Aktenzeichen 9 ZB 17.1451
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
TierSchG § 2
Leitsatz
1 Ausnahmsweise kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch noch nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens in Betracht, wenn die antragstellende Partei bereits vorher alles Erforderliche für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe getan hat. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung von beamteten Tierärzten zu der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, ist regelmäßig nicht ausreichend; zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 K 16.588 2017-07-04 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihren Antrag auf Zulassung der Berufung vom 17. August 2017 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. Juli 2017, mit dem ihre Klage gegen mehrere tierschutzrechtliche Anordnungen des Landratsamts F* …- … vom 8. März 2016 für ihre Rinder- und Pferdehaltung abgewiesen worden ist.
Nach Einreichung der zur Überprüfung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlichen Erklärung vom 18. September 2017 einigten sich die Parteien außergerichtlich und erklärten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Ergänzend wies die Bevollmächtigte der Klägerin bei Abgabe der Erledigungserklärung darauf hin, dass der Prozesskostenhilfeantrag noch zu verbescheiden sei.
II.
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigten Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Prozesskostenhilfe wird damit regelmäßig nur für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung gewährt. Ist das Hauptsacheverfahren, für das Prozesskostenhilfe begehrt wird, bereits durch Vergleich, Klagerücknahme oder beiderseitige Erledigungserklärungen beendet, scheidet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich aus, da diese voraussetzt, dass die fragliche Rechtsverfolgung noch „beabsichtigt“ ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 9 C 17.760 – juris Rn. 6 m.w.N.). Ausnahmsweise kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe allerdings auch noch nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens in Betracht, wenn die antragstellende Partei bereits vorher alles Erforderliche für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe getan hat, also unter Vorlage der vorgeschriebenen und sonst erforderlichen Unterlagen einen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt hat und sich neben den hinreichenden Erfolgsaussichten auch ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse damit zweifelsfrei – ohne ergänzende Erklärungen – beurteilen lassen (BayVGH, B.v. 23.6.2017 a.a.O. Rn. 6).
Nach diesen Maßstäben stehen die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien vom 27. Dezember 2017 und 29. März 2018 einer rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen, weil die Klägerin den Antrag vorher rechtzeitig unter Vorlage der vorgeschriebenen und sonst erforderlichen Unterlagen gestellt hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 166 Rdnr. 14). Der Prozesskostenhilfeantrag war aber dennoch abzulehnen, da der Antrag auf Zulassung der Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot, weil darin weder ein einzelner tragender Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11).
Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung darauf abgestellt, dass die tierschutzrechtlichen Anordnungen vom 8. März 2016 in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG bzw. § 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung eine ausreichende rechtliche Grundlage finden, weil beide Kühe überlange Klauen hatten, die Hufe der drei Pferde ausgewachsen waren und den Rindern kein sauberes, hygienisch einwandfreies Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung stand. Diese Missstände sind am 16. Februar 2016 und 7. März 2016 von dem beamteten Tierarzt und der Amtstierärztin festgestellt und als nicht tierschutzgerecht gewertet worden. Deren Feststellungen und fachlichen Beurteilungen kommt ein besonderes Gewicht zu, da beamteten Tierärzten bei der hier maßgeblichen Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt wird (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.2694 – juris Rn. 10 m.w.N.). Bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung ist daher regelmäßig nicht ausreichend. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (BayVGH, B.v. 23.12.2014 – 9 ZB 11.1525 – juris Rn. 9). Ein solches lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.
1. Die bloße abweichende Interpretation der sich in den Behördenakten befindlichen, anlässlich der Kontrollen vom Landratsamt gefertigten Lichtbilder durch die Klägerin ist nicht geeignet, die Feststellungen der beamteten Tierärzte zur Klauenlänge und zum Hufzustand in Zweifel zu ziehen oder gar eine tierschutzgerechte Hufbzw. Klauenpflege zu belegen. Dies gilt auch in Bezug auf die im Zulassungsantrag erwähnten Stellungnahmen. Denn diese Stellungnahmen sind zum einen ausschließlich auf der Basis von Lichtbildern erstellt worden, deren Aufnahmezeitpunkte bei den meisten Bildern nicht nachvollziehbar sind, und die sich nur zum Teil in den Behördenakten und im Zulassungsantrag befinden. Zum anderen wurde selbst in der einzigen vollständig wiedergegebenen E-Mail des Fachtierarztes für Pferde und Leiter der Hufbeschlagschule Dr. R* … vom 31. Juli 2017 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Einschätzung lediglich aufgrund der vorgelegten Bilder erfolgt ist, aber „aufgrund der schlechten Bildqualität nur sehr eingeschränkt möglich“ sei. Für ein substantiiertes Gegenvorbringen ist diese E-Mail daher nicht geeignet. Dies gilt erst recht für die weiterhin vorgelegte Kopie einer angeblichen E-Mail von Dr. med. vet. P* … Abgesehen davon, dass der Kopie bereits nicht entnommen werden kann, ob sie – wie behauptet – von einer E-Mail gefertigt wurde, ist auch nicht erkennbar, ob tatsächlich eine Stellungnahme von Dr. P* … wiedergegeben wird. Im Übrigen bezieht sich diese Stellungnahme neben den Bildern Nrn. 20162 und 2016 nur auf ein Lichtbild Nr. 7459 zu Hufen, das mit „soweit beurteilbar – ohne besonderen Befund“ und einem Zusatz bewertet wird, der auf den vorgelegten Kopien geschwärzt wurde. Auch mit der weiterhin vorgelegten Kopie einer angeblichen Auskunft des Dipl.-Ing. agr. K* … können die Feststellungen und fachlichen Beurteilungen der beamteten Tierärzte, die die Tiere am 16. Februar und 7. März 2016 vor Ort untersucht hatten, nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, weil auch insoweit nur eine Ferndiagnose auf der Basis von zu einem unbekannten Zeitpunkt angefertigten Lichtbildern im Raum steht.
2. Ebenso wenig substantiiert sind auch die Ausführungen der Klägerin in Bezug auf die Feststellung der Amtstierärztin, dass das den Kühen im Barren angebotene Wasser mit Futterresten, Schmutz und Heu verunreinigt gewesen sei und kein sauberes, hygienisch einwandfreies Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung gestanden habe. Hinreichende Erfolgsaussichten des Zulassungsantrags in Bezug auf die Anordnung, Selbsttränkebecken einzubauen, sind somit auch insoweit nicht ersichtlich.
Eine Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens bedarf es nicht, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden und eine Kostenerstattung nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO ausgeschlossen ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).