Aktenzeichen M 10 K 16.1998
Leitsatz
Eine Teilklagerücknahme führt nicht zu einer Verringerung des Streitwerts, da diese nicht mehr zu einer Reduzierung der anfallenden Gerichtsgebühren führen kann. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag des Klägers nach § 63 Abs. 3 GKG auf Änderung der Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 7. Juni 2017 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger hatte am 2. Mai 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben mit dem Ziel der Verurteilung des Beklagten, über zwei vom Kläger eingereichte Landtagspetitionen zu beraten und zu entscheiden.
Mit Beschluss vom 3. Mai 2016 setzte das Gericht den Streitwert nach § 63 Abs. 1 GKG vorläufig auf 5.000 Euro fest.
In der mündlichen Verhandlung der Verwaltungsstreitsache am 7. Juni 2017 nahm der Kläger seine Klage hinsichtlich einer der beiden Petitionen zurück.
Mit Urteil vom 7. Juni 2017 stellte das Gericht das Verfahren ein, soweit die Klage zurückgenommen wurde, und wies sie im Übrigen ab; die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt. Gleichzeitig erging Beschluss, wonach der endgültige Streitwert auf 10.000 Euro, davon 5.000 Euro auf den zurückgenommenen Teil entfallend, festgesetzt wurde.
Den klägerischen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. April 2018 – 5 ZB 17.1901 – ab.
Mit Schreiben vom 16. August 2018 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht nach § 63 Abs. 3 GKG, den Streitwertbeschluss vom 7. Juni 2017 dahingehend zu korrigieren, dass der Streitwert auf 5.000 Euro festgesetzt wird, hilfsweise, dass der Streitwert bis zur Klagerücknahme auf 10.000 Euro und danach auf 5.000 Euro festgesetzt wird.
Auf die Ausführungen des Klägers zur Begründung des Antrags wird verwiesen.
Dem Beklagten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
Die vom Kläger beantragte bzw. angeregte Änderung des Streitwertbeschlusses der Kammer vom 7. Juni 2017 ist nicht veranlasst.
1. Die endgültige Streitwertfestsetzung kann unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden. Vorliegend hat der Kläger jedoch, obgleich die Beschwerde das umfassendere Rechtsmittel ist, ausdrücklich eine Abänderung des Streitwertbeschlusses vom 7. Juni 2017 nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG beantragt.
§ 63 Abs. 3 S. 1 GKG befugt das Gericht, das die Streitwertfestsetzung getroffen hat, die Entscheidung von Amts wegen zu ändern. Die Änderung kann – wie hier geschehen – auch von einem Beteiligten angeregt werden.
Eine neue, ändernde Entscheidung kann deshalb veranlasst sein, weil wesentliche Aspekte übersehen wurden, sich die Verhältnisse geändert haben oder eine obergerichtliche Rechtsprechung übersehen wurde; erkennt das Gericht die Unrichtigkeit der Festsetzung, muss geändert werden (Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl. 2014, § 63 GKG Rn. 10 m.w.N.).
2. Im vorliegenden Fall ist die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 7. Juni 2017 auf 10.000 Euro nicht zu beanstanden.
a. Das Gericht hat den Streitwert bei Klageeinreichung nach § 63 Abs. 1 GKG vorläufig und nach § 63 Abs. 2 GKG bei Verfahrensabschluss endgültig festzusetzen.
Dabei ist der Streitwert in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro (Regel-/Auffangstreitwert) anzunehmen.
Betrifft ein Klageverfahren mehrere Streitgegenstände, so werden deren Werte grundsätzlich zusammengerechnet, § 39 Satz 1 GKG.
Für die Annahme einer Mehrheit von Streitgegenständen nach § 39 Satz 1 GKG ist maßgeblich, ob die Streitgegenstände jeweils einen selbstständigen wirtschaftlichen Wert oder einen selbstständigen materiellen Gehalt haben (vgl. auch Ziffer 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit – Stand 2013). Gemeint ist dabei also nicht der prozessuale, sondern ein spezifisch kostenrechtlicher Streitgegenstandsbegriff, der an eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anknüpft. Mehrere Streitgegenstände im kostenrechtlichen Sinne liegen demnach vor, wenn mehrere prozessuale Ansprüche nebeneinander bestehen können und nicht auf dasselbe Interesse gerichtet sind (vgl. BeckOK KostR/Schindler GKG § 39 Rn. 16-24, beck-online, m.w.N.).
aa. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den beiden Petitionen des Klägers, deren erneute Beratung und Behandlung im Landtag er im Klageweg erreichen wollte, um zwei verschiedene Streitgegenstände, deren Werte für die Streitwertbemessung zu addieren sind.
