Kosten- und Gebührenrecht

Streitwert bei Stufenklage zwischen einer privaten Auslandskrankenversicherung und einer gesetzlichen Krankenkasse

Aktenzeichen  L 4 KR 583/17 B

Datum:
27.2.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3867
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 40, § 44, § 52 Abs. 1, Abs. 3, § 68

 

Leitsatz

1. Der Streitwert bei einer Klage zwischen einer privaten Auslandskrankenversicherung und einer gesetzlichen Krankenkasse, gerichtet auf Auskunft und Kostenerstattung, richtet sich regelmäßig nach dem in der zweiten Stufe geltend gemachten Zahlungsanspruch. (Rn. 9)
2. Eine Reduzierung auf 10 v.H. wegen eines entsprechenden Mittelwerts bei der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen findet nicht statt. (Rn. 10)
3. Durch die Geltendmachung der Leistung in Form einer Stufenklage ergibt sich keine Minderung des Streitwerts, z.B. auf ein Viertel. (Rn. 11)

Verfahrensgang

S 39 KR 2232/16 2017-08-29 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29. August 2017 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Im Hauptsacheverfahren begehrte die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.), die Beklagte und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Bg.) zu verurteilen, ihr darüber Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe die Bg. als gesetzliche Krankenversicherung des Versicherungsnehmers L. N. (im Folgenden: Versicherungsnehmer) dessen Krankheitskosten aus der ärztlichen Behandlung vom September 2013 in Spanien aufgrund der bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung nach ihren Statuten zu erstatten hätte und weiter die Bg. zu verurteilen, den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Betrag nebst gesetzlichen Zinsen an die Bf. zu zahlen.
Die Bf., Träger einer privaten Auslandsversicherung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft mit Sitz in A-Stadt, hat mit dem Versicherungsnehmer, der bei der Bg. gesetzlich krankenversichert ist, einen privaten Auslandskrankenschutzversicherungsvertrag abgeschlossen. Im September/Oktober 2013 sind Krankheitskosten aus einer ärztlichen Behandlung in Spanien entstanden. Die Bf. erstattete der versicherten Person aufgrund des privaten Auslandskrankenversicherungsvertrages für medizinische Leistungen insgesamt 1.709,91 EUR. Sie hat mit der am 30. Dezember 2016 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage im Wege der Stufenklage von der Bg. Auskunft über die nach deren Statuten zu gewährenden Leistungen (I.) und den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Betrag nebst gesetzlicher Zinsen seit Rechtshängigkeit an die Klägerin (II.) beantragt. Nach erfolgter Auskunftserteilung sei beabsichtigt, Klage in Form einer Leistungsklage mit dem dann bezifferbaren Klagebetrag zu erheben; möglicherweise könne sie den gesamten, an den Versicherungsnehmer erstatteten Betrag in Höhe von 1.709,91 EUR verlangen.
Die Bf. hat mit Schriftsatz vom 28. August 2017 im Hinblick auf die zahlreichen anhängigen Parallelverfahren die Klage zurückgenommen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 29. August 2017 der Bf. die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Streitwert auf 1.709,91 EUR festgesetzt. Gemäß § 44 Gerichtskostengesetz (GKG) sei bei der Stufenklage für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere, maßgebend. Die Kammer habe im Rahmen ihrer Ermessensausübung die sich aus dem Antrag ergebende Bedeutung der Sache für die Bf. in dem jeweiligen an den Versicherungsnehmer geleisteten Betrag gesehen. Das Ziel der Bf. sei es, den Betrag von der Bg. zu erhalten, den diese im Rahmen des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) an den Versicherten jeweils hätte leisten müssen. Soweit dies der gesamte an ihre Versicherungsnehmer jeweils gezahlte Betrag sei, möchte sie also auch diesen von der Beklagten erhalten. Dass auf Grund der Unterschiede der Versicherungssysteme im Einzelfall gegebenenfalls nur ein niedriger Betrag zustehen könnte, mindere nicht den ursprünglich mit der Klage verfolgten Wert der Sache für die Bf.
