Kosten- und Gebührenrecht

Terminsgebühr bei stattgebendem Gerichtsbescheid

Aktenzeichen  M 26 M 19.50671

Datum:
25.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43086
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 2 Abs. 2, § 11 Abs. 3 S. 2
VwGO § 84 Abs. 1 S. 1, § 148 Abs. 1, § 151, § 165
SGG § 105 Abs. 1 S. 1
AsylG § 78 Abs. 7, § 80, § 83b

 

Leitsatz

1. Eine fiktive Terminsgebühr ist auf Fälle beschränkt, in denen der Anwalt eine mündliche Verhandlung erzwingen kann und fällt deshalb nicht an, wenn der Klage durch Gerichtsbescheid vollumfänglich stattgegeben wurde.  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ablehnung eines offensichtlich unzulässigen Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Gerichtsbescheid kann durch Beschluss ergehen. (Rn. 7 und 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Erinnerung trägt der Erinnerungsführer. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Erinnerungsführer wird durch seinen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigtem in einer asylrechtlicher Verwaltungsrechtssache gegen die Bundesrepublik Deutschland vertreten. Das Gericht gab der Klage durch mittlerweile rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 16.10.2017 vollumfänglich statt. In der Rechtsmittelbelehrungdes Gerichtsbescheids wurde auf die Möglichkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung sowie auf mündliche Verhandlung hingewiesen.
Mit Antrag vom 26.11.2017 begehrte der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers u.a. die Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG).
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die zu erstattenden Kosten durch Beschluss vom 19.09.2018 ohne die geforderte Terminsgebühr fest. Die Erinnerungsführer hat am 02.10.2018 die Entscheidung des Gerichts beantragt. Der Urkundsbeamte hat nicht abgeholfen und die Sache am 26.06.2019 dem Gericht vorgelegt.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die in Ermangelung einer Abhilfe statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG in Verbindung mit §§ 165, 151, 148 Abs. 1 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist unbegründet.
Der Urkundsbeamte hat zu Recht keine Terminsgebühr als Vergütungsbestandteil festgesetzt. Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 des Vergütungsverzeichnisses entsteht die Terminsgebühr (auch), wenn nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Zwar wurde hier durch Gerichtsbescheid entschieden. Auch der Wortlaut von § 84 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 7 AsylG und die entsprechend im Gerichtsbescheid erteilten Belehrung mögen auf den ersten Blick dafür sprechen, dass auch die zweite Voraussetzung vorliegt. Allerdings – und insoweit ist der Wortlaut nicht eindeutig – ist nicht klar, ob damit lediglich die rein tatsächliche Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf mündliche Verhandlung gemeint ist oder, ob nicht vielmehr die Antragstellung auch potentiell zu einer mündlichen Verhandlung führen können muss.
Die gesetzliche Begründung zur Anpassung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 des Vergütungsverzeichnisses (BT-Drucks. 17/11471, S. 275) macht deutlich, dass nach dem gesetzgeberischen Willen die Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr auf solche Fälle beschränkt werden soll, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann. Das ist hier aber nicht der Fall. Der Kläger hat vollständig obsiegt. Daher kommt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Veranlassung des Klägers nicht in Betracht. Die Ablehnung eines – mangels Rechtsschutzbedürfnisses offensichtlich unzulässigen – Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung muss nicht notwendigerweise durch Urteil erfolgen. Das Gericht kann den Antrag bei einem solchen Sachverhalt durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 125 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO als unzulässig verwerfen (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 30.03.2015 – RO 9 K 15.50006 – Juris-Rn. 4 m.w.N.; BFH, Beschluss vom 27.03.2013 – IV R 51/10 – Juris-Rn. 3, ferner Geiger in: Eyermann, VwGO, § 84 Rn. 21; Kunze in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, § 84 Rn. 13; anderer Ansicht: Clausing in: Schoch/Schneider/Bier, 28. EL 2015, § 84 VwGO Rn. 43; Kopp/Schenke, VwGO, § 24 Rn. 39).
Die hier vertretene Auffassung wird durch die teleologische Auslegung gestützt. Der Gerichtsbescheid dient einer ökonomischen und sparsamen Verfahrensführung und -beendigung. Er erspart vor allem die Zeit, die Gericht und Beteiligte in eine mündliche Verhandlung investieren müssten, obwohl kein entsprechender Verhandlungsbedarf besteht, da – so die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid – der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Es wäre mit diesem von § 84 VwGO intendierten Beschleunigungs- und Entlastungszweck nicht zu vereinbaren, wenn ein Beteiligter auch bei offensichtlichem Fehlen eines sich aus dem Klagebegehren im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ergebenden Grundes – wie hier – mit dem Verlangen auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung das Gericht dazu zwingen könnte, eine solche durchzuführen, nur um die Unzulässigkeit dieses Verlangens durch Urteil festzustellen.
Aus diesem Grund kann es auch nicht darauf ankommen, dass der kostenbelastete unterlegene Beteiligte zulässigerweise hätte mündliche Verhandlung beantragen können. Bei den hier zu betrachtenden Gebühren handelt es sich nicht um Vergütung für die echten Mühen eines durchgeführten Termins (denn ein solcher hat gerade nicht stattgefunden), sondern um eine fiktive Gebühr, die in erster Linie der Entlastung des Gerichts von mündlichen Verhandlungen dienen soll. Der Gesetzgeber wollte die mit dieser Entlastung der Justiz einhergehende Kostenbelastung des unterlegenen Beteiligten auf die Fälle beschränken, in denen das befürchtete Szenario (Belastung der Justiz mit inhaltlich leerlaufenden mündlichen Verhandlungen im Gebühreninteresse) überhaupt besteht. Deshalb ist für die Frage, ob die fiktive Terminsgebühr angefallen ist, stets nur die Perspektive desjenigen zu betrachten, dessen Vergütungsanspruch in Rede steht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Dies folgt bereits aus § 83b AsylG. Zudem sieht das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) einen Kostentatbestand für eine gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Erinnerungsverfahren nicht vor.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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