Kosten- und Gebührenrecht

Unzulässige Berufung mangels Einhaltung der Schriftform

Aktenzeichen  11 BV 19.1848

Datum:
28.11.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 38164
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 81 Abs. 1, § 124a Abs. 2 S. 1, § 125 Abs. 2, § 133, § 167
ZPO § 709

 

Leitsatz

1. Die Schriftform der Berufung (§ 81 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 S. 1 VwGO) verlangt grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift (st. Rspr., BVerwG BeckRS 9998, 48023). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausnahmsweise ist eine eigenhändige Unterschrift entbehrlich, wenn sich bei Eingang des Schriftsatzes oder bis zum Ablauf der Frist aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, ergibt, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (Anschluss an BVerwG BeckRS 2003, 21259). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 K 18.1209 2019-04-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500,- Euro
festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Über die Berufung kann ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden, da sie unzulässig ist und die Beteiligten hierzu gehört worden sind (§ 125 Abs. 2 Satz 1 bis 3 VwGO).
Die Berufung ist unzulässig und deshalb gemäß § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verwerfen, da sie innerhalb der Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht formgerecht eingelegt worden ist. Die Schriftform der Berufung (§ 81 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verlangt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift (vgl. BVerwG, B.v. 13.6.1990 – 9 B 122.90 – BayVBl 1990, 670 = juris Rn. 3 zum Telefax; B.v. 19.12.2001 – 3 B 33.01 – juris Rn. 2; B.v. 27.1.2003 – 1 B 92.02, 1 PKH 12.02 – NJW 2003, 1544 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 11.6.2013 – 22 ZB 13.1068 – juris Rn. 6 ff.). Damit soll die Identifizierung des Urhebers der Prozesshandlung ermöglicht und ausgeschlossen werden, dass es sich bei einem dem Gericht zugeleiteten Schriftstück bloß um einen nicht autorisierten Entwurf handelt (vgl. BVerfG, B.v. 18.4.2007 – 1 BvR 110/07 – NJW 2007, 3117 = juris Rn. 13). Ausnahmsweise ist eine eigenhändige Unterschrift dann entbehrlich, wenn sich bei Eingang des Schriftsatzes oder bis zum Ablauf der Frist, hier der Frist zur Einlegung der Berufung, aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, ergibt, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (BVerwG, B.v. 19.12.2001 a.a.O.; BVerwG, B.v. 27.1.2003 a.a.O. Rn. 5; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 81 Rn. 6; Aulehner in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 81 Rn. 73).
Derartige Anhaltspunkte finden sich vorliegend jedoch nicht. An das Verwaltungsgericht ist am 2. September 2019 lediglich eine halbe Seite einer Berufungsschrift mit den Anträgen 1. bis 3. gefaxt worden. Die zweite gefaxte Seite enthielt nur die Faxkennung bestehend aus Datum, Uhrzeit, Name des sachbearbeitenden Rechtsanwalts, Faxnummer und Seitenzahl, was jedoch nichts über den Willen besagt, die Berufungsschrift in den Verkehr zu bringen (vgl. BVerwG, B.v. 13.6.1990 a.a.O. Rn. 3).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO kommt nicht in Betracht, da der Vortrag zu den Wiedereinsetzungsgründen nicht die mit Zugang des ersten Hinweisschreibens am 19. September 2019 in Lauf gesetzte Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO wahrt. Wie sich auch aus den eigenhändig vom Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Empfangsbekenntnissen ergibt, bedeutet der Vortrag, die beiden Hinweisschreiben des Senats vom 18. September und 1. Oktober 2019 befänden sich nicht in seiner Handakte, nicht, dass sie ihm nicht zugegangen sind. Ob er sie zur Handakte genommen hat, ist rechtlich ohne Bedeutung. Offen bleiben kann daher, ob allein die Vorlage des Sendeberichts vom 2. September 2019 mit dem Vermerk „OK“ ausreicht, um fehlendes Verschulden im Sinne § 60 Abs. 1 VwGO (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 60 Rn. 9 m.w.N.) darzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und der Empfehlung in Nr. 46.16 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach für die Sicherstellung und Stilllegung eines Kraftfahrzeugs der halbe Auffangwert (2.500,- Euro) anzusetzen ist. Zwar hält es der Senat für ermessensgerecht, den Streitwert einer Verpflichtung zur Mängelbeseitigung, die regelmäßig nur die Vorstufe zur Betriebsuntersagung im Fall der Nichtbefolgung bis zum Ablauf der behördlich festgelegten Frist darstellt, auf 1.250,- Euro zu reduzieren (vgl. BayVGH, U.v. 22.10.2019 – 11 BV 19.824 – juris Rn. 56). Allerdings hat die Zulassungsbehörde den Kläger hier alternativ und nicht nur hilfsweise zur Stilllegung seines Fahrzeugs verpflichtet, so dass der höhere Streitwert maßgebend ist, auch wenn die Verpflichtung zur Stilllegung praktisch darauf abzielte, ihn zur Mängelbeseitigung anzuhalten.
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

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