Gegen diesen am 7. September 2017 zugegangenen Beschluss hat die Bf. am 14. September 2017 eine „Streitwertbeschwerde“ erhoben und beantragt, den Streitwert auf 42,75 EUR festzusetzen. Grundsätzlich sei bei einer Auskunftsklage von einem Viertel der vollen Erstattungsforderung auszugehen. Zugleich sei nach der Erfahrung der Bf. im Allgemeinen lediglich im Mittel von ca. 10 v.H. der von der Bf. im Rahmen der privaten Versicherung jeweils gezahlten Verträge von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten. Aus der Antragstellung der Klageschrift ergebe sich, dass sich die Bedeutung der Sache für die Bf. nicht auf den gesamten an den gemeinsamen Versicherungsnehmer erstatteten Betrag beziehe, sondern nur auf den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Anteil. Nach § 52 Abs. 1 GKG sei daher maximal dieser Anteil, der nach der Klagebegründung auf 10 v.H. zu schätzen sei, der Anteil, der die Bedeutung des Rechtsstreits für die Bf. ausmache. Die Bf. hat hierzu auf Abrechnungsschreiben verschiedener Betriebskrankenkassen aus dem Jahre 2014 verwiesen. Die wirtschaftliche Bedeutung für die Bf. betrage somit lediglich 170,99 EUR; da zunächst lediglich Auskunft begehrt worden sei, sollte nur ein Viertel angesetzt werden und der Streitwert somit auf 42,75 EUR festgesetzt werden. Auf verschiedene entsprechende Entscheidungen der 29. Kammer sowie eine Entscheidung der 18. Kammer des Sozialgerichts München wurde hingewiesen.
Die Bg. hat mitgeteilt, dass keine Stellungnahme abgegeben werde.
II.
Die Entscheidung erfolgt gemäß § 68 Abs. 1 S. 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 6 S. 2 GKG wegen grundsätzlicher Bedeutung durch den Senat.
Die form- und fristgerecht erhobene (Streitwert-)Beschwerde ist gemäß § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 68 Abs. 1 GKG zulässig, jedoch unbegründet.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 3 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 GKG. Der Streitwert ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag der Klägerin bzw. Bf. für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Das erklärte prozessuale Ziel der Bf. ist es, auf der zweiten Stufe ihrer Klage nach Möglichkeit den gesamten an ihren Versicherungsnehmer gezahlten Betrag in Höhe von 1.709,91 Euro von der Bg. zurück zu erhalten. Dies ergibt sich aus der Begründung der Klageschrift, nach der nach erfolgter Auskunftserteilung beabsichtigt ist, gemäß Klageantrag Ziffer II Leistungsklage mit dem dann bezifferbaren Klagebetrag zu erheben, „wobei die Klägerin bislang aus den Erkrankungsfällen € 1.709,91 im Rahmen der privaten Auslandskrankenversicherung erstattet hat und möglicherweise diesen gesamten Betrag von der Beklagten erstattet verlangen kann“ (Seite 6 der Klageschrift vom 23. Dezember 2016). Nach diesem Betrag bestimmt sich deshalb der Streitwert. Wenn ein bestimmter Zahlungsbetrag streitauslösend ist und das vollumfängliche Klagebegehren abbildet, dann ist dieser dem Streitwert zugrunde zulegen, selbst wenn die vollumfängliche Erstattung dieses Betrags nicht stets zu erreichen ist.
Sofern die Bf. geltend macht, im Mittel seien nur 10 v.H. der Auslagen der Bf. von der Bg. zu erstatten, so dass sich der Streitwert entsprechend reduziere, steht dies nicht im Einklang mit diesem gestellten Antrag. Zudem basiert dieser Vortrag auf einer „Erfahrung der Klägerin“ (Seite 3 des Schriftsatzes der Bf. vom 11. September 2017) und ist weder nachgewiesen noch glaubhaft. Aus den – möglicherweise statistisch nicht belastbaren – Erstattungszusagen einiger gesetzlicher Kassen lässt sich ein 10%-Mittel nicht erkennen. Ergänzend verweist der Senat auf die Entscheidung des 5. Senats des Bayer. Landessozialgerichts (Urteil vom 5. Dezember 2017, L 5 KR 508/17), in dem der 5. Senat ausgeführt hat, dass die teilweise hohen Erstattungsbeträge eher für eine wesentlich höhere Quote sprächen. Weil der Streitwert die Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren (§ 3 Abs. 1 GKG) sowie für die Gebühren der bevollmächtigten Rechtsanwälte sei, dürfe er nicht auf unsubstantiierten Schätzungen beruhen.
Eine Minderung des Streitwertes – hier auf ein Viertel – ergibt sich vorliegend nicht durch die Geltendmachung der Leistung in Form einer Stufenklage. Nach § 44 GKG ist bei einer Stufenklage für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere, maßgebend. Diese Regelung gilt auch für ein Zusammentreffen mit einer Leistungsklage (Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 44 GKG, Rz. 2). Für die Wertberechnung ist der höhere Anspruch maßgebend, wenn in einer Instanz über beide Ansprüche entschieden wird (vgl. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 2017, Teil A, II., 7.1; BSG, Urt. v. 27.11.2014, Az.: B 3 KR 7/13 R). Es kommt regelmäßig auf den in der letzten Stufe geltend gemachten Zahlungsanspruch an (vgl. auch: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. September 2016, L 1 KR 427/16 B – juris Rn. 4). Nach § 40 GKG ist bei einer Leistungsklage der eingeklagte Wert ausschlaggebend, selbst wenn der Prozess nicht mehr in die Leistungsstufe kommt (Hartmann, a.a.O., Rz. 7).
Der Streitwert war demgemäß auf 1.709,91 EUR zu beziffern (§ 52 Abs. 3 S. 1 GKG). Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 S. 2 GKG.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 68 Abs. 3 S. 1 GKG) und ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

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