS 2016, 06189; zustimmende Anmerkungen: H.-J. Mayer in FD-RVG 2016, 377282; H. Hansens in RVGreport Nr. 6/2016, 220) ausdrücklich bestätigt hat.
Der nachfolgenden Argumentation des LG Aachen und des OLG Köln (a.a.O., juris Rn. 13-16) schließt sich der Senat ausdrücklich an:
„Die Kammer verkennt nicht, dass die Frage, ob auch ein Nullplan die Gebühren von Ziff. 2504 ff. VV RVG auslöst, von zwei Oberlandesgerichten anders gesehen wird. Der Beschluss des Oberlandesgericht Bamberg vom 06.08.2010 – 4 W 48/10 – wird zwar in einzelnen Kommentaren zustimmend zitiert (vgl. Hartmann, 45. Aufl., RVG VV 2503-​2507 Rdn. 4; Riedel/Sußbauer, 10. Aufl., RVG VV 2504 – 2507 Rdn. 6), ist nach Auffassung der Kammer jedoch schon deshalb nicht besonders aussagekräftig, weil dieser Beschluss wesentlich auf der irrigen Auffassung des OLG Bamberg beruht, ein sogenannter Nullplan erfülle nicht die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO (so schon der hiesige Beschluss vom 29.09.2014 – 3 T 250/14). Der Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28.01.2014 – 8 W 35/14 – ist in der Literatur nicht unumstritten (vgl. Knerr, ZInsO 2015, 208 – zitiert nach Juris). Er geht zwar zutreffend davon aus, dass auch ein sogenannter Nullplan für die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ausreichend sein kann, will jedoch aus „dem Wortlaut und der Regelungssystematik“ der hier einschlägigen Vergütungsvorschriften schließen, dass für die Gebühren der Ziff. 2504 ff. VV RVG eine Ausarbeitung erforderlich sei, die „wenigstens in einzelnen Elementen das ernsthafte Bemühen erkennen lässt, eine Verhandlungsbasis für eine einvernehmliche Lösung anzubieten“. Dies erschließt sich wiederum der Kammer nicht. In dem Wortlaut von Ziff. 2504 ist dies nicht angelegt. Gerade umgekehrt legt der Verweis des Gesetzgebers auf § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nahe, dass die Tätigkeit, die für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens notwendig aber auch ausreichend ist, ebenso notwendig aber auch ausreichend für den Gebührentatbestand der Ziff. 2504 ff. VV RVG sein sollte. Weshalb – wie das Oberlandesgericht Stuttgart meint – die insolvenzrechtlichen Voraussetzungen an einen Schuldenbereinigungsplan „anders“ zu beurteilen seien als die vom Anwalt verlangte Tätigkeit, ist nicht ersichtlich. Insbesondere hält die Kammer die angebliche „Disparität“ zwischen der Geschäftsgebühr nach VV 2503 und den Gebühren nach VV 2504 ff. nicht für ein überzeugendes Argument. Da die Gebühr des VV 2503 in Höhe von 85,00 EUR schwerlich eine angemessene Vergütung für den Schriftwechsel auch mit mehr als 15 Gläubigern (vgl. VV 2507) darstellt, ist der Gebührensprung gerade umgekehrt ein Argument dafür, dass jeglicher Schuldenbereinigungsplan die Voraussetzungen der Ziff. 2504 ff. VV RVG erfüllt. Da es – soweit ersichtlich – bislang nur zwei obergerichtliche Entscheidungen zu der hier zu entscheidenden Frage gibt und die Frage für eine Vielzahl von Beratungshilfefestsetzungsverfahren grundsätzliche Bedeutung hat, erscheint es sachgerecht, durch Zulassung der weiteren Beschwerde (vgl. § 33 Abs. 6 RVG) eine weitergehende Klärung des Frage zu ermöglichen.“
Dem schließt sich der Senat uneingeschränkt an.
Die Voraussetzung für das Entstehen der Gebühr nach Nr. 2506, 2504 VV ist eine „Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)“, wenn „11 bis 15 Gläubiger vorhanden“ sind. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2012 – IX ZB 97/12 – (MDR 2013, 1491 f.) steht höchstrichterlich fest, dass im Schuldenbereinigungsplanverfahren auch die Vorlage eines Nullplans oder eines Fast-Nullplans zulässig ist (BGH, aaO Rn 7), wobei – u. a. – der entgegenstehenden Entscheidung des OLG Bamberg (NZI 2010, 949 = MDR 2010, 1157 f. = RPfleger 2010, 672 ff.) ausdrücklich widersprochen worden ist.
Auch in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist Voraussetzung, dass „eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist“. Daraus ist nahezu zwingend der Schluss zu ziehen, dass die Vorlage eines Nullplans oder eines Fast-Nullplans auch für das Entstehen der Gebühr nach Nr. 2504 VV – und bei 11 bis 15 Gläubigern wie hier der Nr. 2506 VV – ausreichend ist (ähnlich Knerr, ZinsO 2015, 208 f.). Wenn der Gesetzgeber als Voraussetzung der Entstehung der Gebühr von Nr. 2504 (und Nr. 2506) VV die Vorschrift von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO mehr oder weniger wortgleich übernimmt und auch ausdrücklich darauf Bezug nimmt, bedarf es eines explizit geäußerten Willens des Gesetzgebers, dass noch weitere Voraussetzungen hinzukommen sollten. Für ein unterschiedliches Verständnis finden sich aber im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte (Knerr, aaO S. 209). Soweit das OLG Stuttgart (ZinsO 2015, 206 ff. = juris Rn 14) darauf abstellt, dass „eine Ausarbeitung“ erforderlich sei, „die wenigstens in einzelnen konzeptionellen Elementen das ernsthafte Bemühen erkennen lässt, eine Verhandlungsbasis für eine einvernehmliche Lösung anzubieten“ und sich dabei auf die Entscheidung des OLG Bamberg bezieht, hat der BGH diese Ansicht mit seiner Entscheidung ausdrücklich abgelehnt.
Mit diesem Verständnis gleichartiger Sachverhalte in Nr. 2504 ff. VV einerseits und § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO andererseits wird der „Gleichklang“ zwischen (Insolvenz-) Verfahrensrecht und Anwalts-Gebührenrecht hergestellt (Hansens, RVGreport 2016, 2201, 221).
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:
Das Beschwerdegericht hat die gebührenrechtlichen Vorschriften der Nr. 2504, 2506 VV-RVG im Rahmen der nach § 55 RVG vorzunehmenden Gebührenfestsetzung im Ergebnis zutreffend und rechtsfehlerfrei angewandt.
Die weitere Beschwerde der Staatskasse ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Auch das Verfahren über die weitere Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gerichtsgebührenfrei und kennt nach § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG keine Kostenerstattung (Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 56 RVG Rn. 22 a.E.).
Die vorliegende Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. Abs. 4 Satz 3 RVG).

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