Diese Auffassung wird durch den klägerischen Sachvortrag selbst gestützt. So hat der Kläger bereits in seiner Klagebegründung bemängelt, dass er zwei Petitionen an den Beklagten gerichtet, das Landtagsamt diese aber nicht separat erfasst, sondern nur ein Aktenzeichen vergeben habe; auch seien beide Eingaben unter einem Tagesordnungspunkt zusammengefasst behandelt worden, obwohl sie thematisch nichts miteinander zu tun hätten.
Ferner hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Klage hinsichtlich der Petition „Ganzheitliche Integration von Flüchtlingen“ zurückgenommen; auch dies indiziert, dass auch er – wie das Gericht – insofern von einem separaten Streitgegenstand ausging.
bb. Für die Rüge der Verletzung des Petitionsrechts setzt das Gericht in ständiger Rechtsprechung im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung den Auffangstreitwert von 5.000 Euro an (hier, wie ausgeführt, je Petition).
cc. Der Streitwert war dementsprechend auf der Tatsachengrundlage am Schluss der mündlichen Verhandlung endgültig gemäß § 63 Abs. 2 GKG auf 10.000 Euro festzusetzen; eine Bindungswirkung der vorläufigen Festsetzung bestand, wie ihre Bezeichnung schon besagt, nicht (Jäckel in Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, Kostenrecht, 23. Aufl., Stand: 1.9.2018, § 63 GKG Rn. 22, beck-online).
b. Eine wie vom Kläger mit seinem Hilfsantrag verfolgte Änderung der Streitwertfestsetzung auf 10.000 Euro bis zum Zeitpunkt der teilweisen Klagerücknahme und danach auf 5.000 Euro ist ebenfalls nicht veranlasst.
Für eine Herabsetzung des Streitwerts nach bestimmten Verfahrensabschnitten besteht seit Abschaffung der sog. Urteilsgebühr im Kostenverzeichnis zum GKG und dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) vom 5. Mai 2004 kein Raum mehr, nachdem Teil-Klagerücknahmen und Teilerledigungen nicht mehr zu einer Reduzierung der anfallenden Gerichtsgebühren führen können.
Der vom Gericht festzusetzende Streitwert ist vor allem der Maßstab für die zu erhebenden Gerichtsgebühren. Diese sind hier nach dem (Gesamt-)Streitwert der in der mündlichen Verhandlung gegenständlich gewesenen Anträge zu bemessen, also unter Einbeziehung auch des erst in der Verhandlung zurückgenommenen Antrags.
Anders als nach früheren Fassungen des Gerichtskostengesetzes führt nämlich eine Klagerücknahme nur dann zu einer Ermäßigung der Gerichtsgebühren (von drei auf eine Gebühr), wenn durch sie das gesamte Verfahren beendet wird (vgl. Nummer 5111 der Anlage 1 zu § 3 GKG). Teilrücknahmen sind folglich insoweit irrelevant (OVG Thüringen, B.v. 3.11.2015 – 3 VO 448/15 – juris; Zünkler in Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, Kostenrecht, 23. Aufl., Stand: 1.9.2018, GKG KV 5111 Rn. 3, beck-online).
Da mithin dem „Wert des zurückgenommenen Klageteils“ keine Bedeutung für die Streitwertfestsetzung zukommt, weil sich eine solche Teilrücknahme nicht in der von § 63 GKG vorausgesetzten Weise auf die Gerichtsgebühren auswirkt, war für die vom Kläger begehrte Aufteilung kein Raum; vielmehr war, weil allein der Gesamtwert für die Höhe der Gerichtsgebühren maßgeblich ist, der Summenwert aller Streitgegenstände auszuwerfen, hier also die 10.000 Euro.
Der in den gerichtlichen Streitwertbeschluss vom 7. Juni 2017 aufgenommene Ausspruch, dass auf den zurückgenommenen Teil 5.000 Euro entfallen, hat hier insoweit lediglich Hinweisfunktion und kommt allgemein allenfalls für solche Fälle zum Tragen, in denen bei den anwaltlichen Kosten ein Gebührentatbestand an die (Teil-)Rücknahme anknüpfen sollte. Dem war hier jedoch nicht weiter nachzugehen.
3. Der Antrag (Anregung) Klägers nach § 63 Abs. 3 GKG auf Streitwertänderung war daher insgesamt abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. Jäckel in Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, Kostenrecht, 23. Aufl., Stand: 1.9.2018, § 63 GKG Rn. 35, 35a, beck-online, m.w.N.).